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Polnische Polizisten an der Grenze bei Kuźnica.

Foto: Reuters/Policja Podlaska

Turkish Airlines geriet in die Kritik, nachdem Medien berichtet hatten, dass die Türkei mithilfe der Fluggesellschaft Migranten gezielt nach Belarus einfliege (Bild: Flüchtlinge an der Grenze zu Polen).

Foto: imago/Ramil Nasibulin

Im Flüchtlingsstreit an der EU-Außengrenze zu Polen untersagt nun die staatliche belarussische Fluggesellschaft Belavia Bürgern bestimmter Länder den Kauf von Flugtickets nach Belarus. Auf Ersuchen der türkischen Behörden werde Belavia ab sofort Bürgerinnen und Bürger aus Syrien, dem Irak und dem Jemen nicht mehr einfliegen lassen, teilte die Airline am Freitag mit. Zuvor verkündete bereits die Turkish Airlines, dass man keine Menschen aus diesen drei Ländern mehr mitnehmen werde.

Der Grund dafür: Die EU hat Sanktionen gegen Airlines angedroht, die Migranten mit der Absicht der "illegalen Einreise in die EU" nach Belarus befördern. Am Montag wollen die EU-Außenminister diese Sanktionen gegen rund 30 Luftfahrtgesellschaften, Reisebüros oder andere Verantwortliche auf den Weg bringen.

Minsk droht unterdessen mit Vergeltung. Der von Russland unterstützte belarussische Präsident Alexander Lukaschenko brachte den Stopp von Gaslieferungen an die Europäer ins Gespräch. Die EU-Kommission will sich nicht erpressen lassen.

Nach Angaben irakischer Behörden sollen sich aktuell rund 8.000 Flüchtlinge aus den dortigen Kurdengebieten im polnisch-belarussischen Grenzgebiet aufhalten. Das irakische Außenministerium erklärt, dass Direktflüge nach Belarus eingestellt werden, um "Iraker vor Menschenhändlern" zu schützen.

Aus für One-Way-Tickets

Nach Angaben eines EU-Beamten sollen nun keine One-Way-Tickets mehr für Flüge aus der Türkei nach Minsk verkauft werden. Belavia werde zudem auch nicht mehr das Middle-East-Netzwerk von Turkish Airlines nutzen können, um Reisende über Istanbul nach Minsk zu fliegen, hieß es.

Die Fluglinie geriet in die Kritik, nachdem Medien berichtet hatten, dass Turkish Airlines Migranten gezielt nach Belarus einfliege. Die polnische Regierung und die EU werfen Machthaber Lukaschenko vor, die Migranten ins Land bringen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen. Turkish Airlines hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Die jetzt getroffenen Maßnahmen seien von den türkischen Behörden mit einem Team von EU-Ratspräsident Charles Michel vereinbart worden, hieß es aus Brüssel.

Irak will Flüchtlinge zurückholen

Der polnische Grenzschutz twitterte, es habe zuletzt 223 Versuche des illegalen Grenzübertritts gegeben. Dies wäre im Vergleich zu den Vortagen eine eher geringe Zahl. Die Präsidenten Litauens, Lettlands und Estlands wollen sich nach Angaben Litauens am Montag in Vilnius treffen, um über die Krise zu sprechen. Dabei soll auch Polens Präsident Andrzej Duda zugeschaltet werden.

Die kurdische Regionalregierung bemüht sich eigenen Angaben zufolge indes darum, den 8.000 Flüchtlingen im polnisch-belarussischen Grenzgebiet humanitäre Hilfe zukommen zu lassen, sagte ein Regierungssprecher am Donnerstag dem kurdischen TV-Sender Rudaw. Er warf der Regierung in Minsk vor, die Menschen als "politische Trumpfkarte gegen die Europäische Union" zu benutzen.

Iraks Zentralregierung will nach eigenen Angaben Flüchtlinge aus Belarus zurück in die Heimat bringen. Die irakische Botschaft in Moskau rief sie dazu auf, sich für Rückflüge registrieren zu lassen. Ein Sprecher des irakischen Ministeriums für Migration sagte jedoch der Deutschen Presse-Agentur, ein Großteil von ihnen wolle nicht zurück. Die Menschen seien Opfer von Schleusernetzwerken geworden.

Der Irak hatte bereits im August die Flüge nach Belarus gestoppt, um die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen. Die Menschen kommen aber über andere Flughäfen nach Minsk und von dort weiter an die Grenze.

UNHCR bietet Belarus Hilfe an

Nach Angaben der belarussischen Behörden harren in Zeltlagern entlang der Grenze zu Polen etwa 2.000 Menschen aus, darunter viele Frauen und Kinder, die dringend Hilfe bräuchten. Vertreter des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) haben diese in den letzten Tagen besucht und Belarus Hilfe angeboten. Es müsse nun darum gehen, Todesfälle zu verhindern und die Menschen an sicheren Orten in Belarus unterzubringen, hieß es in einer UNHCR-Mitteilung. Zuvor hatte auch Lukaschenko, der international für die Lage verantwortlich gemacht wird, angekündigt, schwangere Frauen und Kinder in Sanatorien unterzubringen.

Die EU wirft Lukaschenko vor, aktiv "Menschenschmuggel" zu betreiben. Österreichs Außenminister Michael Linhart (ÖVP) bezeichnete das Vorgehen von Belarus als "Menschenrechtsverletzung und Erpressung". Österreichs volle Solidarität gelte Polen und Litauen als leidtragenden Staaten, erklärte er. Der deutsche Innenminister Horst Seehofer rief zum Schulterschluss gegen Lukaschenko auf.

Polen steht allerdings auch in der Kritik, übermäßig hart gegen die Flüchtlinge vorzugehen und auch keine Journalisten in die Region zu lassen. Das polnische Parlament hatte die auf EU-Ebene abgelehnte (und vor allem auch völkerrechtswidrige) Praxis der sogenannten Pushbacks ausdrücklich genehmigt. Dabei werden Menschen, die den Durchbruch durch den Stacheldrahtzaun von belarussischer Seite schaffen, wieder gewaltsam zurückgeschickt. (APA, red, etom, 12.11.2021)