Hier beginnen Gesichtszüge zu krabbeln: "ANTopolis".

Foto: Gebhard Sengmüller / Mignonneau & Sommerer

Virtuelle Ameisen übernehmen die Stadt! – Zumindest die Fassade des Leopold-Museums. Die interaktive Medien in stallation ANTopolis des Künstlerduos Christa Sommerer und Laurent Mignonneau ist eines von zwei Freiluftkulturprojekten im derzeit geöffneten "MQ Wintergarten".

Seit Anfang November wintert’s wieder im Wiener Museumsquartier: In der Mitte des Haupthofes schützt ein 380 Quadratmeter großer Winterhimmel vor Schnee und Regen. Die Projektionskunst von Lumine (Tim Schmelzer, Marcus Zobl) taucht den schwebenden, runden Screen in Fantasiewelten, die auch auf die Fassade des Leopold-Museums überfließen.

Der Wintergarten bringt auch beliebte Klassiker zurück: etwa die leuchtende Kugelbahn Lumina des Salzburger Künstlers Andreas Hasenöhrl. Sie veranschaulicht auf interaktive und spielerische Weise die Erdanziehungskraft: Das Publikum befördert LED-Leuchtkugeln über einen Aufzug nach oben, die dann auf der farbigen Bahn ihren Weg zurück zur Erde finden.

Fünfzehntausend Ameisen

Seit 2005 findet auch das Miniaturautorennen Winter Race statt. Der Licht- und Installationskünstler Martin Markeli gestaltet jährlich eine Arena für ferngesteuerte Modellautos im Wasserbecken des MQ. Auch von Markeli: die MQ-Eisstockbahn, die allein oder im Team bespielt werden kann.

Aber jetzt übernehmen, täglich zwischen 17 und 19 Uhr, noch dazu fünfzehntausend realistisch dargestellte und sich in alle Richtungen bewegende Ameisen das MQ-Areal. Das Kunstprojekt Selbstportrait mit ANTopolis verwandelt Aufnahmen zufällig vorbeigehender Passanten in großformatige Ameisenporträts.

Auch die aktive Teilnahme ist erwünscht. Es genügt, sich kurz vor eine Kamera auf einer markierten Stelle zu positionieren. Sofort erkennen die künstlichen Ameisen die Gesichtskonturen und erzeugen komplexe Spuren, die sich zu Porträts zusammensetzen.

Mit ihrer von Penesta Dika und Klaus Krobath kuratierten Medienfassadeninstallation wollen Sommerer und Mignonneau den Menschen als Teil eines zerbrechlichen Ökosystems zeigen und uns an den Zusammenhang zwischen Mensch und Natur erinnern, der durch die Covid-19-Krise wieder mehr ins Bewusstsein gerückt ist.

Hektik und Organisationsform

Zudem spiegeln die Ameisen thematisch die Hektik des Staates und dessen Organisationsform wider. "Wir sind soziale Tiere, so wie Ameisen. Allein sind wir machtlos, aber als Gruppe und Gesellschaft haben Ameisen genau wie Menschen viel mehr Kraft", erläutert Sommerer.

Seit 1992 arbeitet sie mit Mignonneau im Bereich der interaktiven Computerinstallationen zusammen. Zurzeit unterrichten die beiden an der Kunstuniversität in Linz, hatten aber auch Professuren in Japan und den USA inne. Sommerer studierte ursprünglich Biologie in Wien, Mignonneau Moderne Kunst und Videokunst in Frankreich.

Ihre Arbeiten waren bisher weltweit in 250 Ausstellungen zu sehen. Premiere hatte ANTopolis im Vorjahr bei der Ars Electronica in Linz.

Selbstportrait mit ANTopolis kann bis zum 6. Dezember besucht werden. Und der "MQ Wintergarten" hat erstmals verlängert. Er ist nun bis 9. Jänner 2022 geöffnet. (Katharina Stöger, 12.11.2021)