Unsere Lebensweise vernichtet gerade ihre Heimaten: Kathy Jetñil-Kijiner von den Marshallinseln und Aka Niviâna aus Grönland bei "Overground Resistance" im frei_raum Q21.

Foto: Kathy Jetñil-Kijiner, Aka Niviâna

Als "Schwestern aus Eis und Schnee" und "Schwestern aus Ozean und Sand" bezeichnen sich Kathy Jetñil-Kijiner und Aka Niviâna in ihrem Gedicht Rise: From One Island to Another. Was so mythisch und märchenhaft klingt, beinhaltet indessen, poetisch und so wunderschön wie herzzerreißend traurig, das ganze Ausmaß der Katastrophe und Auslöschung, die die Menschheit gerade verursacht.

Im Video zu Rise, das in der noch bis 21. November geöffneten Ausstellung Overground Resistance im frei_raum Q21 des Museumsquartiers gezeigt wird, sieht man die beiden Frauen, die eine von den Marshallinseln, die andere aus Kalaallit Nunaat (Grönland), wie sie einander in ihrer jeweiligen Heimat besuchen. Man sieht sie über glitzerndes Eis stapfen und durch glasklares, hellblaues Wasser waten.

Man hört sie die Schönheit ihrer Heimat besingen, aber auch deren Untergang betrauern, man hört ihre Anklage und ihren Aufruf, sich zu erheben ("rise", wie auch der Titel heißt). "Unsere Leben", heißt es am Schluss, "zählen mehr als ihre Macht, das Leben in all seinen Formen verlangt denselben Respekt, den wir alle dem Geld erweisen."

Das sechsminütige Video ist wohl einer der bewegendsten Beiträge dieser Ausstellung, in der Arbeiten von Kunstschaffenden zu sehen sind, die ihre Werke im Dialog mit weltweiten Klimagerechtigkeitsbewegungen entwickeln und sich als Teil derselben begreifen.

Im von Mozarteum-Salzburg-Studentin Magdalena Hofer gestalteten Ausstellungsdesign sind bei freiem Eintritt nicht nur zahlreiche Filme und dokumentarische Formate zu sehen, sondern auch Tools für Protestaktionen, etwa aufblasbare Barrikaden, die für die Demonstrationen beim UN-Klimagipfel 2015 entwickelt wurden.

Abstriche im Kulturbetrieb

Dabei ist die Ausstellung schon deshalb bemerkenswert, weil sie die erste ihrer Art ist: "Overground Resistance ist die weltweit erste Kunstausstellung, die ausschließlich Hauptfiguren der Klimagerechtigkeitsbewegungen vorstellt, darunter auch vier Künstler:innen aus indigenen Bevölkerungsgruppen", so die künstlerische Leiterin des frei_raum Q21, Elisabeth Hajek. "Indigene suchen in ihrer Lebensweise das Gleichgewicht mit der Natur und können als Wegbereiter:innen der Klimagerechtigkeitsbewegung gesehen werden."

Ein zentrales Anliegen sei es daneben gewesen, "den CO₂-Fußabdruck durch wiederverwertbare Materialien und Vermeiden von Kunsttransporten klein zu halten sowie wissenschaftlich fundierte ökologische Standards einzuhalten. Um die globale Erderwärmung zu bremsen, sind drastische Maßnahmen und Abstriche in allen Lebensbereichen notwendig, so auch im Kunst- und Kulturbetrieb."

Oliver Ressler, Kurator der Schau, ergänzt zum Klimagipfel in Glasgow (COP26): "Die Verhandlungen dort scheinen leider zu bestätigen, dass die großen, Emissionen emittierenden Staaten weiterhin nicht von ihrem das Klima zerstörenden Kurs abrücken werden."

Die Konzerne seien bei der COP26 stärker präsent als die größten Staaten. "Daher rückt Overground Resistance die Klimagerechtigkeitsbewegungen in den Mittelpunkt und zeigt, welche Rolle die Kunst darin spielt. Nur Druck von unten und die Blockade von fossiler Infrastruktur werden den Wandel herstellen." (Andrea Heinz, 12.11.2021)