Während man in Österreich über jedes Projekt froh sein muss, das mithilfe von Building Information Modelling (BIM) errichtet wird, ist man in Norwegen schon weiter. Zur Erinnerung: Mit BIM wird ein digitaler Zwilling eines Gebäudes geschaffen, um im Bau und in der Verwaltung weniger Fehler zu machen und die Materialkosten zu reduzieren.

Die Norwegerinnen und Norweger, allen voran Havard Vasshaug vom Architekturbüro Reope, denken bereits eine Stufe weiter, und zwar in BIM-Hacking. Nein, das ist nicht die Gefahr, dass man eines morgens ins Büro kommt, den Computer hochfährt und sieht, dass ein Hacker aus dem geplanten Bürogebäude eine stehende Acht geformt hat. Es bedeutet, die Grenzen von BIM auszuloten und zu erweitern – durch Programmieren.

Havard Vasshaug vom Architekturbüro Reope ist BIM alleine nicht genug.
Foto: Future Brick Days

Als Beispiel zeigte Vasshaug auf den Future Brick Days 2021 von Wienerberger das Academy Museum of Motion Pictures in Los Angeles: ein imposantes kugelförmiges Gebäude, das zu einem Großteil aus Glas besteht. "Eine Qual, das in BIM zu gestalten", sagte er, "viel zu kompliziert." Er und sein Team programmierten verschiedene Ebenen des Gebäudes einzeln und verbanden diese. Das Ergebnis: Veränderte man die Neigung einer einzelnen Glasfläche, passte das Programm die restlichen Flächen automatisch an.

Doch nicht nur für besonders komplexe Pläne ist BIM-Hacking eine Option, sondern auch für das Planen mehrerer Gebäude gleichzeitig, wie des Hauptquartiers der norwegischen Regierung, das 2011 durch einen Anschlag zerstört wurde. Neben dem Hauptgebäude sollte es auch zwei Nebenbauten geben. Um alle drei Objekte gleichzeitig planen zu können und diese aufeinander aufzubauen, nutzt Reope BIM-Hacking. Wenn in Gebäude A ein Parameter verändert wird, checkt das Programm automatisch, ob dafür in Gebäude B und C ebenfalls etwas geändert werden muss.

In Systemen denken

Doch nicht alle Konzepte, die auf dem Event vorgestellt wurden, beschäftigten sich mit konkreten Beispielen. Christos Chantzaras, Professor für Architekturinformatik an der TU München, beantwortete die Frage, was Architektinnen und Architekten vom Silicon Valley lernen können – und was sie lieber bleiben lassen sollten. "Architekten tun sich schwer damit, Dinge zu skalieren, sie für die breite Masse gestalten." Die Branche müsse lernen, in Systemen zu denken, nicht in einzelnen Gebäuden – eine Philosophie, die die Unternehmer im Silicon Valley perfektioniert hätten.

Doch er hatte nicht nur lobende Worte für sie parat. "Am Beispiel der digitalen Smart-City in Toronto sieht man, dass Städtebau sehr viel komplexer ist, als selbst Google es gedacht hat", sagte er. Der Tech-Gigant hatte in der kanadischen Stadt eine Smart-City geplant. Im Mai 2020 wurde bekannt: Das Projekt ist abgesagt. Seit der Ankündigung hatte es viel Kritik gegeben, vor allem wegen der geplanten Überwachung und der Implementierung eines intelligenten Krankenversicherungssystems, dessen Tarife sich nach den Daten der Nutzerinnen und Nutzer richten sollten.

Abschließend berichtete Wilfried Lechner von Wienerberger noch über die Pläne für das Ziegelhaus der Zukunft. Für die neuen "Brick Bauhaus 2050"-Standards haben sich Industrie und Wissenschaft zusammengeschlossen, um den Ziegel als Rohstoff klimafit zu machen. Dazu zählt unter anderem, dass Ziegel in Zukunft möglichst regional bezogen und recycelt werden sollen. Mit Gedanken an die Flutkatastrophe in Deutschland sollen vor allem Keller- und Erdgeschosse mit Baumaterialien versehen werden, die gar nicht oder nur gering wasserempfindlich sind. BIM war auch Thema und soll zum neuen Standard werden – wie das in Norwegen längst der Fall ist. (12.11.2021, Thorben Pollerhof)