Zugegeben, es mag vielleicht kein sehr günstiger Zeitpunkt sein, in Zeiten einer Pandemie eine Serie zu veröffentlichen, die von Schandtaten eines Pharmaunternehmens erzählt. Nachdem es sich um eines der wahrscheinlich größten medizinischen Verbrechen in der Geschichte der USA handelt, das noch dazu jahrelang vertuscht wurde, geht die Bedeutung der sechs Folgen von Dopesick auf Disney plus jedoch über die aktuelle Themengemengelage hinaus.

Darum geht es

1995 bringt das US-Pharmaunternehmen Purdue das Schmerzmittel Oxycontin auf den Markt. Das auf Opioidbasis hergestellte und offiziell zugelassene Medikament wird als Wundermittel gegen Schmerzen gehandelt. Es wirke, ohne süchtig zu machen. "Weniger als ein Prozent" würden abhängig, lautet der Werbespruch. Eine Sensation. Ärzte verschreiben das Mittel in Mengen. Bis heute hat Purdue mit Oxycontin rund 35 Milliarden Dollar Umsatz gemacht – und Hunderttausende in eine offiziell zugelassene Drogensucht getrieben.

Anders als vom Unternehmen verkauft, macht Oxycontin sehr wohl abhängig. Purdue wusste das mit geschickten Marketingstrategien zu verschleiern. Zwischen 2006 und 2012 versorgten Pharmafirmen den US-Markt mit mehr als 76 Milliarden Pillen, die süchtig machende Oxycodone und Hydrocodone enthielten. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC sind seit 2000 mehr als 450.000 Menschen durch Überdosierungen gestorben.

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Die Serie

Dopesick erzählt den Fall im Stil einer True-Crime-Story aus verschiedenen Perspektiven und in mehreren Zeitsträngen:

Einmal ab 1986 aus der Sicht des Familienunternehmens Sackler, allen voran Oxycontin-Mastermind Richard (Michael Stuhlbarg), Kunstliebhaber, nach Ruhm, Anerkennung und Weltmacht über den Schmerz strebender Vorstandsvorsitzender. Sämtliche Bedenken werden ignoriert.

Richard Sackler (Michael Stuhlbarg), Kunstliebhaber, nach Ruhm, Anerkennung und Weltmacht über den Schmerz strebender Vorstandsvorsitzender.

Zum Beispiel vom Medikamentenvertreter Billy Cutler (Will Poulter), der die Droge zunächst begeistert anbietet, so auch dem Allgemeinmediziner Sam Finnix (Michael Keaton). Der fürsorgliche Arzt verschreibt seinen Patienten Oxycontin, bemerkt aber bald, dass schnell Dosiserhöhungen nötig sind.

Eine seiner Patientinnen ist Betsy Mallum (Kaitlyn Dever). Die junge Frau arbeitet in einer Kohlemine und verletzt sich bei einem Unfall schwer. Die Staatsanwälte Randy Ramseyer (John Hoogenakker) und Rick Mountcastle (Peter Sarsgard) gehen zu Beginn der 2000er-Jahre den betrügerischen Machenschaften der Sacklers nach und bringen sie zur Anklage. Die DEA-Beamte Bridget Meyer (Rosario Dawson) stellt eigene Nachforschungen an und deckt einen riesigen Pillen-Schwarzmarkt auf.

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Kaitlyn Dever spielt ein Opfer der Opioid-Krise.
Foto: AP / Hulu

Wer hat’s gemacht?

Die Serie entstand nach Beth Macys gleichnamigem Buch. Showrunner war Danny Strong, Barry Levinson führt Regie.

Michael Keaton kommt als Allgemeinmediziner den Machenschaften eines Pharmakonzerns auf die Schliche: "Dopesick" auf Disney plus.
Foto: AFP / ANGELA WEISS

Der aktuelle Stand

Purdue wurde mehrfach verurteilt und ist inzwischen insolvent. Kritiker sehen in dem Konkurs ein Manöver. Ein Teil des Familienvermögens liege auf ausländischen Konten. Nach einem Vergleich soll das Unternehmen 4,5 Milliarden US-Dollar zahlen. Schadenersatzprozesse laufen noch immer. Die Familie Sackler lehnt jede Verantwortung ab. Opioidsucht ist in den USA nach wie vor verbreitet. Vier Prozent der Abhängigen sterben jährlich an einer Überdosis. (Doris Priesching, 13.11.2021)

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