Wien – "Spielen Sie jetzt Blockwart oder was?", will ein älterer Herr irritiert wissen. Die Autorin hat zuvor die Bedienung in der Filiale einer Fastfoodkette gefragt, warum diese den QR-Code des grünen Passes nicht gescannt, sondern nur das Datum der Impfung auf dem Zertifikat geprüft hat.

Für den älteren Mann ist das ein Grund für Verstimmung: Auf eine Antwort wartet er erst gar nicht. Stattdessen eilt er schnellen Schrittes mit seinem Einkauf in der Hand Richtung Ausgang. Dabei schimpft er leise, aber unverständlich hinter seiner Maske weiter.

Der Mitarbeiter des Lokals zuckt unterdessen mit den Schultern. Er will wissen, welchen Unterschied ein QR-Scan machen würde. Schließlich lasse sich die Kontrolle so rascher abwickeln. Dass das Scannen Fälschungen vermeiden würde, ist ihm nicht bewusst.

Zu vielen Bereichen des öffentlichen Lebens hat man ohne 2G-Nachweis keinen Zutritt mehr.
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Strengere Regeln

Seit Montag gelten aufgrund der hohen Infektionszahlen im öffentlichen Leben strengere Vorgaben: Mit Test allein ist kein Zutritt in die Gastronomiebetriebe des Landes mehr möglich. Ähnlich verhält es sich bei Fitnesscentern und körpernahen Dienstleistungen – etwa dem Frisiersalon oder dem Nagelstudio.

Vorausgesetzt wird nun ein 2G-Nachweis – also ein Beleg, dass man geimpft bzw. genesen ist. Oder, wie das STANDARD-Forum zuletzt immer wieder scherzhaft formulierte: Nur mit Spritzerl gibt’s weiterhin ein Schnitzerl.

Wer sich nicht an die Regeln hält, muss mit hohen Strafen rechnen. Verstöße werden mit Beträgen in Höhe von bis zu 500 Euro für die Besucherinnen und Besucher geahndet. Der Lokalführung drohen bis zu 30.000 Euro Verwaltungsstrafe. Auf jene, die mit gefälschtem Impfpass aufkreuzen, könnten sogar strafrechtliche Konsequenzen zukommen. Dann wird nämlich wegen Betrugs bzw. schweren Betrugs und sogar Urkundenfälschung ermittelt. Die Delikte werden mit Freiheitsentzug bestraft, im Fall einer Verurteilung drohen etwa bei Letzterem bis zu fünf Jahre Haft.

Zumindest wenn man erwischt wird. 800 Polizistinnen und Polizisten wurden für derartige Prüfungen zusätzlich vom Innenministerium abgestellt. Bei einer Rundschau in rund 20 Lokalen in der Leopoldstadt, Floridsdorf und dem ersten Bezirk bekam die Belegschaft bisher allerdings wenig von den verstärkten Kontrollen mit.

Lediglich ein Kellner einer Bar im ersten Bezirk berichtet von einer 2G-Kontrolle. Dabei gebe es "nichts Spannendes" zu erzählen. Die Beamten hätten zunächst eine Kontrolle bei der Belegschaft angekündigt. Dann seien die Zertifikate der anwesenden Arbeitskräfte und Gäste geprüft worden. Die Polizei scannte auch QR-Codes und prüfte Lichtbildausweise. "Alle waren geimpft, damit war das Ganze auch schon erledigt."

Stichprobenartig

Auf Anfrage begründet die Stadt Wien den Umstand, dass der STANDARD bei der Suche nach Erfahrungsberichten nur einen betroffenen Betrieb fand, so: Es werde nur stichprobenartig kontrolliert.

Freitagabend erfährt man bei einem vom Innenministerium angeregten Medientermin, bei dem Journalistinnen und Journalisten die Polizei und Mitarbeiter der Stadt bei 2G-Kontrollen begleiten können, Näheres. Seit dem 8. November wurden mehr als 700 Betriebe und rund 5000 Personen kontrolliert, erklärt Walter Hillerer, Leiter der Gruppe Sofortmaßnahmen der Stadt Wien. Etwa 100 Verstöße wurden geahndet.

Alles andere sei bei der schieren Zahl der Unternehmen gar nicht möglich: Allein im Bereich der Gastronomie zählt der zuständige Fachverband der Wirtschaftskammer rund 41.000 Mitgliedschaften in Österreich. Dazu kommen Fitnesscenter, Frisiersalons und Co. Zu bedenken sei, so der Sprecher, dass die Kontrollen zu unterschiedlichen Zeiten stattfänden, weswegen die befragten Personen womöglich nicht im Dienst waren.

"Konsequente, aber freundliche Beamte"

Die Kontrollen der Polizei, die in Wien gemeinsam mit dem Magistrat durchgeführt werden, sind unterschiedlich aufgenommen worden. Der Betreiber eines kleinen asiatischen Restaurants in Floridsdorf war etwa bei einer Kontrolle vor einigen Wochen anwesend, als die damals geltenden 3G-Regeln geprüft wurden. Dabei habe er "konsequente, aber sehr freundliche" Beamte erlebt.

Der Inhaber einer Pizzeria in der Leopoldstadt will hingegen zwar "nicht unfreundliche" Polizeikräfte erlebt haben, erzählt er. Aber: "Sie haben mich gefragt, ob hier eine Person illegal eingestellt ist." Das sei "natürlich" nicht der Fall gewesen. Während er seine Erfahrung, die sich vor einigen Monaten zugetragen haben soll, schildert, klingt er hörbar frustriert. "Wir sind hier nicht alle gleich", sagt er. "So rennt das in Wien. Das ist schon okay, aber man muss sich dem halt bewusst sein."

Den Aussagen von Hermann Greylinger zufolge, Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) in der Polizeigewerkschaft, ist die Polizei selbst mit ihrer neuen Aufgabe als Kontrolleurin strengerer Corona-Regeln nicht besonders glücklich. Er kritisierte in der ZiB Nacht des ORF scharf, dass die Polizei die Einhaltung des Lockdowns für Ungeimpfte prüfen soll. Das sei Aufgabe der Gesundheitsbehörden, die Polizei komme, wenn es Probleme gebe.

Polizei "am Limit"

Dieser Meinung ist laut Greylinger nicht nur die sozialdemokratische Fraktion der Polizeigewerkschaft. Die gesamte Vertretung der Beamtinnen und Beamten sei sich dabei einhellig einig. Eingebunden werde die Polizei nicht in den Entscheidungsprozess, kritisierte er weiter – "wir erfahren aus den Medien, was geplant ist". Greylinger sprach von einer Vielfalt der Aufgaben der Polizei und betonte: "Wir sind am Limit. Es muss Schluss sein."

Das gute Dutzend Polizisten, das sich Freitagabend rund um den Wallensteinplatz in Wien-Brigittenau befand, sieht das gelassener. Man unterstütze die Stadt Wien schon seit langem bei Kontrollen, sagt Gerald Lischka, stellvertretender Leiter der Bereitschaftseinheit der Polizei, die gemeinsam mit Bezirkskräften die Kontrolle durchführt.

Erste Station ist ein Friseur – schließlich gilt auch bei körpernahen Dienstleistungen die 2G-Regel. Der Betriebsinhaber erscheint zunächst überrascht, als in roten Jacken gewandete städtische Kontrolleure und die uniformierte Polizei in seinem Salon erscheinen. Die Köpfe einer Kundin und eines Kunden werden gerade bearbeitet – der Herr kann kein gültiges Zertifikat, das ihn als geimpft oder genesen ausweist, vorzeigen. Die Konsequenz ist ein Organmandat in der Höhe von 90 Euro. Der Unternehmer zeigt sich einsichtig, dass er vorher fragen hätte müssen, und kommt mit einer Belehrung davon.

Verhinderter Fluchtversuch

Der Versuch, in einem nahen Club eine Überprüfung durchzuführen, scheitert an einem nicht unwesentlichen Detail – das Lokal hat zu diesem Zeitpunkt noch geschlossen. Also geht es weiter in ein nahes Café, dessen Gäste offenbar vorwiegend Wurzeln in den Staaten des ehemaligen Jugoslawien haben. Als sich die Polizisten nähern, versuchen zwei Männer, die vor dem Lokal stehen, rasch zu verschwinden, einer wird auf der gegenüberliegenden Straßenseite von der Polizei gestoppt.

2G-Nachweis hat er keinen, er sei aber auch gar kein Lokalgast gewesen, beteuert er. Warum er so auffallend rasch weggegangen sei? Er habe die Polizei gar nicht richtig wahrgenommen und habe die "Halt"-Rufe nicht auf sich bezogen, behauptet er. Nachdem er nach mehrmaliger Aufforderung einen Ausweis zückt, stellen die Polizisten fest, dass gegen den Mann nichts vorliegt, wünschen ihm noch einen schönen Abend und erinnern ihn an die 2G-Regel, falls er doch einen gastronomischen Betrieb besuchen möchte.

Keine Beanstandungen gab es in einem Café in Wien-Brigittenau, dessen Wirt dennoch unfroh auf das Auftauchen der Polizei und städtischer Kontrolleure reagiert.
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Im Café selbst reagiert der Wirt zunächst aufbrausend auf die Kontrolle. Das Geschäft laufe ohnehin schlecht, er habe eine Baustelle vor dem Lokal, da brauche er nicht auch noch Uniformierte, murrt er. Seine Mitarbeiter und Gäste sind aber alle verordnungsgemäß mit Nachweisen ausgestattet, es gibt also keinen Grund zu Beanstandungen.

App bei Jüngeren beliebt

Schräg gegenüber in der "Wohnküche" verrät ein Zettel an der Tür, dass dort heute eine geschlossene Gesellschaft feiert. Rechtlich ist das irrelevant, da es sich um eine Betriebsstätte handelt, die gut 20 Anwesenden werden kontrolliert. Da es sich um jüngere Menschen handelt, haben fast alle die "Grüner Pass"-App auf ihren Mobiltelefonen, die von den Polizisten gescannt wird, die Sache ist also rasch erledigt. Das sei eine Altersfrage, merkt eine Polizistin an, ältere Herrschaften hätten eher einen Beleg auf Papier dabei. Auch in der Wohnküche gibt es keinen Grund zur Kritik, die Besitzerin und der Besitzer können den Mitarbeitern der Stadt Wien auch ein Präventionskonzept vorlegen und einen Präventionsbeauftragten nennen.

In den rund 20 Lokalen, die DER STANDARD am Donnerstagabend besuchte, wurde übrigens zwar immer das Impfzertifikat erbeten, aber kein einziges Mal der QR-Code gescannt. Großteils wurde das auf Nachfrage damit begründet, dass es weniger kompliziert sei – und schneller ginge. Jedoch lassen sich Zertifikate ohne technische Prüfung leicht fingieren.

Zudem waren fast alle Lokale selbst abends schlecht besucht. Gründe dafür verorten die verschiedenen Betreiber in unterschiedlichen Bereichen. Das geht von "Die Infektionszahlen explodieren gerade", wie eine junge Kellnerin eines Nobellokals mit Fusionsküche erläutert, bis hin zu dem Betreiber eines Grilllokals, der das Fernbleiben der Kundschaft mit der Verpflichtung zu 2G in Verbindung bringt. "Die wollen uns alle kaputtmachen", sagt er dazu knapp. (Muzayen Al-Youssef, Michael Möseneder, 13.11.2021)