Entsorgen sollte nicht mehr sein – gebrauchte Produkte als Ressourcen betrachten und daraus mit Smart Tech Neues erzeugen ist die Zukunft.

Foto: imago images/Eibner

Klimaschädliches CO₂ einfangen, um daraus Kunststoffe zu machen? Abfall scannen und Wertstoffe erkennen? Mit Wasserstoff betriebene Müllabfuhr?

Im Zuge von Pilotprojekten forscht die Entsorgungs- und Ressourcenwirtschaft schon länger an diesen Themen. Ziel der Branche ist es, mittels innovativer Lösungen Abfall im Kreislauf zu halten und so Sekundärrohstoffe für die Industrie zu gewinnen. Bei einer Tagung in Wien mit über 250 Besuchern wurden kürzlich zukunftsweisende Kreislaufwirtschaftskonzepte rund um CO₂-Filterung, digitale Pfandsysteme, wasserstoffbetriebene Mobilität, Bauwirtschaft und Textilrecycling präsentiert.

Damit jedoch die Transformation von einem linearen zu einem zirkulären Wirtschaftssystem (cradle-to-cradle) rasch gelingt, braucht es nach Ansicht der Experten mehr Rechtssicherheit und finanzielle Unterstützung seitens der Politik. Außerdem müssen Genehmigungsverfahren verkürzt sowie die produzierende Industrie stärker in die Kreislaufwirtschaft eingebunden werden.

Perspektiven umkehren

Peter Kurth, Präsident des BDE (Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft) und der FEAD (European Waste Management Association), sieht die Entsorgungswirtschaft als "Treiber des Klimaschutzes". "Wir sind bekannt für unsere Abfallbehandlungskompetenz, jedoch liegt die Zukunft unserer Branche in der Rohstoffgewinnungskompetenz." Weiters betont Kurth, dass die Recyclingfähigkeit vom Design der Produkte und somit von der produzierenden Industrie abhängig ist.

"Wir müssen die Industrie viel stärker in den Green Deal einbinden, das schaffen wir nur mittels Mindesteinsatzquoten von Rezyklaten", so Kurth. Der Anteil von recyceltem Material in der Produktion liege derzeit bei zehn bis zwölf Prozent, das sei viel zu niedrig. Würde er sich weltweit verdoppeln, wären die Pariser Klimaziele erreicht, behauptet er. Für Kurth ist die Kreislaufwirtschaft eine Querschnittsmaterie, die national nicht nur im Umweltministerium, sondern genauso im Wirtschaftsministerium oder im Bundeskanzleramt eingebettet sein muss, um der Thematik die notwendige Relevanz zu verleihen.

Pilotprojekte in Österreich

Auch österreichische Unternehmen arbeiten mit internationalen Partnern an Lösungen. Die Unternehmen Lafarge, Borealis OMV und Verbund haben das Projekt C2Pat initiiert, um CO₂ aus der Zementherstellung zu filtern und anschließend für die Kunststoffproduktion zu nutzen. Momentan befindet man sich im Aufbau einer Demonstrationsanlage. Bis zum Jahr 2030 sollen 700.000 Tonnen CO₂ (fast 100 Prozent) vom Lafarge-Zementwerk in Mannersdorf eingefangen und einer Wiederverwendung zugeführt werden.

Das Entsorgungsunternehmen Brantner hat in Kooperation mit der Zoeller-Gruppe einen wasserstoffbetriebenen Müllwagen entwickelt. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Lkw werden pro Jahr 80 Tonnen CO₂ eingespart. Die Produktion des grünen Wasserstoffs soll direkt am Betrieb von Brantner in Niederösterreich erfolgen. Um in Serienproduktion gehen zu können, brauche es allerdings höhere Förderungen – in Deutschland gebe es für ähnliche Projekte 80 Prozent Zuschuss von der öffentlichen Hand.

Kreisläufe schließen

Die Firma Lenzing ist seit Jahren im Bereich des Textilrecyclings tätig, um Fasern von Altkleidern für die Produktion wiederzugewinnen. Weltweit ist die in immer kürzeren Zyklen produzierende Textilindustrie nach der Öl- und Gasindustrie die größte Belastung für die Umwelt. Von den insgesamt 53 Millionen Tonnen Fasern, die pro Jahr produziert werden, wird weniger als ein Prozent im Kreislauf gehalten, nur zwei Prozent stammen aus Recyclingmaterial. Schlussendlich werden nach Verwendung der Textilien 73 Prozent deponiert oder verbrannt.

Viel zu ändern gibt es auch auf dem Bau: Der Baukonzern Porr etwa verfolgt das Ziel, aus Bauabfall Ressourcen zu gewinnen, um diese wieder der Bauwirtschaft zuzuführen und Stoffkreisläufe zu schließen. Die Branche ist für zwei Drittel der Abfallstrommengen und für über 50 Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Laut Bundesabfallwirtschaftsplan 2021 liegt in Österreich der Anteil der Aushubmaterialien (42 Millionen Tonnen) sowie der Bau- und Abbruchabfälle (11,5 Millionen Tonnen) bei insgesamt 78 Prozent des Gesamtabfallaufkommens. (APA, red, 16.11.2021)