In Wien gibt es nun sogenannte Off-Label-Impfstraßen für Kinder von fünf bis elf Jahren für die Covid-19-Schutzimpfung. Wien verweist auf eine große Nachfrage der Eltern. Von der EMA, der europäischen Arzneimittelbehörde, ist für Kinder unter zwölf Jahren in Europa bislang noch kein Impfstoff zugelassen, die Zulassung wird aber bald erwartet. In den USA gibt es bereits eine Notfallzulassung für Kinder ab fünf Jahren.

Wenn beide Eltern sich auf eine Impfung für ihr über vierjähriges Kind verständigen, können sie dieses in Wien impfen lassen. Schwierig kann es werden, wenn Eltern sich nicht einig sind. Gerade Eltern, die keine Paarbeziehung mehr führen, haben oft unterschiedliche Auffassungen davon, was für ihr Kind das Beste ist.

Der obsorgeberechtigte Elternteil bestimmt

Entscheidend ist, wer die Obsorge für das Kind innehat. Diese beinhaltet nämlich auch die Kompetenz, in medizinischen Fragen für ein nicht einsichtsfähiges Kind (wird bei Kindern unter 14 Jahren vermutet) zu entscheiden. Ist nur ein Elternteil obsorgeberechtigt, kann dieser grundsätzlich allein über medizinische Behandlungen entscheiden. Der andere Elternteil muss aber informiert werden. Sind beide Eltern obsorgeberechtigt, kann jeder Elternteil das Kind nach außen hin allein vertreten. Das heißt, ein Elternteil kann mit einem Kind allein zum Kinderarzt oder zur Kinderärztin gehen, um das Kind untersuchen, ärztlich behandeln oder impfen zu lassen. Dafür muss nicht die Zustimmung des anderen Elternteils nachgewiesen werden. Gleich verhält es sich mit der Covid-19-Schutzimpfung. Es reicht also für den Arzt oder die Ärztin aus, wenn ein (obsorgeberechtigter) Elternteil zustimmt.

Kinder ab fünf Jahren können in Wien ab sofort gegen Corona geimpft werden.
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Im Innenverhältnis, also zwischen den Eltern, gilt es das Einvernehmlichkeitsgebot zu beachten. Das bedeutet, dass die Eltern versuchen sollten, in wichtigen Fragen die Kinder betreffend eine Einigung zu finden und sich abzusprechen. Lässt man ein Kind also einfach gegen den Willen des anderen Elternteils impfen, kann dies im besten Fall zu Verstimmungen und im schlechtesten Fall zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung führen. Können sich die Eltern nicht auf eine Vorgehensweise betreffend ihre unter zwölfjährigen Kinder einigen, könnte der einer Impfung ablehnend gegenüberstehende Elternteil im Vorfeld versuchen, diese mit vorläufigen gerichtlichen Maßnahmen zu untersagen. Ob das allerdings für die weitere Gestaltung der Elternbeziehung zuträglich ist, darf bezweifelt werden. Besser, als ein solches Verfahren einzuleiten, wäre ein Dialog auf Augenhöhe, um zu einer gemeinsamen Entscheidung zu finden.

Ab 14 Jahren können Kinder, wenn sie die notwendige Einsichtsfähigkeit aufweisen, selbst entscheiden, ob sie sich impfen lassen wollen oder nicht, auch gegen den Willen ihrer Eltern.

Rechtlich: Einzelfallentscheidungen

Auch wenn es – soweit erkennbar – noch keine Erfahrungswerte über gerichtliche Entscheidungen hinsichtlich der Covid-Impfung für Kinder ab fünf Jahren gibt, kann Folgendes gesagt werden: Entscheidungen des zuständigen Pflegschaftsgerichts sind immer Einzelfallentscheidungen. Bei diesen stehen das Wohl des Kindes und eine konkrete Kosten-Nutzen-Abwägung für das Kind im Vordergrund. Das Gericht hat die Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um das Wohl und die Gesundheit des Kindes zu sichern. Die Entscheidung des Gerichts kann auch von der Zulassung eines Impfstoffs oder einer Empfehlung des Gesundheitsministeriums beeinflusst werden. In Bezug auf Corona gibt es aktuell noch keine Empfehlung des Gesundheitsministeriums für die Impfung von Kindern unter zwölf Jahren.

Grundsätzlich folgen Gerichte in medizinischen Fragen der Expertise von Sachverständigen beziehungsweise der Empfehlung von Experten und Expertinnen aus der Medizin. Eine weitere Rolle spielt die jeweilige körperliche Verfassung des Kindes, etwa ob ein Kind einer Risikogruppe angehört oder vielleicht Allergien oder Unverträglichkeiten bezüglich bestimmter Medikamente aufweist.

Werden aber Impfungen jedweder Art generell von einem Elternteil kategorisch abgelehnt, ohne dass dies wissenschaftlich begründbar ist, kann es als letzte Konsequenz sogar dazu führen, dass jenem Elternteil die (Teil-)Obsorge für diesen Bereich entzogen wird und der andere Elternteil medizinische Fragen dann allein entscheiden kann.

Sobald es eine offizielle Empfehlung der EMA und des Gesundheitsministeriums für eine Impfung von Kindern gibt, wird eine pauschale Ablehnung ohne konkrete (fachärztliche) Begründung aller Wahrscheinlichkeit nach zu wenig sein. (Theresa Kamp, 16.11.2021)