Schallenberg reichen die aktuell geltenden Maßnahmen.

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Die Nachtgastronomie darf weiterhin offen halten.

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Wien – Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) hat sich am Montag gegen erneute Maßnahmen für die Nachtgastronomie ausgesprochen. Er erteilt damit dem Vorschlag von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) eine Absage, der eine generelle nächtliche Ausgangsbeschränkung angesprochen hatte. Auch die SPÖ lehnt den Vorschlag zu gegebenem Zeitpunkt ab und möchte erst sehen, wie die gerade ergriffenen Maßnahmen wirken. Die Neos würden dagegen sogar zum Verfassungsgerichtshof gehen.

"Es dürfen die Geimpften nicht die Dummen sein", war die Maxime von Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker bei einer Pressekonferenz. Wenn es eh egal sei, ob man sich impfe oder teste, dann werde erst recht niemand eine Impfung abholen, argumentierte er. Klubvize Nikolaus Scherak würde persönlich vor den Verfassungsgerichtshof gehen, wenn man trotz Impfung und regelmäßigen Testens freiheitsbeschränkenden Maßnahmen unterworfen werde. Auch dem Lockdown für Ungeimpfte kann er wenig abgewinnen, weil er skeptisch ist, dass dieser über den 2G-Bereich hinaus etwas bringt.

Nachschärfen nicht ausgeschlossen

"Eine Ausgangssperre ist ein sehr massiver Eingriff in persönliche Freiheitsrechte, in die wirtschaftliche Situation und ins soziale Gefüge", argumentiert der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried. "Wenn es andere Möglichkeiten gibt, soll man diese auf jeden Fall nützen." Diesbezüglich schweben Leichtfried etwa eine verstärkte FFP2-Masken-Pflicht, bei bestimmten Treffen 2G plus oder forciertes Homeoffice vor. Ähnlich argumentierte auch Schallenberg im Ö1-"Morgenjournal".

"Natürlich schließe ich nicht aus, dass wir nachschärfen", sagte Schallenberg. Aber dass "wir noch einmal in die Nachtgastro gehen, das sehe ich derzeit nicht". Die Corona-Situation werde laufend beobachtet. Mückstein hatte angekündigt, am Mittwoch über weitere Verschärfungen der Maßnahmen zu diskutieren – darunter nächtliche Ausgangsbeschränkungen auch für Geimpfte. "Es wird auch für geimpfte Menschen nächtliche Ausgangsbeschränkungen geben. Das ist Teil des Maßnahmenpakets, das am Tisch liegt", so der Gesundheitsminister.

Köstinger schießt scharf gegen Gesundheitsminister

Auch Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hält "überhaupt nichts von den Wortmeldungen des Gesundheitsministers". In einem Gespräch mit Journalisten am Rande des EU-Agrarrats am Montag in Brüssel sprach sie sich "absolut gegen allgemeine Ausgangsbeschränkungen" aus. "Wir haben in den letzten eineinhalb Jahren gesehen, dass Lockdowns nur bedingt wirken", erklärte Köstinger. Fakt ist allerdings, dass Kontakte zu anderen Menschen bei Lockdowns geringer werden. Damit wird die Ausbreitung des Virus zumindest verlangsamt.

Köstinger führte die Zahlen vom März 2021 an, als es trotz Lockdowns rund 9.000 Neuinfektionen pro Tag gegeben hatte. "Die Akzeptanz in der Bevölkerung war nicht mehr vorhanden." Die ÖVP-Ministerin legte nach: "Neben der Experteneinschätzung gibt es die Lebensrealität der Menschen."

Ablehnung von Platter, Schützenhöfer offen

Ablehnung kam auch von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), derzeit Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz. Dieser forderte hinsichtlich der Diskussion um die Sperre der Nachtgastronomie: "Schluss mit der Verwirrung." Erst am Sonntag haben die Länder gemeinsam mit der Bundesregierung weitere Maßnahmen beschlossen. "Und jetzt am nächsten Tag wieder andere Maßnahmen zu diskutieren, das halte ich für eine sehr schwierige Angelegenheit", immerhin dauere es einige Tage, bis die Verschärfungen anhand der Zahlen ihre Wirkung zeigen, meinte Platter bei einer Pressekonferenz in Innsbruck.

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) hingegen will einen allgemeinen Lockdown am Montag gegenüber "Krone" und "Kleine Zeitung" nicht mehr ausschließen. Die Lage sei ernst, daher müsse ein Schritt nach dem anderen gesetzt werden. Den bundesweiten Lockdown für Ungeimpfte bezeichnete er als "wichtig und richtig".

Uneinigkeit der Regierung: "Desaster"

Insgesamt harsche Kritik an der Regierungsarbeit in Sachen Corona übte Leichtfried am Montag. Die Bundesregierung erscheine wie ein Autofahrer, der nicht wisse, wo Gas und Bremse ist und das Lenkrad nicht bedienen kann. Bei der Pandemiebekämpfung befinde sich die Regierung seit langem auf "Schleuderkurs". Beim derzeitigen Lockdown für Ungeimpfte sei fraglich, ob dieser verfassungsrechtlich halte und ob diese Regelung "effizient kontrolliert" werden oder überhaupt die gewünschte Wirkung entfalten könne. Daher habe man der Verordnung auch im Hauptausschuss Sonntagabend nicht zugestimmt.

Bedenklich findet Leichtfried auch die Uneinigkeit zwischen Schallenberg und Mückstein. Wie solle die Bevölkerung die notwendigen Maßnahmen verstehen, wenn einer dies und der andere das sage, fragte Leichtfried: "Das ist ein Desaster." Leichtfried ortet zwei massive Probleme: Zum einen finde man in Österreich mit der FPÖ eine Partei, die meine, dass Vitamine und Wurmmittel gegen Covid helfen würden. Zum anderen gebe es mit der ÖVP eine andere, die immer wieder die Pandemie für beendet erklärt, obwohl das nicht stimmt.

Externer Manager gefordert

Auch die Neos kritisierten das Corona-Management der Regierung scharf. Diese habe "alles vermasselt", meinte Loacker, sah einen diametral unterschiedlichen Auftritt von Gesundheitsminister und Kanzler und kritisierte als Stilfrage, dass Mückstein zwar in Interviews über Pläne Auskunft gebe, aber nicht dem Hauptausschuss. Aus seiner Sicht bräuchte es nun einen externen Pandemie-Manager. Namen wollte er nicht nennen, brachte aber den vormaligen Flüchtlingskoordinator Christian Konrad als positives Beispiel aus der Vergangenheit.

Als Akutmaßnahme gab Loacker auf Nachfrage an, dass man besonders gefährdete Gruppen wie Ältere und chronisch Kranke anschreiben müsste, um ihnen einen Termin für die Booster-Impfung anzubieten. Denn diese wirke tatsächlich schnell. (APA, 15.11.2021)