Die Akkus der Pfleger und Ärzte auf den Corona-Intensivstationen sind leer, die Betten sind voll mit Ungeimpften. Die Hilfeschreie des Personals aus den Kliniken sind unüberhörbar, die Impfgegner haben dafür nur höhnisches Lachen übrig, es ist ein Schlag in die Magengrube des Gesundheitspersonals. Am kommenden Samstag werden bei einer Großdemo in Wien Impfgegner das Wort führen, wir werden Zeuge einer Kakofonie der Skurrilitäten, des Zynismus und des schlechten Geschmacks sein. Bei wem dürfen wir uns dafür bedanken? Vorneweg: Es sind nicht nur die rechten und eiskalt kalkulierenden Aktivisten an den Narrensäumen des politischen Spektrums, die Impfgegner mit kruden Weisheiten versorgen. Ein paar Schnappschüsse: 

1. Der Gemeinwohlökonom mit viel Intuition

"Ich spüre, dass mein Körper mir derzeit kein grünes Licht gibt für eine Corona-Impfung." So prosaisch schön wie Christian Felber werden es Corona-Querfront und Co auf ihren Parolen-Pappschildern nicht formulieren. Felber passt ganz und gar nicht zum Bild des rechtsoffenen, ungebildeten und polternden Seuchenfreunds. Felber ist Ökonom, Autor und Aktivist für eine Gemeinwohlökonomie und gegen den neoliberalen Zeitgeist. Dass er diesen neoliberalen Zeitgeist mit seinem Beharren auf seinen "individuellen Impfentscheid" geradezu prototypisch bedient, fällt ihm womöglich selbst gar nicht auf. Die Pfleger in den Intensivstationen des Landes würden Felber vermutlich antworten, dass sie derzeit kein grünes Licht für seine Larmoyanz geben können.

30 Gründe gegen die Impfung hat der Gemeinwohlökonom für einen Aufsatz zusammengetragen. Bei der Gelegenheit gibt Felber auch einen Einblick in sein Verständnis wissenschaftlicher Medizin: "Die letzte Instanz darüber, was für die eigene Gesundheit das Beste ist, ist jede Person selbst. Neben evidenzbasierter Information zählt auch die Intuition zu dieser basalen Form der Selbstbestimmung." Die Intuition von Felber und das Immunsystem von FPÖ-Chef Herbert Kickl -  wenn wir das zusammenspannen, wäre dann aufgeräumt mit dem Virus und eine Impfung unnötig? 

2. Die Biofreaks und ihr Faible für schlechtes Karma

Die Webseite impffrei.work versteht sich als Jobportal, auf dem impfunwillige Arbeitnehmer Arbeitgeber finden, die ihrerseits einen feuchten Dreck auf die Impfung geben. Man liest dort, dass Impfungen unwirksam sind und dass Geimpfte über "toxische Spike-Proteine" gar Ungeimpfte gefährden könnten. Dabei geht es dem Jobportal nicht nur um die aktuellen Impfungen gegen Covid-19. In wirren Aufsätzen auf der Webseite wird schon mal hinterfragt, ob Viren überhaupt Krankheiten auslösen können. 

Welche Arbeitgeber suchen auf dieser skurrilen Plattform ernsthaft Mitarbeiter? Wir finden dort unter anderem das Biounternehmen Morgentau aus Hofkirchen. Der Lebensmittelproduzent mit zehn Millionen Euro Umsatz will "Bio hinterfragen" und mit "Substanz und Idealismus" beleben, das hätten viele Biomarken verlernt. Das Unternehmen ist zudem als "erster Demeter-Gemüsebauer bei der Ökooffensive und SPAR-Demeter-Partnerschaft dabei." Demeter - der Name führt uns auf die Spur des Universalesoterikers Rudolf Steiner und seiner Anthroposophie. Steiner hat nicht nur Landwirten Flöhe ins Ohr gesetzt, sondern auch Medizinern. Das Karma spielt in der Welt von Steiners Anhängern eine große Rolle, gegen das könne man nicht heilen und: auch nicht impfen. Andersrum: Wer auf einer Intensivstation am Schlauch hängt, der badet halt schlechtes Karma aus. Wer die Pandemie indes ungeimpft übersteht, der zieht seine Belohnung für tadelloses Benehmen eine Runde zuvor.  

Karma hin oder her, an das Unternehmen Morgentau richte ich eine konkrete Anfrage zur Impfverweigerer-Plattform: Teilt man die Aussagen von impffrei.work? Ermuntert man Mitarbeiter, sich nicht impfen zu lassen? Die Antwort kommt prompt: Man bitte um Verständnis dafür, "nicht zur Verfügung zu stehen". Schaden meine Fragen dem Karma? Sind sie gar zu grelle Farbspritzer auf dem biederen Pastell der Eigenwahrnehmung? Immerhin: Die Morgentau-Biobauern tanzen mir die Antwort nicht vor

In Wien demonstieren wieder die Impfgegner.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

3. Rechte Agitatoren, die mit Antisemitismus spielen

Den Ton geben natürlich die strammen Rechten im Soziotop der Impfgegner an. Für die Agitatoren ist Corona wie Weihnachten und Ostern zusammen. Es ist die Gelegenheit, einen bildungsfernen Mob mit antisemitischen Chiffren, Memes und Narrativen zu versorgen. Der trägt das auf die Straße und in die Sozialen Medien hinaus. Der symbolisierte "Judenstern" und die Aufschrift "Ungerimpft" gehört längst zur Corporate Identity der Seuchenfreunde. Das Sujet des Eingangs zum Konzentrationslager Auschwitz, mit dem von "Arbeit macht frei" abgewandelten Spruch "Impfen macht frei", wird mittlerweile ungeniert zur Schau gestellt. Die rechtsextremen Agitatoren haben eine Freude an derlei Geschmacklosigkeiten, suggerieren die Vergleiche doch: So schlimm kann es damals im Konzentrationslager nicht gewesen sein, wenn man als "neuer Jude" heute Faxen treibend und unbehelligt durch die Stadt ziehen kann, in dieser "Corona-Diktatur". Diese Wortschöpfung strapaziert die rechte Illustrierte "Wochenblick" fast täglich, das Blatt hat sich seine Rolle als Kampfblatt der österreichischen Impfverweigerer mit solchen Headern erarbeitet: "Corona-Impfung: Jetzt werden die Kinder 'abgestochen'". 

Dazu kommt: Rechten und rechtsextremen Kräften sind Schutzimpfungen gegen ansteckende Krankheiten seit jeher ein Dorn im Auge. Impfungen nivellieren, der "Buschmann" schützt den "arischen Herrenmenschen" und vice versa. Impfung signalisiert eine Rücksicht auf Verletzliche, der sich der vitale Pfundskerl und jeder, der zum kruppstahlharten Volkskörper gehört, nicht verpflichtet fühlt. FPÖ-Chef Kickl ist am Samstag bei der von ihm beworbenen Großdemo leider verhindert, dass sich ein Sprecher findet, der das ach so tolle Immunsystem der versammelten Menge beschwören wird, darauf wette ich meinen kleinen Zeh.

Vielleicht fragt man seitens der Demo-Organisatoren noch bei Felix Gottwald als Keynote-Speaker an. Er ist am Montag als Vorsitzender der Bundes-Sport Gmbh zurückgetreten und voll des Zornes, weil er sich als "nachweislich Gesunder" nun diskriminiert fühlt. Die Szene hat schon einen Narren gefressen am ehemaligen Spitzensportler. Der "Wochenblick" adelte den Naturburschen mit einem Aufmacher und dem Attribut: "Felix Gottwald heldenhaft." (Christian Kreil, 18.11.2021)

Christian Kreil bloggt rund um Esoterik, Verschwörungsplauderei und Pseudomedizin. Soeben erschien sein Buch "Fakemedizin".

Weitere Beiträge des Bloggers