Der Brief liest sich stellenweise, wie eine Rede auf einer Corona-Demonstration. Foto: Vom einer Kundgebung am 26. Oktober in Wien.

Foto: Markus Sulzbacher

"Dies ist kein Geschwurbel!" Diese Betonung findet sich gleich am Anfang eines Textes zweier hochrangiger Bundesheer-Offiziere, der aktuell im Milieu der Corona-Verharmloser und Impfgegner verbreitet wird. In einem offenen Brief machen die beiden Soldaten als "Beamte für Aufklärung" massiv Stimmung gegen Impfungen, dafür jonglieren sie mit allerlei Zahlen ("für 99,97 Prozent der Menschen keine tödliche Krankheit") und vergleichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mit einer "Vergewaltigung".

Außerdem stellen sie in den Raum, dass Menschen ohne Impfung "nach 75 Jahren" nun wieder "stigmatisiert, ausgegrenzt und weggesperrt" werden könnten – damit setzen sie die heutigen Verhältnisse mit dem Terror der Nazis gleich und verharmlosen diesen.

Bundesheer prüft Maßnahmen und Vorgehensweisen

Der Brief der Offiziere passt nicht zur Linie von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), die am Sonntag in einer Aussendung betonte: "Nur durch die Impfung können wir die hohen Infektionszahlen wieder reduzieren." Auch Bundesheersprecher Michael Bauer betont in seiner Stellungnahme, dass die "im Brief enthaltenen Aussagen und Positionen in keiner Weise mit den Ansichten des BMLV übereinstimmen". Der Brief "liegt schon bei der Abteilung Disziplinar- und Beschwerdewesen. Dort werden weitere Maßnahmen und Vorgehensweisen geprüft", so Bauer.

Verfasst wurde das Schreiben von dem ehemaligen Kommandanten der 6. Jägerbrigade, Johann Gaiswinkler, und einem Agenten des Heeresnachrichtenamts, Hermann H. Mitterer. Ihren Forderungen schlossen sich weitere Angehörige des Militärs an.

Monika Donner hielt am 26. Oktober bei einer Corona-Demo in Wien eine Rede.
Foto: Markus Sulzbacher

Darunter waren Funktionäre der freiheitlichen Personalvertretung AUF sowie die bekannte Verschwörungserzählerin Monika Donner – die mit Auftritten bei Corona-Demonstrationen, Interviews in rechtsextremen Zeitschriften und ihren Büchern seit Jahren für Schlagzeilen sorgt und offensichtlich den Bogen bereits überspannt hat: Sie hat vom Verteidigungsministerium vor einigen Wochen ein Kündigungsschrieben bekommen.

Nazispruch auf T-Shirt

Gaiswinkler hat ebenfalls schon für Medienberichte gesorgt. Er wurde Anfang Februar als Kommandant der 6. Gebirgsbrigade in Absam suspendiert. Er stolperte über ein Youtube-Video, in dem er den scharfen Kritiker des Corona-Managements der Regierung gab und dabei einen Nazispruch auf seinem T-Shirt trug. "Noch sitzt Ihr da oben, Ihr feigen Gestalten. Vom Feinde bezahlt, dem Volke zum Spott. Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk. Dann Gnade Euch Gott!", stand darauf. Nach einem Disziplinarverfahren wurde er versetzt und ist jetzt mit einem "neuen Projekt" betraut.

Hermann H. Mitterer, Mitarbeiter des für die Auslandsaufklärung zuständigen Heeresnachrichtenamts, hat ein Buch mit dem Titel "Bevölkerungsaustausch in Europa: Wie eine globale Elite die Massenmigration nutzt, um die einheimische Bevölkerung zu ersetzen" geschrieben und damit eine zentrale rechtsextreme Verschwörungserzählung befeuert, die auch von den rechtsextremen Identitären und vom Attentäter von Christchurch verbreitet wurde, der sein Bekennerschreiben mit "Der große Austausch" titelte. Seitens des Bundesheers hieß es zu dem Buch, dass es intern überprüft und nicht beanstandet wurde.

Identitäre als "patriotische Jugendliche"

Auffällig in dem offenen Brief der beiden Offiziere ist eine Passage, in der die ÖVP scharf kritisiert wird. So wird Innenminister Karl Nehammer vorgeworfen, einen Sturm "von patriotischen Jugendlichen auf die ÖVP-Parteizentrale" quasi erfunden zu haben. Bei den "patriotischen Jugendlichen" handelt es sich um die Identitären, deren Aktivisten zwar nicht die Büros der ÖVP gestürmt haben, aber davor auf der Straße teilweise vermummt auftraten, um so gegen die Partei zu demonstrieren. (Markus Sulzbacher, 17.11.2021)