Eine Umstellung auf Legal Tech ist zwar nicht günstig, bietet auf Dauer aber Kostenvorteile.

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Legal Tech ist etwas für Großkanzleien und Rechtsabteilungen großer Konzerne: So lautet das Klischee. Und tatsächlich machen bisher nur wenige Einzelkämpfer in der Anwaltschaft von Digitalisierung und Automatisierung Gebrauch.

In der Praxis könnten aber gerade kleine Kanzleien mit wenig Personal von digitalen Lösungen profitieren, betonen Experten. Abgesehen von den Einstiegskosten ist es oft mangelndes Interesse, das den Einsatz von Legal Tech verhindert.

Allein auf weiter Flur

"In meinem Sprengel kenne ich sonst niemanden, der Legal Tech verwendet", sagt Franz Müller, Rechtsanwalt in Krems an der Donau. Er selbst nutze ein Kommunikationstool, mit dem er Nachrichten und Dateien mit Mandanten austauscht, und eine Software zur Organisation der Akten. "Ich habe mir ein Tool entwickelt, mit dem ich automatisch Liegenschaftsverträge aufsetzen kann", sagt Müller. "Das Programm funktioniert mittlerweile völlig problemlos und erstellt fehlerfreie Vertragsentwürfe."

Auch Birgitta Winkler, Rechtsanwältin in Villach, zählt in ihrer Region zu den Vorreiterinnen in Sachen Digitalisierung. "Vor allem für kleine Kanzleien sei jedenfalls die Qualität der Software entscheidend", sagt Winkler. "Prozessmanagement funktioniert nur dann gut, wenn alles aus einem Guss ist." Sie selbst erspare sich zahlreiche administrative Tätigkeiten. "Ohne Legal Tech könnte ich meinen Betrieb in der Form nicht aufrechterhalten", sagt auch Müller. Gerade kleinen Kanzleien mit wenigen Mitarbeitern biete die Technik enorme Vorteile.

Generationenfrage

Müller wundert sich, dass nach wie vor nur wenige seiner Kollegen Legal Tech nutzen. "Oft ist das Problem, dass die Anwälte sich einfach nicht für die Technik interessieren." Dazu komme, dass es Software-Herstellern oftmals schwerfällt, ihren Kunden den Mehrwert von Legal Tech zu vermitteln.

"Ich glaube, dass das vor allem eine Generationenfrage ist", sagt Birgitta Winkler. "Wenn Sie jemandem, der mittlerweile 30 oder 40 Jahre als Anwalt tätig ist, erzählen, dass Sie heute remote auf der Terrasse arbeiten, dann löst das mitunter Unverständnis aus." Gerade für die nachfolgenden Generationen mache Legal Tech die Selbstständigkeit als Anwältin oder Anwalt aber attraktiver. "Man kann sich frei einteilen, wie und wo man arbeitet."

Eine Umstellung auf Legal Tech sei zwar nicht günstig, biete auf Dauer aber Kostenvorteile, sagt Müller. Er selbst habe im Laufe der Zeit drei Mitarbeiter einsparen können. Winkler sieht das ähnlich: "Wenn man die Kanzlei neu errichtet, dann sind das Kosten, mit denen man nicht kalkulieren will. Auf lange Sicht zahlen sich die Investitionen aber definitiv aus."

Gerade am Anfang brauche es zudem viel Zeit, um sich zu informieren und die eigene IT-Landschaft in der Kanzlei zu planen. Von IT-Unternehmen würde Winkler sich daher ein "Rundum-sorglos-Paket" wünschen. Junge Rechtsanwälte hätten bei Gründung einer Kanzlei oft andere Probleme. Sie müssen sich um Büroräumlichkeiten und Kundenakquise kümmern und möchten sich nicht auch noch mit der IT beschäftigen, sagt Winkler.

Mehr Zusammenarbeit

Müller würde sich mehr Interaktion zwischen Anwälten und Software-Herstellern wünschen. "Es gibt sehr wenige Kollegen, die den IT-Firmen konstruktives Feedback geben", sagt der Anwalt. Gleichzeitig sollten aber auch die Software-Entwickler näher an der Praxis in den Kanzleien arbeiten. "Derzeit gibt es da einen großen Reibungsverlust", sagt Müller.

Seit er selbst Legal Tech einsetze, könne er sich im Berufsalltag auf das Wesentliche konzentrieren. Die juristischen Tätigkeiten fallen dadurch nicht weg. Ganz im Gegenteil, die Programme bieten bei administrativen Tätigkeiten Unterstützung und reduzieren die Fehlerquote. "Ich kann den Kollegen nur empfehlen, sich mit dem Themaauseinanderzusetzen", sagt Müller. "Die, die das nicht tun, werden auf Dauer einen Wettbewerbsnachteil haben." (Jakob Pflügl, 16.11.2021)