Volkswagen schmiedet derzeit Pläne, unweit des Volkswagen-Stammwerks in Wolfsburg eine weitere Fabrik zur Fertigung von Trinity-Elektroautos zu errichten.

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Vor wenigen Jahren galten die Elektroautos von Tesla zwar als innovativ, der US-Konzern habe jedoch Probleme bei der Massenproduktion. So lautete der Tenor der damals führenden Fahrzeugkonzerne. Nun, das Blatt hat sich inzwischen gewendet. Während von Europas Platzhirsch Volkswagen abwärts fast alle namhaften Erzeuger ihre Produktion wegen des vorherrschenden Mangels an Computerchips drosseln müssen, vermeldete Tesla triumphierend neue Produktionsrekorde.

Dabei ist die neue Fabrik in Europa, wenig zurückhaltend als Gigafactory bezeichnet, im deutschen Brandenburg in Verzug. Eigentlich hätten dort ab Juli die ersten Tesla-Fahrzeuge vom Band rollen sollen, Ende Oktober hieß es im jüngsten Quartalsbericht dazu: "Wir rechnen damit, die abschließenden Genehmigungen vor dem Ende dieses Jahres zu erhalten." Der Test der Maschinen sei bereits weit fortgeschritten.

Ein Auto in zehn Stunden

Dennoch weckt die Tesla-Fabrik Begehrlichkeiten bei der Konkurrenz. Kein Wunder, denn Tesla braucht etwa zehn Stunden, um ein neues Auto zu bauen. Volkswagen benötigt für seine derzeitigen E-Autos derzeit etwa dreimal so lang. Folglich blicken die Wolfsburger mit Argusaugen in Richtung Brandenburg und erwägen, wie Tesla eine komplett neue Produktionsanlage auf die grüne Wiese neben dem Stammwerk in Wolfsburg zu stellen.

Dort soll die Fertigung der neuen Elektroautomodelle Trinity, die 2026 auf den Markt kommen sollen, entstehen. Das Ziel: Ein Fahrzeug soll dort in zehn bis elf Stunden erzeugt werden. Das Projekt würde ersten Schätzungen zufolge allerdings Investitionen von mehreren Hundert Millionen Euro verschlingen. In einem zweiten Schritt würde ab 2030 im Stammwerk Wolfsburg nach dem Auslaufen der Verbrennerproduktion eine zweite Fertigungsschiene für Trinity-Fahrzeuge entstehen, gab Markenchef Ralf Brandstätter bekannt.

Entscheidung im Dezember

Eine endgültige Entscheidung darüber soll der Aufsichtsrat erst im Dezember treffen. Alternativ könnte wie beim Mitbewerber BMW die Produktion von Elektrofahrzeugen während des laufenden Betriebs in das Stammwerk integriert werden. Als radikale Lösung bezeichnete dies Brandstätter, der offenbar die andere Variante bevorzugt.

Ihm zufolge sind auch die Arbeitnehmervertreter in diese Überlegungen eingebunden. Kein Wunder, denn zum Bau der Elektroautos wird künftig weniger Personal benötigt. Abfedern könne man dies jedoch, indem Volkswagen künftig mehr Teile selbst erzeuge, anstatt diese von Zulieferern zu beziehen. Einen Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge bezeichnete Betriebsratschefin Daniela Cavallo die Neubaupläne wohlwollend als "mutig und damit genau richtig".

Kurz zuvor waren noch ganz andere Töne aus Wolfsburg zu vernehmen gewesen, denn zwischen dem Betriebsrat unter der Führung Cavallos und Konzernchef Herbert Diess war offener Streit entbrannt. Zuvor hatte Diess sich öffentlich über 30.000 Jobs geäußert, die in Gefahr seien, wenn sich die Effizienz in der Produktion nicht erhöhe. Erst auf Vermittlung von Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch glätteten sich die Wogen wieder.

Größter Herausforderer

Diess pflegt im Gegensatz zu seinem Vorgänger Matthias Müller, der sich noch wenig wertschätzend über Tesla geäußert hatte, einen respektvollen Austausch mit Tesla-Chef Elon Musk. So wurde dieser im Oktober während einer Tagung der Volkswagen-Führungskräfte in Alpbach zugeschaltet – und streute dabei der "Ikone Volkswagen" Rosen. Er betrachte die Wolfsburger als seinen größten Herausforderer.

Im Gegenzug kündigte Diess einen Besuch der neuen Tesla-Fabrik in Brandenburg an. "Ein Beispiel für die Geschwindigkeit von Tesla ist, wie sie mit der aktuellen Chipknappheit zurechtkommen", sagte er. Das liege vor allem daran, dass der US-Konzern eigene Software entwickle und verschiedene Chips verwenden könne. Innerhalb von nur drei Wochen habe Tesla eine neue Software geschaffen, nachdem bekannt wurde, dass es Lieferengpässe geben werde. Eine solche Arbeitsweise sollte Diess zufolge künftig auch Ziel des deutschen Autoherstellers sein. (Alexander Hahn, 16.11.2021)