Der Ansturm auf die "Off label"-Impftermine für die Fünf- bis Elfjährigen ist riesig. Bald könnte es aber auch eine EU-Zulassung geben.

Foto: APA / Roland Schlager

Den Stich selbst, erzählt Rosa tapfer, "habe ich kaum gespürt. Aber jetzt kribbelt es da beim Arm runter ein bisschen. Es ist komisch. Aber es geht schon." Die Neunjährige ist Montagfrüh im Wiener Austria Center von einer Kinderärztin gegen das Coronavirus geimpft worden – genauso wie ihr siebenjähriger Bruder Sebastian. Um sieben Uhr hat die von der Stadt Wien organisierte Kinder-Impfstraße für Fünf- bis Elfjährige ihren Betrieb aufgenommen. 9200 Termine bis zum Jahresende wurden am Samstag für diese junge Altersgruppe freigeschaltet. Der Andrang war riesig: Montagfrüh waren alle Termine vergeben.

"Ich habe gejubelt, als ich die Termine erhalten habe", erzählt Maria M., die Mama von Rosa und Sebastian. "Ich wollte für unsere Kinder den gleichen Schutz wie für uns Eltern haben." Seit Sommer habe sie daher auf die Zulassung der Impfung für unter Zwölfjährige gehofft. Zuletzt probierte sie es auch bei den wenigen Kinderärzten in Wien, die diese Impfung "off label" – also ohne Zulassung der europäischen Behörde – bereits durchführen. "Aber die wurden überrannt und haben Kinder mit Vorerkrankungen vorgezogen, was ich völlig nachvollziehen konnte."

Erste von Behördenseite organisierte Kinderimpfung Europas

Weil immer mehr Eltern in Wien den Wunsch einer Corona-Schutzimpfung für ihre Kinder äußerten, hat sich die Stadt Wien dazu entschieden, diese Impfung trotz fehlender Zulassung zu ermöglichen. "Wir empfehlen diese Impfung nicht, aber wir wollen diese Möglichkeit bieten", sagte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei der Eröffnung der Kinder-Impfstraße in einem eigenen Bereich im Austria Center. Nach Eigenangaben der Stadt ist das die erste großflächige, von Behördenseite organisierte Kinder-Impfkampagne gegen das Coronavirus in Europa. In den USA werden unter Zwölfjährige bereits mit Biontech/Pfizer geimpft. Die US-Arzneimittelbehörde FDA gewährte eine Notfallzulassung.

Europäische Zulassung "in den nächsten Tagen"

In Europa wird noch auf die Zulassung dieses Impfstoffs durch die Arzneimittelagentur EMA gewartet. Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres rechnete mit dem offiziellen Go für die Kinderimpfung bereits "in den nächsten Tagen". Das Angebot der Stadt Wien "off label" befürwortete Szekeres.

Die Impfungen werden vorerst nur von Kinderärztinnen und -ärzten durchgeführt. Weil es vor den Stichen längere Aufklärungsgespräche für Eltern und Kinder benötigt, "können wir nicht in der üblichen Geschwindigkeitsroutine impfen", sagte Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ).

Impfkapazitäten werden "maßgeblich erhöht"

Nach dem enormen Ansturm auf die mittlerweile ausgebuchten Termine wird aber nachgebessert: In etwa zwei Wochen, nach der ersten Überprüfung der Pilotphase, "werden die Impfkapazitäten maßgeblich erhöht", kündigte Hacker an. Konkrete Zahlen wurden vorerst keine genannt. Dann sollen aber auch Allgemeinmediziner impfen können.

Es könnte aber schneller gehen: Sollte die Zulassung der EMA für die Impfung der unter Zwölfjährigen noch im November erfolgen, wird die Kinderimpfung sofort ins Regelprogramm übernommen, wie ein Sprecher Hackers erklärte. Dann können Kinderimpfungen auch ohne Termin durchgeführt werden.

Maria M. ist jedenfalls froh, dass ihre Kinder Rosa und Sebastian bereits geimpft sind. Der Kinderarzt habe sich lange für das Beratungsgespräch Zeit genommen. Aufgeklärt wurde auch über normale Nebenwirkungen sowie über mögliche Komplikationen, bei denen Rücksprache mit dem Arzt zu halten ist. "Rosa und Sebastian sind beide sehr sportlich. Der Arzt hat geraten, dass sie in den nächsten fünf Tagen aber kein Training machen sollen", erzählt ihre Mutter.

Erleichterte Eltern

Gerald Schwarzl hat für seine Kinder Pia (8) und Theo (5) Impftermine ergattert – und war ebenfalls erleichtert. "In unserem Bekanntenkreis ist ein Kind erkrankt, das wegen Corona ins Spital und auf die Überwachungsstation musste", sagt Schwarzl. Die Frage der Impfung für die Kinder sei dann dringender geworden. Und nachdem Pia und Theo bisher alle Impfungen des österreichischen Impfplans erhalten hätten, sei die Sachlage auch für Corona klar gewesen.

Ludwig skeptisch zu Impfpflicht für Gesundheitsberufe

Stadtchef Ludwig warb am Montag auch generell für die Impfung. Skeptisch zeigt er sich aber bei der Frage der Impfpflicht für Gesundheitsberufe, die ja Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) angekündigt hatte. Die Gefahr, dass sich Personen bei einer Verpflichtung beruflich umorientieren, sei gegeben. Hier müsse es Gespräche mit den Sozialpartnern geben. Dass es auch im Pflege- und Gesundheitsbereich Menschen gebe, die sich nicht impfen lassen wollen, bezeichnete Ludwig als "Fehler. Aber es ist nun einmal so." Bei Neuanstellungen im Wiener Gesundheitsverbund gibt es übrigens bereits eine Impfpflicht.

66.000 Impfungen pro Tag im Wochenschnitt

Die Zahl der Impfungen in Österreich zeigt jedenfalls weiter nach oben. In der vergangenen Woche wurden im Durchschnitt rund 66.000 Impfungen pro Tag verabreicht. Am Sonntag waren es 36.839 Impfungen, 10.697 davon waren Erststiche. 68,5 Prozent der Gesamtbevölkerung in Österreich haben bisher zumindest eine Corona-Impfung erhalten. (David Krutzler, 15.11.2021)