Das läuft ja super. Die Infektionszahlen steigen ins Unermessliche, die Intensivstationen sind voll, und die Regierung streitet vor aller Augen. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hält "überhaupt nichts von den Wortmeldungen des Gesundheitsministers". Die "Wortmeldungen" von Wolfgang Mückstein (Grüne) drehten sich um eine mögliche Verschärfung von Maßnahmen für alle, auch Geimpfte, sollten die jetzigen Maßnahmen nicht greifen – inklusive temporäres Ausgehverbot am Abend.

Die Experten sind sich einig: Die Impfung ist der einzige Weg aus der Pandemie.
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Das ist natürlich wenig populär, niemand ist darüber begeistert. Aber es ist möglicherweise die einzige Möglichkeit, das Infektionsgeschehen einzudämmen, angesichts der beschämend niedrigen Impfquote im Land.

Hier ist der entscheidende Punkt. Auf Dauer wird das alles nicht helfen, wenn die Impfquote nicht rasch nach oben schnellt. Es ist fast müßig, darauf hinzuweisen, weil die Unbelehrbaren die Ohren zuklappen, dennoch: Alle Experten sind darüber einig. Die Impfung ist der einzige Weg aus der Pandemie, die einzige Möglichkeit auch, die Mutationsfreudigkeit des Virus auf Dauer zu unterbinden. Daher gibt es eigentlich nur eine andere Konsequenz: Die Impfpflicht muss kommen. Das kann temporär sein, wie es der Chef der Med-Uni Graz, Hellmut Samonigg, in der ORF-Sendung Im Zentrum vorgeschlagen hat. Das kann auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt sein. Vor allem das Gesundheits-, aber auch das Lehrpersonal ist hier im Fokus.

Alarmzeichen

Noch besser wäre eine allgemeine Corona-Impfpflicht. Das ist verfassungsrechtlich schwierig und unpopulär, aber notwendig. Wenn wir alle unsere Freiheit wiederhaben wollen, müssen wir uns davor solidarisch zeigen und uns doppelt und dreifach impfen lassen. Den Unbelehrbaren sei in diesem Zusammenhang nochmals ins Stammbuch geschrieben: Die Freiheit des einen endet auch in einer liberalen Gesellschaft dort, wo sie jene eines anderen beschränkt. Darüber hinaus ist es auch wichtig zu betonen: Es geht hier um die Gesundheit aller Bürger in diesem Land. Täglich zweistellige Todeszahlen sind ein Alarmzeichen, das allen zu denken geben sollte.

Niemand in der Regierung wagt das derzeit auszusprechen, möglicherweise getraut man sich nicht einmal, darüber nachzudenken. Derzeit beharrt die ÖVP auf der Doktrin des Altkanzlers, dass die Pandemie für Geimpfte vorbei sein muss, die diesbezüglichen Warnungen der Wissenschafter werden ignoriert. Die Grünen halten dagegen.

Aber die Wahrheit ist den Menschen zumutbar: keine Impfpflicht, kein Ende der Pandemie. Das wäre eine gute und höchst dringliche Gelegenheit für beide Koalitionsparteien, in der Post-Kurz-Ära ein eigenes, gemeinsames Projekt anzugehen. Man könnte es sogar mit dem Lockdown für alle kombinieren: Noch einmal müssen alle Menschen für einige Zeit ihre Kontakte beschränken – doch durch eine rasche Durchimpfung ist das Ende absehbar. Das jetzige politische Gezerre wird die Pandemie jedenfalls nicht beenden. (Petra Stuiber, 16.11.2021)