Isabella Pfoser und Michael Spiekermann waren die österreichischen Jugenddelegierten auf der COP 26 in Glasgow. Sie lehnen es klar ab, dass monetäre Interessen stets höher wiegen als der Schutz vor den lebensbedrohlichen Folgen des Klimawandels, schreiben sie im Gastkommentar.

Aktivisten weisen auf das Scheitern der COP 26 hin.
Foto: AFP / Paul Ellis

Hektik auf den Gängen, ein buntes Sprachengewirr, herzzerreißende Reden von Überlebenden von Klimakatastrophen, Blockade und taktisch-politisches Kalkül, Frustration bei den Jugendlichen. Ein Tag in Glasgow ist dicht und emotional. Als Beobachterin oder Beobachter fällt es schwer, zwischen echter Ambition und Greenwashing zu unterscheiden.

40.000 Menschen sind auf der COP 26 zugelassen. So viele waren es noch nie. Indigene Gruppen, Jugendliche und Menschen aus dem globalen Süden waren unterrepräsentiert. Die Zahl der Lobbyisten von fossilen Unternehmen hingegen war größer als die aller Delegierten der neun von der Klimakrise am stärksten betroffenen Länder.

Auf den ersten Blick: Zuversicht

Auf der diesjährigen Klimakonferenz einigten sich die Staaten unter anderem auf Regeln für die Berechnung von Treibhausgasen und beschlossen einen Rahmen für den Handel mit Emissionseinsparungen. Regierungschefinnen und -chefs vieler Staaten kündigten höhere Klimaziele an oder unterschrieben Abkommen zur Reduktion von Methangas, Abholzung und Verbrennungsmotoren.

Auf den ersten Blick stimmt das zuversichtlich. Man könnte den Eindruck bekommen, die politischen Eliten kämen nach Glasgow, um dort die Welt zu retten. Und ja, in Ansätzen stimmt das auch. Politikerinnen und Politiker brauchen Orte der Zusammenkunft, um sich gegenseitig inspirieren und überzeugen zu können, und eine Bühne, um sich zu profilieren. Staaten brauchen das Rahmenwerk der UN, um völkerrechtlich bindende Ziele zu beschließen. Ohne Klimakonferenzen gäbe es kein Abkommen von Paris, an dem Menschen und Medien die Taten der Politik messen können. Es gäbe keinen Weltklimarat, der die Politik mit den wissenschaftlichen Fakten über die drohende Klimakatastrophe konfrontiert.

Auf den zweiten Blick: Ernüchterung

Nachdem wir zwei Wochen die politischen Eliten beim Verhandeln beobachtet haben, ist unser Eindruck jedoch ein anderer. Nationalstaatliche und kurzfristige ökonomische Interessen stehen für fast alle Regierungschefs auch bei Klimaverhandlungen im Vordergrund. Wir sind enttäuscht über die Ergebnisse, die vergangenen Samstag in Glasgow präsentiert wurden. China und Indien verwässerten eine wichtige Formulierung zum Kohleausstieg. Für den Emissionsmarkt konnten Blockiererstaaten durchsetzen, dass alte CO2-Einsparungszertifikate aus der Zeit vor Paris übernommen werden können. Einem dringend notwendigen Fonds zur finanziellen Unterstützung nach Klimakatastrophen stimmten die Industrienationen nicht zu. Menschen in Notlagen werden im Stich gelassen. Als Jugendliche lehnen wir klar ab, dass monetäre Interessen stets höher wiegen als der Schutz vor den lebensbedrohlichen Folgen des Klimawandels.

Uns wurde in Glasgow abermals bestätigt, dass UN-Klimaverhandlungen alleine nicht ausreichen, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Nicht im Ansatz. Es gibt seit Jahrzehnten Versprechen über ambitionierte Ziele, doch an der Umsetzung in den eigenen Ländern scheiterte es bis jetzt. Auch Österreich lobt sich international, bis 2040 klimaneutral sein zu wollen. Doch solange das Klimaschutzgesetz nicht beschlossen wird, ist dieses Versprechen unverbindlich und wertlos.

"Jede Person kann auf ihre Art dazu beitragen, die Politik zu verändern."

Bedeutende Fortschritte im Klimaschutz gab es bis jetzt immer nur, wenn die Menschen Druck auf die Politik machten. Das Klimagesetz der EU beispielsweise war nur möglich, weil Millionen junge Menschen auf die Straße gingen und die Politik aufforderten, Verantwortung zu übernehmen. Beim Pariser Klimaabkommen war es ähnlich. Der Professor für Klimapolitik Reinhard Steurer bekräftigt, was schon die Klimaaktivistin Greta Thunberg sagte: Die Veränderung kommt durch aktive Menschen. Von den Straßen über die Medien in die Parlamente. Politikerinnen und Politiker müssen auf Klimakonferenzen aber auch im eigenen Land das Gefühl haben, kritisch beobachtet zu werden, und Druck verspüren, ehe sie handeln.

Dafür sorgten bei der diesjährigen Klimakonferenz die unzähligen Menschen, die vergangenes Wochenende weltweit auf die Straße gegangen sind. Die Protestierenden forderten, dass die die Politik endlich die lebensbedrohlichen Folgen der Klimakrise im globalen Süden ernst nimmt und Klimaschutz als menschenrechtliche Notwendigkeit anerkennt. Allein in Glasgow waren es über 150.000 Menschen. Doch so wichtig Streiks auch sind – Engagement auf allen Ebenen der Gesellschaft ist notwendig. Jede Person kann auf ihre Art dazu beitragen, die Politik zu verändern. Insbesondere in Ländern wie Österreich. Die Klimakrise ist eine politische Entscheidung. Und politische Entscheidungen können wir ändern. (Isabella Pfoser, Michael Spiekermann, 15.11.2021)