Von den 93 Intensivpatientinnen und -patienten in Oberösterreich waren am Montag laut Gesundheitsholding 80 ungeimpft. Das sind 86 Prozent.

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Die vierte Welle der Corona-Pandemie hat Oberösterreich und Salzburg mit voller Wucht getroffen. Und noch ist kein Ende des Anstiegs der Neuinfektionszahlen in Sicht. Dabei ist die Situation in den Spitälern bereits jetzt prekär: 93 Personen, die mit Corona infiziert sind, benötigten am Montag in Oberösterreich ein Intensivbett. Das waren um vier mehr als am Freitag. Am Dienstag waren 97 Covid-Intensivbetten belegt. Der Anstieg fiel aber deutlich weniger stark aus als von Experten erwartet.

Von Entspannung kann jedoch keine Rede sein: Seit Freitag wurden 59 Todesfälle auf den Covid-Stationen in Oberösterreichs Spitälern verzeichnet. Der Großteil davon starb auf den Intensivstationen, wie Jutta Oberweger, Sprecherin der Oberösterreichischen Gesundheitsholding, dem STANDARD bestätigt. Mediziner drücken die Sachlage hinter vorgehaltener Hand drastischer aus: "Wir haben Platz auf unseren Intensivstationen, weil Infizierte versterben." Die Todesfallrate in den Spitälern ist damit schon jetzt deutlich höher als in den vergangenen Corona-Wellen: Der bisherige Tageshöchstwert in Oberösterreich stammte vom Februar 2021 mit elf Covid-Todesopfern.

93 Intensivfälle am Montag, 80 davon waren ungeimpft

Von den 93 Intensivpatientinnen und -patienten am Montag waren laut der Gesundheitsholding 80 ungeimpft. Das sind 86 Prozent. Mit Stand Dienstag wurden 97 Covid-Intensivbetten benötigt, ein Plus von weiteren vier Intensivbetten. Landesweit verstarben 22 weitere Personen an und mit Covid-19, davon zehn in Oberösterreichs Spitälern und zwölf außerhalb der Kliniken.

Dazu kommt, dass auch auf den Covid-Normalstationen im Bundesland der Belag massiv steigt: Vor einem Monat waren 150 Normalbetten belegt, am Dienstag waren es mit 513 mehr als dreimal so viele. Auf den Normalstationen sind drei von vier Personen ungeimpft. Auch wenn die Betten großteils von Ungeimpften belegt werden: Aus der Gesundheitsholding heißt es auch, dass es vermehrt zu Impfdurchbrüchen kommt. Das treffe etwa bei multimorbiden Personen oder Patientinnen und Patienten mit schweren Vorerkrankungen zu.

Um Platz und Personal für die Versorgung von sehr pflegeaufwendigen Covid-Erkrankten freizuspielen, wurde das OP-Programm in Oberösterreich "massiv gedrosselt". Das hat auch signifikante Folgen für Erkrankte, die nicht mit Covid infiziert sind. So spüren auch – möglicherweise geimpfte – Herz- oder Krebskranke die Folgen der Corona-Pandemie, wenn ihre nicht akut lebensbedrohlichen Operationen abgesagt werden müssen.

Salzburger Landeskliniken droht völlige Überlastung

Seit Wochen wurde von Medizinern in Salzburg davor gewarnt, nun ist der Ernstfall eingetreten. Der Geschäftsführer der Salzburger Landeskliniken, Paul Sungler, hat an das Land Salzburg und an den Aufsichtsrat des Spitals eine Überlastungsanzeige geschickt. In dem dramatischen Hilferuf schreibt Sungler, in den Kliniken könne die Behandlung weiterer Patienten nach geltenden medizinischen Standards und Sorgfaltsmaßstäben bald nicht mehr garantiert werden. Es drohe eine Notstandssituation einzutreten, in der intensivmedizinische Triagierungen vorgenommen werden müssen.

Salzburg verzeichnete am Dienstag mit 33 Covid-Intensivpatienten auch einen neuen Höchststand seit Beginn der Pandemie. Der bisherige Höchstwert wurde am 25. Dezember 2020 mit 32 Intensivpatienten gemessen.

Triage-Team entscheidet, wer behandelt wird

Die SALK haben inzwischen ein sechsköpfiges Triagierungsteam nominiert, das aus fünf Medizinern verschiedener Fachbereiche – darunter ein Internist, ein Intensivmediziner und ein Palliativarzt – und einer Juristin besteht, sagte SALK-Sprecher Wolfgang Fürweger am Dienstagvormittag zur APA. Dieses Team müsse dann entscheiden, welche Patienten noch intensivmedizinisch behandelt werden können.

"Wir appellieren daher dringend an die politisch Verantwortlichen, die erforderlichen Maßnahmen zur deutlichen Reduktion des Infektionsgeschehens zu setzen", heißt es in dem Schreiben, das dem STANDARD vorliegt. Im stationären Bereich befinde sich das Universitätsklinikum Salzburg auf der Eskalationsstufe 12. Das bedeute, dass im Non-Covid-Bereich derzeit 272 Betten fehlen, ab der nächsten Stufe "steht bisher kein ausreichendes ärztliches Personal zur Verfügung und kann somit die sach- und fachgerechte Behandlung und Betreuung aller Patienten nicht mehr gewährleistet werden". Wie dramatisch die Lage ist, schilderte den "SN" ein Spitalsarzt. "Es herrscht jeden Tag ein menschenunwürdiger Streit, wessen Patient zuerst operiert werden könne. Der mit dem Tumor oder der mit dem kaputten Herz."

Drittimpfungen werden vorgezogen

Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) reagiert auf den Hilferuf der Landeskliniken mit dem Vorziehen der Drittimpfung. Nun sollen auch in Salzburg – wie bereits in Wien – alle schon vier Monate nach der zweiten eine dritte Impfung bekommen. Auch die Impfkapazitäten sollen noch einmal aufgestockt werden.

Gleichzeitig werden im Spital Maßnahmen gesetzt. So wird etwa eine Transferstation für stationäre Covid-Patienten eingerichtet, die aus verschiedenen Gründen noch nicht nach Hause können und betreut werden müssen. Eine zusätzliche Reha-Anstalt soll Patienten aufnehmen, die keine stationäre Betreuung in den Spitälern brauchen und nicht zu Hause versorgt werden können. In enger Abstimmung mit der Ärztekammer soll die Behandlung von Covid-Patienten auch dezentralisiert werden.

Salzburger Grünen-Chef fordert "Lockdown möglichst schnell"

Dem Salzburger Landeshauptmannstellvertreter Heinrich Schellhorn (Grüne) gehen die Maßnahmen im Bundesland nicht weit genug. Er fordert "einen Lockdown möglichst schnell, um die Situation in den Griff zu bekommen". Schellhorn will zwei Wochen die Gastronomie zusperren, keine Veranstaltungen erlauben, die Schulen zwar offen halten, aber die Oberstufen in das Homeschooling schicken. Darüber hinaus brauche es eine Maskenpflicht an Orten im öffentlichen Raum, an denen es eng werden kann.

"Wenn wir das nicht machen, droht die Situation weiter zu eskalieren und eine vollkommene Überlastung des Gesundheitssystems", betont Schellhorn. "Hinauszögern hat jetzt keinen Sinn mehr."

Auch in der ÖVP steige das Verständnis für strengere Maßnahmen, meint Schellhorn. Landeshauptmann Haslauer sei aber noch nicht so weit, erklärt der Grünen-Chef auf Nachfrage. Je näher jemand am Gesundheitssystem sei, so wie Gesundheitslandesrat Christian Stöckl (ÖVP), desto höher sei die Bereitschaft, meint Schellhorn. "Ich bin überzeugt, dass auch der Landeshauptmann noch einlenken wird. Ich hoffe, es ist dann nicht zu spät."

Angesprochen auf Schellhorns Vorschlag, sagt der Salzburger Landeshauptmann, er "halte das für eine Maßnahme, die wir vermeiden sollen". Denn der nun endlich eintretenden Impfbereitschaft würde das schweren Schaden zufügen. "Das Ziel der Zuständigen in der Regierung ist, einen Lockdown mit Schließung all dieser Bereiche zu vermeiden, solange es möglich ist und die Aufnahmebereitschaft der Krankenanstalten gewährleistet ist", betont Haslauer. (David Krutzler, Stefanie Ruep, 16.11.2021)