Aufgrund der Schwerkraft hat die Erde eine zerbrechliche, etwa 100 Kilometer hohe, lebenswichtige Gashülle - die Atmosphäre. Die komplexen Bewegungen der atmosphärischen Gase und ihre Umwandlung in Flüssigkeit und Eis bilden Wolken in sehr unterschiedlichen Formen und Größen, die Wetterveränderungen mit sich bringen.

Eine weitere Hülle - die Magnetosphäre – erstreckt sich über mehrere hunderttausend Kilometer Höhe. Sie entsteht durch das Magnetfeld der Erde und ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung für das Leben. Sie schirmt die Erde vor dem Sonnenwind ab, einem Strom geladener Teilchen, der von der Sonne ausgeht. Die Magnetosphäre ist nicht leer, denn ein Teil des Sonnenwindes kann in die Magnetosphärenhülle eindringen und sie auffüllen. Die Dichte des magnetosphärischen Gases aus geladenen Teilchen ist so gering, dass die Teilchen fast nie miteinander kollidieren. Dennoch scheint die Bewegung der Teilchen organisiert zu sein. Ihre kollektive Bewegung kann Strukturen entwickeln, die ähnlich geformt sind wie einige atmosphärische Wolken. "Weltraumwolken" können mit bloßem Auge nicht gesehen werden. Dass es sie gibt, zeigen Polarlichter, die in bestimmter Form am Nachthimmel leuchten. In diesem Blogbeitrag möchte ich die Entstehung solcher Weltraumwolken näher erläutern.

Auftriebskraft

Von unseren kindlichen Erfahrungen in der Badewanne wissen wir, dass Körper im Wasser leichter werden und eventuell schwimmen. Luftblasen, die in einem siedenden Teekessel zur Oberfläche aufsteigen, sind ein weiteres Beispiel für den Auftrieb; eine Kraft, die einem teilweise oder ganz in einer Flüssigkeit eingetauchten Objekt entgegenwirkt - und zwar gegen die Schwerkraft (das Gewicht).

Dieses Gesetz wurde bereits von Archimedes von Syrakus (287-212 v. Chr.) entdeckt: Auf jeden Gegenstand, der ganz oder teilweise in eine Flüssigkeit getaucht ist, wirkt eine Kraft, die dem Gewicht der verdrängten Flüssigkeit entspricht: Auftriebskraft = Gewicht der verdrängten Flüssigkeit.

Der kleine Lev will wissen, wie groß die Auftriebskraft ist.
Foto: Evgeny Panov

Atmosphärische Schwerewellen

Bei einem Dichtesprung (Unstetigkeit), wie er zum Beispiel zwischen Wasser und Luft an der Meeresoberfläche auftritt, entstehen Wellen an dieser Grenzschicht. Solche Wellen treten in jedem Medium auf, in dem die Dichte mit der Höhe abnimmt, wie in unserer Erdatmosphäre. Hier spielt das Gewicht der verdrängten Luft die wesentliche Rolle gegenüber der Schwerkraft. Wenn es dichtere Luft gibt, die über dünnerer Luft zu liegen kommt (z.B. bei der Überströmung eines Gebirges), entstehen atmosphärische Schwerewellen, auch Auftriebswellen genannt. Diese erzeugen Wirbel- und Windströmungen und übertragen auch sehr effizient Impuls und Energie in der Atmosphäre. Die nachfolgende Echtfarbenaufnahme des Satelliten Terra vom 11. November 2003 zeigt atmosphärische Schwerewellen nahe Australien.

Atmosphärische Schwerewellen nahe Australien
J. Descloitres, MODIS Rapid Resp. Team, NASA/GSFC

Rayleigh-Taylor-Instabilität

In einem anderen Fall, wenn sich in der Höhe plötzlich ein großes Gasvolumen geringerer Dichte bildet, drückt dieses auf die dichtere Umgebungsluft und die sogenannte Rayleigh-Taylor-Instabilität entsteht. Diese tritt beispielsweise bei einem Vulkanausbruch auf und führt zur Bildung der typischen pilzförmigen Wolke.

Ausbruch des Vulkans Raikoke, nahe Kamtschatka, am 22. Juni 2019
Foto: NASA

Lorentzkraft und magnetischer Auftrieb

Der erdnahe Weltraum ist mit Plasma gefüllt, einem Gas aus geladenen Teilchen - hauptsächlich Protonen und Elektronen. Die Schwerkraft ist hier sehr gering, weil sie quadratisch mit der Entfernung von der Erde abnimmt. Das Erdmagnetfeld führt zum sogenannten magnetischen Auftrieb, bei dem die Lorentzkraft die Rolle der Schwerkraft übernimmt. Sie ist benannt nach dem niederländischen Physiker Hendrik Antoon Lorentz und ist jene Kraft, die auf geladene Teilchen in einem elektrischen oder magnetischen Feld wirkt. Die Krümmung der Magnetfeldlinien führt zu einer effektiven Schwerkraft, die von der Erde weggerichtet ist. Somit stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Plasmadruck und effektiver Schwerkraft ein.

Magnetischer Auftrieb in der Sonnenkorona

Das Konzept des magnetischen Auftriebs wurde im Jahr 1955 durch Eugene Parker und den in Deutschland geborenen amerikanischen Physiker Walter Elsasser in die Weltraumphysik eingeführt. Letzterer entwickelte auch die Dynamotheorie für die Erklärung des Erdmagnetismus. Parker erklärte mithilfe des magnetischen Auftriebs das Auftreten und verschiedene Eigenschaften der Sonnenflecken. Zahlreiche Computersimulationen und Weltraumbeobachtungen von Sonnenausbrüchen haben seine Erklärungen inzwischen bestätigt. Aufnahmen des Solar Dynamics Observatorys der NASA zeigen eine Sonnenfackel, die einen koronalen Massenauswurf verursacht. In Verbindung mit Änderungen der magnetischen Feldlinien, entstehen Schleifen, die sich kompliziert bewegen und  bis hoch in die Sonnenatmosphäre, die Korona, reichen.

NASA Goddard

Magnetosphärische Schwerewellen

Eine Animation des Weltraumplasmaphysikers Frank Toffoletto von der Rice University (unten) zeigt Schwerewellenschwingungen in einem Magnetfeld. In der nachfolgenden Computersimulation befindet sich die Erde im Nullpunkt (0,0). Auf ihrer Nachtseite wird die Magnetfeldlinie (weiße Kurve) mit einer Plasmablase (im Schnittpunkt mit der Äquatorebene z=0) in Erdrichtung gezogen. Wenn die Blase die Gleichgewichtsregion erreicht hat, beginnt sie um diese Position zu schwingen. Die Schwingung verursacht ein Wachstum der magnetosphärischen Schwerewellen auf der Nachtseite der Erde, die sich bis zu einigen hunderttausend Kilometern über der Erdoberfläche ausbreiten.

Rice University

Polarlichter und elektrische Ströme in der Ionosphäre

Die THEMIS-Raumsonden der NASA haben auch magnetosphärische Auftriebswellen beobachtet. Diese Satellitenmessungen wurden durch bodengestützte Magnetfeldmessungen und Polarlichtbilder ergänzt. Es stellte sich heraus, dass diese Wellen Polarlichtmuster und - nahe des Polarkreises - elektrische Ströme in großen Höhen erzeugen. Die Intensität des Polarlichts verändert sich mit den Schwingungen des Magnetfelds. Polarlichter (im Video oben links) und ionosphärische Ströme (im Video unten links) treten auf, während die Plasmablase um ihre Gleichgewichtslage schwingt (unten rechts). Eine Simulation der Rice University (oben rechts) zeigt die Lage der Magnetfeldlinie während der Beobachtung.

evgeny panov

Ballooning-Interchange Instability

Wenn das Erdmagnetfeld auf der Nachtseite im erdnahen Weltraum abnimmt, wird der Plasmadruck nicht mehr durch die magnetische Feldspannung im Gleichgewicht gehalten. Es entsteht die Ballooning-Interchange Instability. Gasvolumen geringerer Dichte blähen sich wie ein Ballon auf, wenn sie sich der Erde nähern; analog zu Gasblasen, die sich vergrößern, wenn sie in einem Teekessel zur Wasseroberfläche aufsteigen.

In der Erdmagnetosphäre treten solche Aufblähungen mehrfach in Ost-West-Richtung auf. Sie erscheinen dann in Form von „Polarlichttropfen“ auf der nachtseitigen Ionosphäre in hohen Breiten. Die Form des Polarlichts ähnelt einer leuchtenden Perlenkette am Nachthimmel.

NASA Goddard

Pilzwolke im Weltraum

Einzelne Aufblähungen können so stark anwachsen, dass sie in der späteren Entwicklungsphase ähnlich wie eine atmosphärische Pilzwolke aussehen und dadurch zum Aufleuchten einzelner Perlen führen. Die Entstehung solcher Pilzwolken im Weltraum wurde 2020 durch Computersimulationen verifiziert. In der Studie, die gemeinsam mit Kollegen aus der University of California, Los Angeles, durchgeführt wurde, konnten die Simulationsergebnisse den Messdaten der THEMIS-Mission gegenübergestellt werden. Die nachfolgende Grafik zeigt die zeitliche Entwicklung der simulierten Pilzwolke.

Simulation einer Pilzwolke im Weltraum
Panov et al., doi/10.1029/2020JA027930

Eine solche Pilzwolke im Weltraum erzeugt auch Polarlichter. Die NASA-Mannschaft der Expedition 52 auf der Internationalen Raumstation hat solche Polarlichter in der südlichen Hemisphäre beobachtet. Die nachfolgende Aufnahme wurde während der Überquerung des südlichen Indischen Ozeans in Richtung der Küste Australiens am 19. August 2017 gemacht. Über den leuchtenden Polarlichtperlen fliegt die Dragon-Kapsel von SpaceX. (Evgeny Panov, 26.11.2021)

Blick aus der Kuppel der Internationalen Raumstation
Earth Science and Remote Sensing Unit, NASA JSC

Evgeny Panov studierte Angewandte Mathematik und Physik am Moskauer Institut für Physik und Technologie. Nach seiner Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und am Institut für Weltraumforschung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau, ist er seit 2008 in Österreich, wo er am Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und am Institut für Physik der Universität Graz als Wissenschaftler tätig ist.

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