In der Herbstsonne mit der neuen Liebe am Strand irgendwo in Andalusien: Übersteht die frische Beziehung das?

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Andalusien im Spätherbst. Das bedeutet: Sonne, Strand und dieser himmlisch trockene Sherry. Renaissancekirchen, mit Heiligenfiguren, wie von Versace ausgestattet. Hier lodern Leidenschaften noch auf 700 Grad. Man verlässt mit seiner neuen Romanze die Ankunftshalle des Flughafens. Palmen wiegen sich im lauen Wind. Man denkt: Keine Reisedestination in Europa könnte in diesem Augenblick idealer sein!

Wunsch und Wirklichkeit

Herrlich, diese ersten Eindrücke. Tatsächlich stimmt alles mit den Erwartungen an die spanische Kulisse fürs eigene Private überein. Reibungslos wird das jetzt eine ganze Urlaubswoche so weitergehen – so weit die Theorie.

Doch schnell kommt zu all der Pracht und den vielen Küssen das echte Leben ins Spiel: Nachts tanzen über dem Doppelbett tausend Stechmücken, zusätzlich wird man von fiesen Tigermücken attackiert. Angeblich fließt ein unterirdischer Fluss durch die beschauliche Gasse, der am laufenden Band die aggressiven Insekten gebiert.

Mit lautem Getöse fährt alle zwei Stunden die Straßenreinigung durch, damit auf den Marmorwegen alles schön glänzt. Im Morgengrauen hört man, noch immer hellwach, eine Gasflasche explodieren – überrascht stellt man fest, dass man über einer Bar wohnt, die vorübergehend in Flammen steht.

In solchen Augenblicken zeigt sich, was die neue Beziehung kann: Wird einer von beiden hysterisch, beginnt gar zu weinen oder schreit den anderen an? Oder bleibt das Glas halbvoll, weil man irgendeiner Santa Maria de la Piedád y de la Concepción noch immer für diesen wahnsinnig aufregenden Reisegefährten dankt?

Im Idealfall steht man jetzt auf dem Hotelbalkon und glaubt: Die Chemie zwischen uns ist stärker als all die touristischen Slapstick-Einlagen, größer als jede Fischvergiftung, ja sogar größer als Bettwanzen! Man lächelt sein Gegenüber an und fühlt sich wie vor dem Happy End in "Indiana Jones".

Traumschiff kann jeder

Was soll jetzt noch schiefgehen, denkt man und flaniert Hand in Hand Richtung Strand. Im Hafen ankern riesige Kreuzfahrtschiffe, voll mit durchorganisierten Passagieren, die lieber nichts riskieren.

Mit dem Fernglas stehen sie an der Reling und sehen sich die stolze Architektur der Stadt aus sicherer Entfernung an. – "Liebe? In jeder Form, bloß nicht auf Traumschiff-Niveau!", erklärte mir dazu schon vor Jahren mein Freund, der wilde Künstler. Ja, man muss ohne Rettungsring ins Wasser springen, dann weiß man wenigstens gleich, was man am anderen hat. (Ela Angerer, RONDO, 28.11.2021)