Michael Schnedlitz war nach Äußerungen zum Fall der getöteten Leonie wegen Verhetzung angezeigt worden – es gilt die Unschuldsvermutung.

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Am Ende ging es dann ganz schnell: Einstimmig beschloss der Immunitätsausschuss am Dienstagmorgen, Ermittlungen gegen Altkanzler Sebastian Kurz zu ermöglichen. Da der ÖVP-Obmann nach Bekanntwerden der Inseratenaffäre vom Regierungschef zum Klubobmann "zur Seite getreten" war, stand ihm nun als Nationalratsmitglied der Schutz vor Ermittlungen zu. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte deshalb mit ihren Ermittlungen gegen Kurz pausiert und ein Auslieferungsbegehren gestellt.

Einstimmig ausgeliefert

Die Opposition hatte anfangs befürchtet, die ÖVP würde weitere Ermittlungen nun blockieren – doch Kurz stellte schnell selbst klar, dass seine Partei der Auslieferung zustimmen werde. So war es dann auch: Im Ausschuss erfolgte die Aufhebung der Immunität einstimmig, im Plenum dürfte es am Donnerstag ähnlich sein.

Allerdings trübte ein zweiter Fall die Harmonie im Immunitätsausschuss: die Causa Michael Schnedlitz. Der FPÖ-Generalsekretär hatte nach dem Tod der 13-jährigen Leonie auf Facebook geschrieben, dass "Zuwanderung tötet". Daraufhin war er wegen Verhetzung angezeigt worden. Die Staatsanwaltschaft Wien nahm Ermittlungen auf und begehrte daher Schnedlitz’ Auslieferung. Im Gegensatz zu Kurz wollte Schnedlitz eine Auslieferung jedoch bekämpfen, weil er einen direkten Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit sieht – und daher der Schutz vor Verfolgung von Abgeordneten schlagend werde.

"Widerlich", aber geschützt

Das sieht auch Neos-Klubobmann Niki Scherak ähnlich: "So widerlich die Aussagen von Schnedlitz sind, sie fielen im Zusammenhang mit seiner politischen Tätigkeit." Doch Blau-Pink wurde von den Regierungsparteien sowie von der SPÖ überstimmt.

"Solche Aussagen können nicht der parlamentarischen Immunität unterliegen, weil sie ganz einfach nicht Inhalt politischer Tätigkeit sein können", sagte der ÖVP-Abgeordnete Friedrich Ofenauer auf Anfrage.

Das sorgt wiederum für Empörung bei der FPÖ. "Einmal mehr hat sich bei der Behandlung dieser Immunitätssache die völlige Willkür der Regierungsparteien gezeigt, die den Ausschuss als politisches Machtinstrument sehen wollen", sagte der Abgeordnete und Jurist Philipp Schrangl zum STANDARD. Er verweist darauf, dass die FPÖ zum Fall Leonie, zu dem sich Schnedlitz geäußert habe, sogar eigens eine Sondersitzung beantragt hat. Demzufolge sei die Äußerung im Rahmen seiner Tätigkeit erfolgt.

Das Delikt der Verhetzung sorgt im Immunitätsausschuss allerdings immer wieder für kontroverse Debatten. In ihrem Abstimmungsverhalten unterscheiden manche Fraktionen danach, ob die Äußerung online oder bei einer politischen Veranstaltungen gefallen sei; andere sehen die rote Linie für eine Auslieferung bei Gewaltaufrufen überschritten.

Bei Kurz sei die Sache hingegen klar gewesen: Einerseits ist es Usance, einer Auslieferung zuzustimmen, wenn der Betroffene das selbst so möchte; andererseits werden Korruptionsvorwürfe wie der Verdacht auf Untreue oder Bestechlichkeit nie blockiert.

Gern im "System Kurz"

Kurz selbst erlebte den Beginn seiner zweiten Plenarwoche als Klubobmann: Direkt im Anschluss an den Immunitätsschuss begann die mittlerweile 129. Sitzung des Nationalrats in dieser Legislaturperiode. Auf dem Programm standen vor allem Debatten über das aktuelle Budget. Kurz selbst meldete sich naturgemäß mit Lob zu Wort, er hatte als Kanzler das Budget ja noch mitverhandelt.

Die Anwesenheit des ÖVP-Chefs im Plenum sorgte regelmäßig für Anspielungen der Rednerinnen und Redner. ÖVP-Wissenschaftssprecher Rudolf Taschner bekannte etwa, gern Teil des "Systems Kurz" zu sein, denn das "stünde für eine gute Zukunft". Vonseiten der Opposition gab es hingegen Seitenhiebe gegen die erste Reihe der ÖVP, wo Kurz neben dem geschäftsführenden Klubobmann August Wöginger Platz genommen hatte.

Dort hörte er naturgemäß viel Kritik aus der Opposition am türkis-grünen Budget. Neos-Klubobmann Scherak sprach von "reiner Schlagzeilenpolitik ohne echten Reformwillen"; der blaue Finanzsprecher Hubert Fuchs von einer "öko-asozialen" Steuerreform. SPÖ-Chefin Rendi-Wagner beklagte, die Regierung hätte die Chance verpasst, eine "Teuerungsbremse" zu ziehen.

Die Steuerreform sei "sicher das absolute Gegenteil von asozial", antwortete die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. Denn vom Klimabonus würden eindeutig die Menschen mit den niedrigsten Einkommen am stärksten profitieren. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) lobte seine Pläne ebenfalls: "Wir sorgen für Aufschwung, Stabilität und Nachhaltigkeit."

Auch am Mittwoch und am Donnerstag wird es in den Debatten um das Budget gehen; dann werden einzelne Themengebiete wie innere Sicherheit, Landwirtschaft oder Wissenschaft und Forschung besprochen. Abseits davon steht legislativ nur wenig auf dem Programm: etwa der Startschuss für die Einführung des Einwegpfands und Verschärfungen im Waffenrecht.

FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz wird Verhetzung vorgeworfen. Die Abstimmung über seine Auslieferung verlief nicht harmonisch. (Fabian Schmid, 16.11.2021)