Doch kein Abschied: Plácido Domingo.

Foto: Pöhn

Seit seinem Debüt 1967 hat Plácido Domingo an der Staatsoper unzählige Rollen erprobt: Als Otello würgte er Desdemona, als Don José mordete er zahllose Carmen, im Kugelhagel starb er als Toscas Maler Cavaradossi, und als Parsifal erlöste er einige Gralsritter vom Siechtum. Als Siegmund zeugte er schließlich mit Schwester Sieglinde einen Siegfried und war im Haus am Ring selbst als Dirigent aktiv.

Natürlich war Domingo auch jenes Geburtstagskind, für das der Chor im Corona-Jahr 2020 im leeren Haus ein Ständchen zum 80er gab. Ja, zuvor war ihm auch die Rolle des sich gegen MeToo-Vorwürfe Verteidigenden (und sich Entschuldigenden) zugeteilt worden. Ein Rollendebüt, wohl das schwerste, steht jedoch aus – jenes des sich von der (Wiener) Bühne Verabschiedenden.

Frühkindliche Musikerfahrungen

Es hätte am Montagabend so weit sein können. Jedenfalls war der spanische Abend in diesem finalen Sinne angekündigt. Domingo ließ jedoch im Vorfeld mitteilen, von Abschied nicht mehr sprechen zu wollen. Er stünde der Staatsoper weiter zur Verfügung, so es ihre und seine Pläne erlaubten. Der Abend, an dem Domingo quasi zu seinen frühkindlichen Musikerfahrungen zurückreiste, zur Zarzuela, einer Form der spanischen Operette, welche das Metier seiner Eltern war, wurde so natürlich einer Aura des Wehmütigen beraubt. Dennoch reichlich Emotion, es ging ja um Liebe: jene, die Kummer heilt, um Liebe, in deren Feuer das Glück stirbt und um jene, die zu Hass werden kann.

Domingo eröffnet diskret schmachtend mit Quiero desterrar aus La del soto del parral. Gefühlvoll lyrisch klingt das, weil in der Art eines Melancholikers gehaucht. Eigentlich schon der Höhepunkt des Abends, später ist eine gewisse Mühe zu merken.

Das spezielle Timbre

Was Domingo ausmacht, schimmert natürlich immer durch: das spezielle Timbre also und die Fähigkeit, Intensität in Töne zu legen, diese Gaben kommen auch in den Zwiegesängen mit der robusten Saioa Hernandez zum Vorschein. Zum heiklen Durchhaltekampf wird jedoch zum Schuss hin Lucha la fe per el triunfo aus Luisa Fernanda. Da schienen die Kräfte doch ziemlich zu schwinden.

Versöhnlich das Finale, ebenfalls mit dem wackeren Bühnenorchester unter Jordi Bernacer absolviert: Im Trio (mit dabei der hingebungsvolle Tenor Arturo Chancon-Cruz) gab sich Domingo Lehárs Lippen schweigen hin, er, der Garant für ein fast volles Opernhaus, er, der nicht aufhört: Im Juni 2022 debütiert der 80-Jährige im Grazer Musikverein – beim konzertanten Nabucco. (Ljubiša Tošić, 16.11.2021)