In normalen Zeiten würde man sich jetzt in Washington oder Peking die Hand reichen – in Corona-Zeiten muss ein Winken in die Kamera genügen.

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Wenn gar nichts mehr geht zwischen den Supermächten USA und China, dann gibt es immer noch das Feigenblatt "Klimawandel". Dass dessen Bekämpfung wichtig ist und dies nur mit mehr Kooperation zwischen Peking und Washington möglich ist, das betonten die beiden mächtigen Männer, Joe Biden und Xi Jinping, bei ihrem virtuellen Gipfeltreffen in der Nacht auf Dienstag (MEZ).

Einig waren sich beide auch darin, dass ein Konflikt – womit wohl eine militärische Konfrontation gemeint war – vermieden werden müsse. Biden sagte, er wolle "dafür sorgen, dass der Wettbewerb zwischen unseren Ländern nicht in einen Konflikt ausartet – ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt".

Und auch die chinesische Außenamtssprecherin Hua Chunying twitterte, das Treffen sei "weitreichend, tiefgehend, freimütig, konstruktiv, substanziell und produktiv".

Wenn chinesische Diplomaten und Regierungsmitglieder twittern, hat das stets eine leicht absurde Note, denn der Kurznachrichtendienst ist in China verboten. Gerade erst wurde bekannt, dass Peking die Regeln für Virtual Private Networks (VPNs) verschärfen will. Das sind kleine Programme, mit denen Chinesen zumindest theoretisch die strenge Zensur der KP umgehen könnten.

Blumige Floskeln

Insgesamt tauschten die Präsidenten vor allem wohlklingende Floskeln aus: Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua zitierte Xi mit den Worten, es sei wichtig, "einen Konsens zu bilden und aktive Schritte zu unternehmen, um die Beziehungen zwischen China und den USA in eine positive Richtung zu bewegen". Ähnlich blumig äußerte sich Biden: Beide Seiten müssten "konstruktiv mit ihren Differenzen umgehen, um zu verhindern, dass die chinesisch-amerikanischen Beziehungen vom Kurs abkommen und außer Kontrolle geraten".

Konfliktpotenzial nämlich gibt es genug. Nach der Abwahl von Donald Trump hoffte man in Peking, das Verhältnis werde sich weiter entspannen. Beobachter sind sich einig, dass die Beziehungen so schlecht sind wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

1979 nahmen die USA erstmals offiziell Beziehungen zum kommunistischen Regime in Peking auf. Dem vorausgegangen war der strategische Meisterzug Richard Nixons und seines Außenministers Henry Kissinger: Um Moskau strategisch zu schwächen, löste man die Volksrepublik aus dem sozialistisch-kontinentalen Block heraus und machte sie zu einer Art Verbündeten. Um dieses geostrategische Überraschungsmanöver einzufädeln, war Kissinger 1971 sogar heimlich von Pakistan nach Peking geflogen. Der Preis war die Aufgabe des Alleinvertretungsanspruchs Chinas durch die Regierung in Taiwan.

Wie ein Bumerang

Die Ereignisse von vor 50 Jahren sind in den vergangenen Monaten wie ein Bumerang nach Washington zurückgekehrt. Die Sowjetunion ist längst zerfallen, der neue geopolitische Großgegner ist nun Peking, und in der Taiwan-Frage spitzt sich das Verhältnis zwischen alter und neuer Supermacht zu. So oft wie noch nie haben in den vergangenen Monaten Jets aus dem Festland den Luftraum Taiwans verletzt. Die Annexion der in Pekings Augen "abtrünnigen Provinz" ist erklärtes Ziel von Xi Jinping.

Die Konfrontation ist längst im Gange. Ob man von einem Krieg sprechen will, hängt von der eigenen Definition ab: Nein, noch treffen die Supermächte nicht militärisch aufeinander. Der Konflikt findet auf anderen Ebenen statt: wirtschaftlich, kulturell, informell.

Dass man im Klimaschutz doch gut zusammenarbeiten könne und müsse, ist das Feigenblatt dieses längst tobenden Krieges. Am selben Tag wurde bekannt, dass in China gerade so viel Kohle gefördert wird wie seit sechs Jahren nicht mehr. In den vergangenen Monaten explodierten die Kohlepreise, nachdem Peking einen Boykott gegen australische Kohle verhängt hatte. Das Land bezieht nach wie vor über 60 Prozent seines Stromverbrauchs aus dreckiger Kohle. (Philipp Mattheis aus Schanghai, 16.11.2021)