IBM hat den ersten Quantenprozessor mit über 100 Qubits vorgestellt.

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Laut Ansicht vieler Forscher, aber auch Technologiekonzerne steuern wir langsam, aber sicher auf das Zeitalter der Quantencomputer zu. Diese versprechen aufgrund ihrer Funktions- und Bauweise eine fundamental höhere Rechenleistung, wenngleich viele der Errungenschaften bisher theoretisch, da auf eng definierte Aufgaben beschränkt waren. Keinen Zweifel an der kommerziellen Nutzbarkeit hegt IBM. Am Dienstag stellte der Konzern den ersten Quantenprozessor mit über 100 Qubits sowie diverse Einsatzmöglichkeiten vor.

Auf der Suche nach dem Wunderakku

"Quanten-Computing ist nicht Science-Fiction, es ist einfach Science", spielte IBM-Forschungsdirektor Darío Gil bei der Präsentation auf die wissenschaftlichen Errungenschaften der vergangenen Jahre an. Der auf den Namen Eagle getaufte 127-Qubits-Prozessor ist ein Zwischenschritt zu den nächsten Generationen. Im kommenden Jahr sollen mit Osprey 433 Qubits folgen, um schließlich im Jahr 2023 mit dem geplanten Prozessor Condor die 1.000-Qubits-Marke zu knacken. Das unmittelbare Wertschöpfungspotenzial schätzt IBM auf drei Milliarden Dollar in den kommenden Jahren.

IBM Research

Potenzielle Einsatzmöglichkeiten, wo Quantencomputer herkömmliche Supercomputer in den Schatten stellen könnten, gibt es viele. Der deutsche Autokonzern Mercedes-Benz nutzte die Präsentation, um eine Partnerschaft mit IBM bekanntzugeben. Mithilfe des jetzt vorgestellten Quantenprozessors und darauf abgestimmter Simulationssoftware will Mercedes einen Durchbruch bei Akkutechnologien erzielen. Leistungsfähigere Batterien spielen beim Umstieg auf Elektroautos eine entscheidende Rolle.

"Wir wissen nicht, wie eine Batterie funktioniert"

"Das mag jetzt vielleicht seltsam klingen, aber wir wissen nicht, was in einem Akku auf molekularer Ebene abläuft", sagt die IBM-Quantenforscherin Jeanette Garcia. Da auch die stärksten Supercomputer der Welt nicht in der Lage seien, die komplexen Interaktionen zwischen Elektronen und den im Akku vorhandenen Molekülen akkurat zu simulieren, müsse man auf der Suche nach dem Akku der nächsten Generation auf Trial and Error, also ständiges Ausprobieren, Verwerfen, Adaptieren setzen.

Die verfügbaren Algorithmen, um chemische Reaktionen vorherzusagen, seien in Kombination mit herkömmlicher Rechenleistung viel zu ungenau, um schnell Fortschritte zu erzielen. Deswegen dauere die Forschung etwa im Batteriebereich Jahrzehnte, erklärt Garcia. Mit der neuen Generation an Quantenprozessoren will Mercedes neue Batterietechnologien abseits von Lithium-Ionen finden.

Von Medikamenten bis Licht

Weitere Einsatzmöglichkeiten für Quantentechnologie, die IBM mit Geschäftspartnern vorstellte, sind die schnellere Entwicklung von Medikamenten oder auch Impfstoffen sowie die Optimierung von Logistikabläufen. Exxonmobil etwa will unnötige Wege von Frachtschiffen verhindern, müsste dazu aber eigenen Angaben zufolge Milliarden von Datensätzen sowie die potenzielle Auswirkung damit zusammenhängender Entscheidungen in eine Simulation einfließen lassen. Das werde erst mit Quantencomputern möglich.

IBMs Roadmap für die nächsten Quantenprozessoren.
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Ein weiterer Anwendungsbereich ist die Forschung an neuen, noch energieeffizienteren Beleuchtungsmitteln. In einer Forschungskooperation mit IBM wollen die japanischen Unternehmen Mitsubishi Chemical und JSR Corporation neue OLED-Materialien finden, die Anklänge an der Natur nehmen. Als Vorbild gelten Glühwürmchen und andere Organismen, die über Biolumineszenz besonders energieeffizient "Licht" erzeugen können. Auch dabei sind hochkomplexe Simulationen und Analysen auf molekularer Ebene notwendig, an denen traditionelle Computer meist scheitern. (step, 17.11.2021)