Digitale Karten als potenzielle NFT-Wertgegenstände, die man künftig für Echtgeld mit anderen Spielern tauschen kann.

Foto: EA

Warum sollte man sich als Gamer für Non-Fungible Tokens (NFTs) interessieren? "Ich will doch nur spielen," werden manche sagen. Zugegeben, für Lootboxen und Microtransactions hat sich auch keiner interessiert – und plötzlich waren sie da und haben der Branche und vor allem den Spielern viel Leid zugefügt. Deshalb lohnt ein Blick auf den nächsten Hype, den Ubisoft, Electronic Arts und Square Enix als "die Zukunft der Videospiele" feiern. In diesem Artikel soll es um Aufklärung gehen. Welche Chancen bietet die Technologie und welche Gefahren? Anhand von praktischen Beispielen soll zudem die Thematik greifbarer gemacht werden.

Was sind NFTs?

Digitale Güter sind schwierig zu schützen. Dies betrifft sowohl Urheberrecht als auch die Frage des Besitzes. Rechte Maustaste, "speichern unter" drücken, und schon hat man eine 1:1-Kopie erstellt – zumindest bei simplen Bildern oder Audiodateien im Netz. Non-Fungible Tokens sind Echtheitszertifikate für solche digitalen Kunstwerke, mit denen das Original auf einer Blockchain registriert wird, und alle Käufe und Verkäufe werden dort dokumentiert. Somit gibt es am Ende ein verfolgbares Original, alle anderen Exemplare bleiben Kopien.

Was eine Blockchain ist und wie die Prozesse im Hintergrund funktionieren, muss man an dieser Stelle nicht erklären oder verstehen – wichtig ist, dass man mithilfe von NFTs Einzelstücke oder auch eine limitierte Anzahl an Gegenständen, etwa für Spiele, generieren und diese dann verlosen oder verkaufen kann. Der Besitz wechselt damit, und der neue Eigentümer kann entscheiden, was er damit macht. So kann es als Anlage behandelt werden, die vielleicht in zehn Jahren das x-Fache wert ist – oder man nutzt es aktiv, etwa als Waffe oder Rüstung in einem Spiel.

Praktische Beispiele

"Wo diese Technologien wirklich Sinn machen könnte, wäre bei Spielen, in denen Dinge digital gekauft wurden," sagt Alexander Pfeiffer, Leiter des neuen Emergent Technology Labs an der Donau-Universität Krems und langjähriger Forscher im Bereich Blockchain und digitale Spiele. So könnten etwa die beliebten Fifa-Ultimate-Team-Karten, für die Spieler jedes Jahr hunderte Euro ausgeben, als NFTs tatsächlich den Besitzer wechseln. Bisher wurden diese Karten mit Ingame-Währung bezahlt, die davor mit Euros gekauft wurde. Gültig waren die Karten nur in einem bestimmten "Fifa"-Spiel, im Folgejahr musste man alle Karten neu kaufen.

Wären die Karten NFTs, würden sie also wirklich in den Besitz der Spieler wandern, könnte Electronic Arts die Möglichkeit bieten, diese Karten dann im Folgejahr erneut einzusetzen. Weitere Beispiele wären etwa Spiele, deren Server deaktiviert wurden, deren Welt selbst aber irgendwann neu aufgegriffen wird. Mit NFTs könnte man die Möglichkeit schaffen, "die Daten der Spieler zu importieren und den Spielspaß so zumindest potentiell weiterführen" zu können, so Pfeiffer.

Das Übertragen von Spieldaten würde selbstverständlich heute schon funktionieren, aber gerade Games, in denen es um wertvolle Gegenstände oder Karten geht, waren seit jeher eine große Angriffsfläche für Hacker. Pfeiffer: "Egal ob man von der Sicherheit von Account-Daten oder Ingame-Items spricht. Richtig implementiert, könnten die neuen Technologien Cybercrime im Gaming massiv reduzieren." Entwickler könnten dadurch mutiger werden, digitale Wertgegenstände von einem Spiel ins nächste transferierbar zu machen.

Markt existiert bereits

Ubisoft und Co wären nicht die Ersten, die sich an NFT-Games versuchen. Der Markt existiert bereits, allerdings finden sich dort vor allem kleinere Blockchain-Start-ups, die sich im Bereich Gaming mit ihren Ideen versuchen. Wenn man sich ein paar Beispiele ansieht, wird schnell klar, warum auch die großen Gaming-Publisher hier Potenzial sehen.

NFT-Ausrüstung selbst verdienen und dann die Möglichkeit haben, diese an andere Spieler zu verkaufen. Im Spiel "Litebringer" jetzt bereits möglich.
Foto: Cipsoft

Da wäre etwa das Rollenspiel "Litebringer", das bereits den Innovationspreis des Deutschen Entwicklerpreises gewonnen hat und sich selbst als "erstes echtes Litecoin-Game" feiert.

Als Spieler schickt man seinen Charakter auf Missionen, von denen er hoffentlich mit Beute zurückkehrt. Diese kann dann behalten oder aber an andere Spieler verkauft werden – um Kryptogeld. Viel Spiel ist derzeit nicht vorhanden, das Game lockt vor allem mit dem Handels-Feature. Kostenlos ist "Litebringer" übrigens nicht. Man zahlt einen Euro pro Monat, um mitspielen zu dürfen.

In vielen Shootern, darunter auch "Fortnite", verdient der Entwickler bereits Millionen mit dem Verkauf von digitalen Kostümen, die ohne spielerischen Wert sind.
Foto: Riot Games

Es gibt auch schon ein Kartensammelspiel im "Fifa"-Universum, genannt "Sorare". Mit bekannten Gesichtern wie Andre Schürrle und Antoine Griezmann als Investoren, können Spieler hier für echtes Geld Karten handeln – ähnlich alten Panini-Tauschgeschäften am Schulhof. Es gibt noch unzählige weitere Beispiele, die bereits ihre Communitys gefunden haben und auf dem aktuellen NFT-Hype gut mitschwimmen.

Den Einstieg von großen Unternehmen in diesen Hype-Train findet der Blockchain-Enthusiast und Kryptokunst-Sammler Bernhard Nessler nachvollziehbar – für die Entwicklung der Technologie seien EA und Co aber nicht nötig: "Wenn ich als Spieler die Wahl habe zwischen zwei komplett identen Fußballkartenhandelsspielen, die auch in Sachen Spielspaß, Grafik und was sonst noch alles dazugehört, ident sind, dann spiele ich zu 100 Prozent lieber das Spiel, wo ich mir ein paar meiner eingesetzten Euros auch wieder zurückholen kann."

Wert von virtuellen Gütern

Gamer haben längst den Wert von virtuellen Gütern erkannt, auch wenn diese gar keine Vorteile im Spiel bringen. Spiele wie "Fortnite" erzielen Millionengewinne allein durch kosmetische Güter. Das gerade in die Beta gestartete "Halo Infinite" darf im Multiplayer erstmals in der 20-jährigen Geschichte gratis gespielt werden. Warum? Weil es einen sehr großen Shop gibt, in dem man seinen Charakter individualisieren kann. Das Konzept der virtuellen Verschönerung funktioniert, das haben die letzten Jahre bewiesen.

Aber warum sollten Publisher wie Electronic Arts oder Ubisoft auf Einnahmen verzichten, die sie derzeit durch den Verkauf von digitalen Gegenständen und Spielkarten verbuchen? Wenn der Gegenstand nur einmal verkauft oder sogar erspielt werden kann, bleibt der Handel ab diesem Zeitpunkt außerhalb des Umsatztopfes vom Publisher selbst – ein Minusspiel, oder? Dem ist nicht ganz so, wie Nessler erklärt. "Bei Kunst, die als NFT verkauft wird, haben sich die Künstler einen Prozentsatz von zehn Prozent des Sekundärverkaufspreises hart erkämpft und ihn quasi zum Standard definiert."

Die meisten Anbieter halten sich aktuell an diese Vereinbarung, auch wenn der rechtliche Rahmen noch fehlt. Das würde heißen, dass EA und Co bei jedem Transfer, auch unter Spielern selbst, mitverdient, da sie der Ersteller des NFTs sind. Um auf die Karten von "Fifa" zurückzukommen, könnte EA auch mitverdienen, wenn Spieler untereinander Karten handeln, oder Gebühren einführen, wenn man etwa Karten in ein späteres "Fifa" mitnehmen will. Langfristig würde das also heißen, dass zusätzliche Umsätze sehr wohl erzielt werden können.

Um den Mainstream zu erreichen, müssen die Hürden – auch bezüglich Krypto-Wallets – möglichst gering gehalten werden. Hier müssen die Spielehersteller ähnlich wie Facebook und Co agieren und ihre Logins auf mehreren Ebenen gültig machen.
Foto: Meta, Twitter, Google

Auch für Spieler könnte das ein neuer Motivationsaspekt werden, wenn man selbst zum NFT-Ersteller in Spielen werden könnte. Kreative Menschen könnten dann für "Forza" Autobemalungen als NFT anbieten und diese weiterverkaufen, selbiges ließe sich auch mit Waffenskins in "Counterstrike" vollziehen.

Die Möglichkeiten scheinen mannigfaltig, wird die Technologie künftig richtig und fair eingesetzt. Kostenlose Inhalte würden sich dann aber aufgrund von Geldgier wohl schnell erledigen. Warum eine Strecke umsonst bauen, wenn ich dafür auch Geld verlangen kann? Es könnte schnell eine negative Eigendynamik bekommen und Kreativität zwar beflügeln, aber immer hinter eine Paywall setzen.

Kein Wallet, kein Geld

Größte Hürden für den Schritt in den Massenmarkt sind mit Sicherheit das derzeit fehlende Wissen um die Thematik und die damit verbundene Skepsis. Dies sei aber nur eine Frage der Zeit, sagt Nessler: Auf vielen Webseiten und Diensten von Drittanbietern kann man sich ja seit langem schon mit seinem bestehenden Google- oder Facebook-Account verbinden, ohne dort einen neuen User-Account erstellen zu müssen. So wird es dann auch mit den Kryptowallets gehandhabt." Guthaben für ein Spiel könne man dann aus dem eigenen Wallet, sofern es das Spiel unterstützt, ziehen, oder die Publisher finden auch hier einen Weg, einen Account für mehrere Zwecke zu verwenden.

Noch distanziert sich Microsoft von NFTs, gegen Onlineshops, wo man jetzt schon viel Geld investieren kann, hat aber auch der Xbox-Konzern nichts einzuwenden.
Foto: Microsoft

"In naher Zukunft wird die Blockchain im Hintergrund laufen, und das, was wir sehen, wird so aussehen, wie alles, was wir bisher kennen." Der Unterschied sei laut Nessler allein das Mehr an Transparenz für den Nutzer. Kryptowährungen werden deshalb, im Gegensatz zu heute, in diesem Umfeld nicht mehr als Investment wahrgenommen, sondern als Möglichkeit, Dinge zu bezahlen. Statt das Playstation-Guthaben via Plastikkarte aus dem Supermarkt aufzufüllen, bezahle ich online mit meiner Kryptowährung.

Vorsicht geboten

Wenn CEOs und Marketingverantwortliche von großen Konzernen mit leuchtenden Augen von NFTs sprechen, dann darf man als Spieler Sorgen gegenüber dieser Entwicklung äußern. Würden im Hintergrund die Prognosen nicht von einem Mehr an Umsatz sprechen, würden Electronic Arts und Co nicht diesen Weg beschreiten wollen. Geld verdienen ist aber legitim, schließlich sollen die Publisher auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Spiele veröffentlichen. Sinnvolle Einsatzmöglichkeiten von NFTs gibt es.

Sensible Daten könnten künftig besser geschützt werden. Erspielbare Gegenstände könnte man aus bisher zentralisierten Umgebungen lösen und als Spieler entscheiden, wo man sie sonst noch einsetzen möchte. Es gibt viele Gedankenspiele, die man in den nächsten Jahren ausprobieren wird können. Noch, und da sind sich alle Experten einig, wird die Implementierung von NFTs in Spiele den Mainstream aber nicht erreichen. "Blockchain, NFTs und Kryptowährungen sind im Moment in aller Munde und werden bereits als nächster großer Schritt in der Internettechnologie gefeiert," sagt Dietmar Hauser, der in den letzten 20 Jahren als Programmierer bereits für Studios wie Deep Silver, Ubisoft oder Epic Games gearbeitet hat und zudem für die österreichische Interessensvertretung PGDA tätig ist.

Das fehlende Wissen beim Konsumenten ließe sich aktuell hervorragend für Marketingzwecke ausnützen, um auf der Hypewelle mitzuschwimmen. "Das heißt aber nicht, dass die Publisher bereits an praktischen Einsatzmöglichkeiten forschen", vermutet Hauser. Derzeit seien die Vorteile für Spieler noch im Bereich "Gimmick" zu sehen, bis auf wenige Ausnahmen. Was sich davon am Markt am Ende behaupten wird, könne man heute noch nicht sagen.

Auch Alexander Pfeiffer warnt vor aktuellen Projekten, die oftmals mit Dingen werben, die so nicht stimmen und nur Buzzword-Bingo sind. Es sei noch sehr viel Aufklärungsarbeit nötig, damit Spieler nicht auf Betrugsplattformen oder Marketinggags hereinfallen würden.

In diese Kerbe schlägt auch Xbox-Chef Phil Spencer in einem aktuellen Interview: "Es gibt derzeit viele Spekulationen und viele Experimente, was NFTs betrifft, und vieles davon klingt für mich derzeit noch nach Ausbeutung und weniger nach Unterhaltung." Man befinde sich bei der Thematik derzeit noch auf einer Reise, alle Aspekte der neuen Materie kennenzulernen. Abschreiben will aber auch Spencer die neue Technologie nicht. Man werde die Entwicklung deshalb beobachten. Mehr kann man als geneigter Spieler derzeit leider auch nicht machen. (Alexander Amon, 22.11.2021)