Die vierte Welle ist voll im Gange. Die Impfquote muss steigen, und die dritte Impfung steht für viele an. Damit ergeben sich Fragen für die Bevölkerung.

Florian Krammer beantwortet Fragen der STANDARD-Community.
Foto: Sebastian Krammer

Die STANDARD-Community hat nun wöchentlich die Möglichkeit, Fragen an Florian Krammer, Virologe und Impfstoffforscher an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York, im Forum zu stellen. Ausgewählte Postings mit Antworten werden danach veröffentlicht. Diese Woche geht es vor allem um den dritten Stich: Wann ist der beste Zeitpunkt, welche Kreuzimpfungen sind sinnvoll, und was hat es mit niedrigen Antikörperwerten nach der dritten Impfung auf sich?

Antwort: Der Unterschied zwischen Pfizer/Biontech und Moderna ist grundsätzlich nicht besonders groß. Es gibt zwar Studien, die zeigen, dass Moderna möglicherweise länger schützt, aber für die Booster-Dosis ist das wahrscheinlich wenig relevant – vor allem, weil nur die halbe Moderna-Dosis für die Booster-Impfung verwendet wird (50 ug RNA statt 100 ug). Und damit ist die Dosis fast gleich wie die von Pfizer/Biontech (30 ug RNA). Aber wie gesagt, das Immunsystem zu "boosten" ist ohnehin leichter, als eine primäre Immunantwort auszulösen.

Welche Fragen haben Sie an den Impfstoffforscher Florian Krammer?
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Also: Nehmen Sie, was Sie kriegen können, solange es ein mRNA-Impfstoff ist. Einzige Ausnahme sind unter 30-Jährige, da wird vom Nationalen Impfgremium (NIG) Pfizer/Biontech empfohlen, weil Moderna eher Herzmuskelentzündungen in der Altersgruppe hervorruft. Die Information findet man auch in Tabelle 2 der Anwendungsempfehlung des Nationalen Impfgremiums.

Antwort: Nach der zweiten Impfung kommt es zu einer starken Stimulation des Immunsystems, Antikörpertiter sind sehr hoch, es passiert viel in den Lymphknoten, langlebige Plasmazellen werden gebildet und migrieren ins Knochenmark. Mittlerweile wissen wir, das der Prozess etwas dauert. Kollege Ali Ellebedy hat dazu wahnsinnig schöne Daten. Ein längerer Abstand zwischen zweiter Impfung und Booster erlaubt dem Immunsystem, den Prozess zu beenden. Und wenn man dann wieder impft, kriegt man einen maximalen Booster-Effekt. Sechs Monate sind da ein vernünftiges Intervall. Fünf Monate sind vermutlich auch kein Problem. Zwei oder drei Monate sind vermutlich suboptimal, und es kommt auch ein bisschen auf das Individuum an. Aber sechs Monate sind ein guter Abstand.

Zum letzten Punkt: Daten ändern sich, wir lernen nach wie vor viel. Und wenn sich Daten ändern, dann muss man die Richtlinien ändern. Man muss das Ganze auch der Situation anpassen. In einer Niedriginzidenzsituation wären die neun bis zwölf Monate (oder gar nicht boosten) vielleicht ganz okay. In einer Hochinzidenzsituation wie momentan macht ein Booster in einem kürzerem Intervall Sinn. Und vier Monate sind am Ende vielleicht nicht ideal, bauen aber jetzt, inmitten einer starken Infektionswelle, zusätzlichen Schutz auf. Übrigens: Der zusätzliche Schutz durch eine Booster-Impfung setzt sehr schnell, schon nach sieben bis zehn Tagen, ein.

Antwort: Die meisten Menschen induzieren sehr starke Immunantworten nach den mRNA-Covid-19-Impfungen und im Speziellen nach der zweiten und dritten (Booster-)Dosis. Allerdings kommt es schon mal vor, das jemand weniger stark reagiert. Wir wissen mittlerweile, dass die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit steigendem Antikörpertiter sinkt, siehe hier und hier. Das heißt aber nicht, dass eine Person mit etwas niedrigeren Antikörpertitern nicht geschützt ist. Wichtig ist, dass das Immunsystem trainiert wurde und Gedächtniszellen gebildet wurden. Vor allem darauf kommt es beim Schutz vor schweren Erkrankung an – siehe Unterscheidung hier zwischen Schutz vor Infektion versus Schutz vor schwerer Erkrankung.

Welche Fragen beschäftigen Sie rund um Corona, Impfung und virologisches Geschehen? Ausgewählte Fragen aus dem Forum werden von Florian Krammer wöchentlich beantwortet. (Judith Wohlgemuth, 22.11.2021)