Weltweite Engpässe bei Hartweizen machen Teigwarenherstellern zu schaffen. Sie zeigen bei Preisverhandlungen Biss.

AFP / Vincenzo Pinto

Wien – Er sei seit gut 40 Jahren im Geschäft und kein Pessimist, sagt Joachim Wolf. Aber so was wie jetzt habe er bisher noch nie erlebt. "Es kann nur besser werden." Wolf produziert in Güssing mit rund 100 Mitarbeitern Teigwaren für den Einzelhandel. Sechs Jahre lang habe seine Branche die Preise nicht erhöht, obwohl die Lohnkosten jährlich stiegen. Das lasse der Markt nun nicht mehr länger zu: "Nudeln werden sich auch in Österreich um zehn bis 15 Prozent verteuern müssen." Große italienische Marken wie Barilla verlangen im Handel bereits für eine Packung um 30 Cent mehr.

Wolf beobachtet die nahezu ungebremst steigenden Preise für Rohstoffe und Energie mit Kopfschütteln. Im Oktober erreichte die Inflationsrate hierzulande 3,7 Prozent. Es ist der höchste Wert seit 13 Jahren. Treiber der Teuerung sind vor allem Sprit und Heizöl. Für Lebensmittel gaben Haushalte unterm Strich nur um 1,1 Prozent mehr aus.

Engpass an Hartweizen

Das klingt zwar verdaubar, kann viele Konsumenten dennoch belasten. Noch mehr, wenn es um Grundnahrungsmittel geht. Nudeln reagieren so sensibel wie kaum andere Lebensmittel, die in aller Munde sind, auf die jüngsten Kapriolen der Weltmärkte. Und sie geben einen Vorgeschmack auf das, was anderen Branchen noch bevorstehen könnte.

70 Prozent der Kosten einer Nudel machen ihre Rohstoffe aus. Zum Verhängnis wird ihr Hartweizen, an dem weltweit derzeit bis zu drei Millionen Tonnen fehlen. Kanada liefert zwei Drittel des weltweiten Bedarfs. Nach Hitzewellen und massiver Trockenheit fiel die Hälfte der Ernte aus. Zugleich sind weltweite Vorräte an Weizen so gering wie seit sechs Jahren nicht mehr.

Horten in der Krise

Die Lockdowns der Krise ließen Konsumenten Teigwaren im großen Stil horten. In der schnellen Küche des Homeoffice erleben sie einen bis heute ungebrochenen Boom.

Die Preise für Hartweizen haben sich auf mehr als 550 Euro pro Tonne verdoppelt, rechnet Wolf vor. Das bringe vor allem jene Teigwarenanbieter in die Bredouille, die den Handel bisher mit Billignudeln für 60 bis 7o Cent das Kilo versorgten.

Der Preisschock lässt allen voran Italien bangen. Im Land der Pasta stehe das Schlimmste noch bevor, warnen Analysten: Einige Verarbeiter liefen Gefahr, ihre Fertigungsstraßen in den kommenden Monaten stoppen zu müssen.

Dieses Schicksal bleibt der österreichischen Pastabranche in jedem Fall erspart. Sie habe aus vergleichbaren Turbulenzen während der Finanzkrise 2008 gelernt, sagt Martin Terzer, Chef von Recheis.

Bauern unter Vertrag

Wie Wolf kauft auch Österreichs größter Nudelhersteller Hartweizen ausschließlich im eigenen Land: Die Liefermengen sind vertraglich abgesichert. Und wie Wolf sieht auch Terzer Österreich derzeit auf keinerlei Versorgungsprobleme zusteuern – auch wenn weltweit ein Drittel des Hartweizens fehle. Dass die Getreidepreise, die sich an internationalen Börsen orientieren, verrückt spielten, daran lässt er keine Zweifel.

Um wie viel Prozent Lebensmittelhändler Teigwaren in den nächsten Wochen letztlich verteuern, obliege diesen, sagt Terzer. Dass Pasta in niedrigen Preiseinstiegslagen aus vielen Regalen verschwinden werde, so lange, bis sich die Lage an den Rohstoffmärkten entspannt, hält er für sehr wahrscheinlich.

Die Österreicher essen im Jahr im Schnitt der Statistik Austria zufolge sechs Kilo Nudeln pro Kopf. Italiener kommen auf gut 23 Kilo. Steigen die Preise dafür, dämpft das in wohlhabenden Ländern die Nachfrage. Viel härter trifft es Schwellenländer.

Schwellenländer unter Druck

Haushalten in Nordafrika etwa stehen Teuerungen für mit Hartweizengrieß hergestelltes Brot von bis zu einem Viertel bevor. Auch für Couscous und Bulgur ist künftig deutlich mehr zu bezahlen.

Der Bedarf der Österreicher an Pasta wird zu einem Drittel von Recheis gedeckt. Der Tiroler Familienbetrieb stellt in fünfter Generation jährlich 18.000 Tonnen davon her. 100 Mitarbeiter setzen heuer 35 Millionen Euro um. Barilla hält rund ein Fünftel des Marktes. Wolf ist mit 14 Millionen Euro Umsatz drittgrößter Hersteller des Landes.

Flut und Ebbe

Die Ausgangssperren 2020 zu Beginn der Pandemie, als der Bedarf an Teigwaren explodierte, brachten das burgenländische Unternehmen an die Grenzen der Belastbarkeit. Im Zweischichtbetrieb sieben Tage die Woche lief die Produktion auf Hochtouren. "Wir gingen auf dem Zahnfleisch", erinnert sich Wolf. Ab Juni war Ebbe. Die Speisekammern waren voll. Die Österreicher kamen mit dem Kochen nicht mehr nach.

In der Welt der Pasta tummeln sich neben großen Traditionsbetrieben zahlreiche regionale Spezialisten. Was zählt, sind starke eigene Marken. Hans Peter Aigner braucht diese nicht und ist in seiner Nische dennoch unabkömmlich. Der Oberösterreicher bedient mit seiner Innviertler Teigwaren GmbH den heiklen, doch stabilen Markt der Biobabykost. Sein Betrieb ist hochautomatisiert, sagt er. An Preiserhöhungen im zweistelligen Prozentbereich sieht aber auch er keinen Weg vorbei. Nicht nur Weizen, auch Energie, Verpackung und Logistik hätten sich massiv verteuert. "Keiner, ob groß oder klein, kann das mehr schlucken." (Verena Kainrath, 18.11.2021)