Bild nicht mehr verfügbar.

Ivermectin wirkt laut Fachleuten nicht gegen Covid-19.

Foto: AP Photo/Mike Stewart

Wien – Zahlreiche Institute und Einrichtungen wie die Weltgesundheitsorganisation haben schon vor der Einnahme des Antiwurmmittels Ivermectin bei Covid-19 gewarnt, nun tut das auch der Hersteller selbst. MSD (Merck Sharp & Dohme) hat sich via Aussendung am Mittwoch "im Einklang mit den gängigen medizinischen Empfehlungen klar gegen die Einnahme von Ivermectin (Stromectol) bei Covid-19" ausgesprochen. Der Ratschlag, das Wurmmittel einzunehmen, kam unter anderem von FPÖ-Chef Herbert Kickl, laut Experten kann er dafür aber nicht rechtlich belangt werden.

"Keine aussagekräftige Evidenz"

"Es gibt keine aussagekräftige Evidenz für die Anwendung von Ivermectin (Stromectol) bei Sars-CoV-2", betont MSD. Bei Corona-Leugnern und Impfgegnern wird das Mittel, das hauptsächlich in der Veterinärmedizin verwendet wird, beworben, auch der mittlerweile Coronavirus-positive FPÖ-Chef Kickl hat es propagiert.

MSD warnt nun, dass zusätzlich zur fehlenden Zulassung und Wirkung die Möglichkeit schwerer Nebenwirkungen zu bedenken sei. "Lieferengpässe durch den missbräuchlichen Einsatz von Ivermectin behindern darüber hinaus die korrekte Behandlung parasitärer Erkrankungen", wurde Christoph Steininger von der Medizinischen Universität Wien zitiert. Bei einer Überdosierung könne Ivermectin toxisch wirken, warnten schon zuvor Experten.

In Österreich soll es bereits Vergiftungsfälle bei Menschen gegeben haben. Laut einem Bericht der "ZiB 1" vom Mittwoch liegt eine Oststeirerin aufgrund einer Überdosis Ivermectin auf der Intensivstation. Ein Sprecher der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft (Kages) kann gegenüber dem STANDARD wegen des Datenschutzes keine genaueren Angaben machen, nur so viel: Die Frau werde nach wie vor intensivmedizinisch behandelt, sei derzeit aber außer Lebensgefahr.

ORF

MSD betont in seiner Aussendung, dass die Corona-Impfung "bei der Pandemiebekämpfung an erster Stelle steht und MSD alle Maßnahmen zu einer höheren Durchimpfungsrate unterstützt".

Auch andere Vergiftungsfälle habe es dieses Jahr bereits gegeben, heißt es vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (Basg), das ausdrücklich vor einer Einnahme von Ivermectin zur Behandlung von Covid-19 warnt.

Gerücht über vergiftete Familie falsch

Am Mittwochabend kursierte auf Twitter das Gerücht, dass gleich eine ganze Familie aus dem Bezirk Rohrbach in Oberösterreich wegen einer Überdosis des Mittels habe behandelt werden müssen: Der Vater sei bereits gestorben, die Mutter und zwei Kinder lägen mit Multiorganversagen auf der Intensivstation. "Wir können diesen Tweet nicht bestätigen, hier handelt es sich wahrscheinlich um Fake-News", sagt dazu die Sprecherin der Oberösterreichischen Gesundheitsholding. Auch in den Kliniken in Linz und in Rohrbach verneint man auf STANDARD-Anfrage, dass diese Patienten auf der Intensivstation lägen. Und auch Bezirkshauptfrau Wilbirg Mitterlehner dementiert.

Corona-Leugner starb, Angehörige meinen wegen "zu wenig" Ivermectin

Die Sprecherin der Gesundheitsholding kann sich das Gerücht nur mit einer Verwechslung erklären. Vor wenigen Tagen sei ein Mann wegen Covid auf die Intensivstation der Klinik Rohrbach gekommen, er wollte aber keine Behandlung und sei auf eigenen Wunsch auf die Normalstation verlegt worden, wo er relativ rasch an Corona verstorben sei. Von zwei männlichen Verwandten, darunter der Sohn des Mannes, hieß es dann zu den Ärztinnen und Ärzten, dass der Mann nur deshalb so schwer erkrankt sei, weil er zu wenig Ivermectin eingenommen habe, erzählt die Sprecherin. "Vielleicht hat jemand von dieser Geschichte gehört – und so kam dann eines zum anderen. Aber die Geschichte mit der Familie, die stimmt nicht."

Die "ZiB 1" berichtet außerdem über einen Mann, der während seiner Corona-Infektion über Wochen eine sehr hohe Dosis Vitamin D zu sich nahm und dann wegen Nierenversagens auf der Intensivstation behandelt werden musste. Die Präparate habe er sich online besorgt.

Die "alternativen Medikamente" von Herbert Kickl

Die Einnahme verschiedener Vitamine und eben auch von Ivermectin hatte FPÖ-Chef Kickl bei einer Covid-Erkrankung empfohlen, wiewohl er betonte, man müsse sich diesbezüglich immer mit dem Hausarzt absprechen. Außerdem verwies er auf "zahlreiche" Expertinnen und Experten, die von der Wirkung der "alternativen Medikamente" überzeugt seien. Wer diese Expertinnen und Experten sind, ließ er jedoch offen.

Auf seiner Seite teilte er aber ein Video von FPÖ-TV, in dem ein Arzt Ivermectin, aber vor allem Vitamin D bei einer Covid-Erkrankung empfahl. Letzteres sei "ganz, ganz wichtig", selber sei er ein "Vitamin-D-Missionar", sagt der Mann. Letztlich müsse "jeder selber entscheiden, wem man glaubt". Das Video hat 120.000 Klicks. In den Kommentaren dazu sind die Kickl-Fans voll des Lobes. Diesem Arzt würde sie "blind vertrauen", schreibt eine Frau. Eine andere meint, die "mächtige herrschende Mafia" habe Ivermectin zurückgezogen.

Keine rechtliche Handhabe gegen Kickl

Der Strafrechtler Frank Höpfel vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Wien sieht keine rechtliche Handhabe gegen derartige Gesundheitstipps des FPÖ-Chefs. Am ehesten treffe auf die Sachlage noch der sogenannte Kurpfuscherparagraf zu, der greife aber nur, wenn eine derartige Gesundheitsberatung gewerblich ausgeübt werde.

Im Gespräch mit dem STANDARD sagt Höpfel: "Die Beratung müsste mit der Absicht gemacht werden, damit Geld zu verdienen." Dass die FPÖ als Partei auch Spenden einnimmt, erfülle diesen Sachverhalt aber nicht. Andere strafrechtliche Delikte, etwa eine Körperverletzung oder die Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten, greifen hier laut Höpfel nicht, dazu fehle es an konkreten Handlungen.

Laut Staatsanwaltschaft Wien seien wegen derartiger Fragestellungen bereits mehrere Anzeigen gegen einen hochrangigen FPÖ-Politiker eingelangt, mangels Anfangsverdachts der Begehung einer strafbaren Handlung sei jedoch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. (Lara Hagen, Gabriele Scherndl, 17.11.2021)