Auf dem Friedhof der Pfarrkirche Köttmannsdorf/Kotmara vas befindet sich das Grab von Matija Prosekar (1860–1927). Er war in der südlich der Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt/Celovec gelegenen Gemeinde Bürgermeister, gründete 1907 die örtliche slowenische Darlehenskasse/Hranilnica in posojilnica und unterstützte den Aufbau des slowenischen Bildungsvereins/Izobraževalno društvo Gorjanci. Die erhaltenen Grabsteine der Familie sind mit slowenischen Inschriften versehen und tragen slowenische Vornamensformen und den Namen Prosekar. Auszüge aus einem Einspruch von Prosekar an die k.k. Landesregierung in Klagenfurt/Celovec im Jahr 1901 zeigen, wie die Verwendung der slowenischen Sprache bereits um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert für Zündstoff sorgte:

Ich war jahrelang Bürgermeister von Köttmannsdorf gewesen, hatte […] stets unbeanstandet meinen Familiennamen nach der slovenischen Rechtschreibung richtig mit ‘Prosekar’ gefertigt, da wurde im Jahre 1893 diese Schreibweise urplötzlich von der k.k. Bezirkshauptmannschaft in Klagenfurt für nicht correct erkannt […]. Dieses veranlasste mich, dass ich vorsichtshalber um die Richtigstellung der Matriken bezüglich meines Familiennamens einschritt. Die Matriken der Pfarren von Köttmannsdorf […] weisen nämlich die verschiedenartigsten Schreibweisen meines Familiennamens auf, von welchen […] keine einzige der slovenischen Orthographie entspricht.
Ich selbst hielt mich gesetzlich für berechtigt meinen Familiennamen der unzweifelhaft slovenischen Ursprungs ist, nach der meiner slovenischen Muttersprache eigenen Orthographie zu schreiben. Gesetz und Praxis bestätigen die Richtigkeit meiner Anschauung. §. 19 der Staatsgrundgesetze über die Rechte der Staatsbürger anerkennt die Gleichberechtigung aller Sprachen im öffentlichen Leben und diesem Grundsatze entsprechend hat das Reichsgerichte […] entschieden, dass der Begriff der Nationalität und Sprache auch die der letzteren etwa eigenthümlichen Schriftzeichen in sich schliesse. Was für die einzelnen Schriftzeichen gilt, muss logisch und folgerichtig für die ganze Orthographie einer Sprache gelten.
[…]

Ich hebe nur noch hervor, dass mein Name in den Matriken auch in der Form "Prossegger" vorkommt. Wendet man hiefür die slovenische Orthographie an, so muss man richtig "Prosekar" schreiben, denn die slovenische Orthographie gestattet die Nebeneinanderstellung zweier gleicher Consonaten nicht und "egger" bei slovenischen Namen ist die Verdeutschung der slovenischen Endung "e-kar". […]

Nationalismus in der Habsburgermonarchie

Zusammenfassend geht es darum, die vielen Versionen seines Namens in eine gültige Schreibweise in seiner slowenischen Muttersprache zu überführen. Die Kärntner Behörden beschuldigten ihn jedoch, seinen Nachnamen rechtswidrig und eigenmächtig geändert zu haben. Der von Prosekar angesprochene Paragraph 19 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger aus dem Jahr 1867 unterstützte aber seine Rechtsmeinung:

"Alle Volksstämme des Staates sind gleichberechtigt, und jeder Volksstamm hat ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität und Sprache. Die Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öffentlichem Leben wird vom Staate anerkannt […]."

Hintergrund dieses Streits ist der um die Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommende Nationalismus. In der Habsburgermonarchie und auch im damaligen Herzogtum Kärnten/Koroška war dieser dadurch gekennzeichnet, dass er die Menschen aufgrund deren Sprache in ethnonationale Gruppen einteilte. Die Konfliktlinien in Kärnten/Koroška verliefen deshalb entlang des Gebrauchs der slowenischen beziehungsweise deutschen Sprache. Es wurde um die Verwendung der Sprache in Schule, Kirche und am Amt heftig gestritten. Obwohl slowenischsprachige Kärntnerinnen und Kärntner seit Jahrhunderten in diesem Gebiet leben und daher auch als autochthone, also alteingesessene Volksgruppe bezeichnet werden, wurden ihnen nicht die gleiche Wertschätzung und Akzeptanz zu Teil, wie ihren deutschsprachigen Landsleuten. Die Geringschätzung der slowenischen Sprache blickt daher auf eine lange Geschichte zurück.

Wie Friedhöfe vom Bedeutungswandel des Slowenischen in Kärnten/Koroška berichten

Der Besuch eines Friedhofes bedeutet einen Spaziergang in die Vergangenheit zu unternehmen. Auf Friedhöfen werden Geschichten erzählt, die Lebenden gedenken der Toten und zeichnen damit auch ein Abbild der Gesellschaft. Aus diesem Grund kann anhand der Friedhöfe im südlichen Teil Kärntens/Koroška untersucht werden, wie sich die Verwendung der slowenischen Sprache in den letzten 100 Jahren veränderte. Friedhöfe sind Erinnerungsorte und Teil der Kärntner Erinnerungskultur, die zweisprachig ist. Auf den Friedhöfen wird die Geschichte des Landes präsentiert und so werden aus privaten Geschichten öffentlich zur Schau gestellte Erzählungen. In Kärnten/Koroška muss jedoch von einem steten Rückgang der Sichtbarkeit des Slowenischen im öffentlichen Raum gesprochen werden. Und dennoch gibt es Überraschungen. So ist eine slowenischsprachige Erinnerungstafel für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs im Eingangsbereich der Filialkirche Linsenberg/Lečja gora, Pfarre St. Michael über Pischeldorf/Slovenji Šmihel, angebracht.

Erinnerungstafel an den Ersten Weltkrieg, Filialkirche Linsenberg/Lečja gora.
Foto: Ferdinand Kühnel

Auf dieser steht: V blag spominj padlim junakom leta 1914–1918 [In sanfter Erinnerung an die gefallenen Helden der Jahre 1914–1918]. Der Friedhof, der die Kirche umgibt, beherbergt keine anderen slowenischen Inschriften. Die Erinnerungstafel ist deswegen von großer Bedeutung, weil sie in einem Gebiet gefunden wurde, das heute nicht mehr dem zweisprachigen Kärnten/Koroška zugerechnet wird, obwohl dort nach dem Ersten Weltkrieg hauptsächlich slowenischsprachige Menschen gelebt haben.

Viele Kirchen verfügen noch über Kreuzwege, Fresken, Prozessionsfahnen oder Volksmissionskreuze in slowenischer Sprache, obwohl auf dem angrenzenden Friedhof bzw. in der Kirche selbst keine slowenischen Spuren mehr zu finden sind. Im Eingangsbereich der Pfarrkirche von St. Martin am Techelsberg/Šmartin na Teholici hängt etwa ein slowenisches Volksmissionskreuz mit der Aufschrift "Reši dušo" [Rette die Seele].

Volksmissionskreuz, Pfarrkirche St. Martin am Techelsberg/Šmartin na Teholici.
Foto: Ferdinand Kühnel

Umgeben ist dieses Andenken von nur deutschsprachigen Erinnerungstafeln für die Gefallenen beider Weltkriege. Außerdem sind in der Kirche die ältesten slowenischen Inschriften in einem öffentlich zugänglichen Gebäude in Kärnten/Koroška in Form eines Freskenzyklus zu finden, der um 1768 entstanden ist. Auf dem dortigen Ortsfriedhof befinden sich zwei slowenische Grabsteine, die an einen Priester (1901) und an im Jahr 1944 gefallene Partisanen erinnern. Durch diese slowenischen Artefakte ist es möglich, eine ehemals zweisprachige Kulturlandschaft zu rekonstruieren.

Unstimmigkeiten bezüglich der Schreibweise von Namen

Die Grabinschriften auf den Friedhöfen geben Auskunft darüber, zu welcher Zeit die ortsansässige Bevölkerung Slowenisch beziehungsweise Deutsch gesprochen hat. Auch damit kann die Geschichte des allmählichen Verschwindens des Slowenischen chronologisch dargestellt werden. Auffallend ist, dass es auf vielen Grabsteinen ein- und derselben Familie zu Unstimmigkeiten über die Namensschreibweise kommt, also zwei und manchmal drei verschiedene Versionen ein- und desselben Namens auf dem Grabstein stehen: Zupančič wird zu Supantschitsch, Božič zu Woschitz und Klanšek zu Klansek beziehungsweise Klanschek. Diese Namensänderungen sind typisch für das zweisprachige Gebiet und bedeuten nicht nur einen Wechsel der Sprache, sondern auch einen Wechsel der ethnischen beziehungsweise nationalen Identität. Überprüft und nachvollzogen werden können sie mittels Pfarrmatrikeln. In diesen, zum Teil ins 16. Jahrhundert zurückreichenden Kirchenbüchern, kann zu Personen geforscht werden, deren Eintragung der Geburt 100 Jahre, der Eheschließung 75 Jahre (sofern die Eintragung nicht eine lebende Person betrifft), oder des Todes 30 Jahre zurückliegen.

Eindeutschung slowenischer Namen

Die Pfarrmatrikeln dokumentieren Namensänderungen für die Zwischenkriegszeit, das nationalsozialistische Regime und die Zeit nach 1945. Viele Namensänderungen fallen in die Zeit nach der Kärntner Volksabstimmung von 1920, als es zu einer ersten starken Germanisierungswelle kam. Die Kärntner Behörden gingen mit diesen Namensänderungen, vor allem wenn eine slowenische Namensform einer deutschen weichen sollte, äußerst großzügig um. Es gab sowohl erzwungene Namensänderungen während der NS-Diktatur als auch "freiwillige", das heißt von den betreffenden Personen selbst eingebrachte Ersuchen um Änderung der Schreibweise der Namen.

Diese "Richtigstellungen" der Namen, wie es zynisch heißt, müssen immer im Kontext der herrschenden politischen Verhältnisse in Kärnten/Koroška gesehen werden. Im Jahr 1941 gab Adolf Hitler die Parole aus "Macht mir dieses Land wieder deutsch!" (Jörg Haider schaltete im Zuge der Kärntner Landtagswahl 2006 Inserate mit dem Slogan "Kärnten wird einsprachig"). Der Leiter des Gauamtes für Volkstumsfragen in Kärnten/Koroška, Alois Maier-Kaibitsch (1891–1958), gab im Juli 1942 die Richtung vor:

"In dem Gebiet nördlich der Karawanken muß deutsch gesprochen werden; mit allen Mitteln ist das durchzusetzen. Es darf nur mehr deutsche Aufschriften geben. In Kirchen, auf Fahnen, Kreuzen, Wegbildern und auf den Grabsteinen der Friedhöfe. Jeder muß sich in den Dienst dieser Aufgabe stellen und windische Aufschriften, wo auch immer befindlich, dem Gauamte für Volkstumsfragen bekannt geben."

Diesen Vorgaben entsprechend wurden etwa slowenische Grabsteine, Inschriften, Kreuzwege oder sonstige Aufschriften entfernt, übermalt oder durch deutsche ersetzt. Der nationalsozialistische Wahn der ethnischen und sprachlichen Säuberung Kärntens/Koroška fand auch seinen Niederschlag in den Pfarrmatrikeln. Darin wurden Namensänderungen zwangsweise verfügt, wie etwa in der Geburtsmatrikel der Pfarre Windisch Bleiberg/Slovenij Plajberk nachzulesen ist:

"Auf Grund der Verordnung des Chefs der Zivilverwaltung in den besetzten Gebieten Kärntens und Krains vom 13. August 1942 […] über die deutsche Schreibweise von Vor- und Familiennamen […] wird die Schreibweise ihres bisherigen Namens Kristijan Kropivnik wie folgt festgelegt: Christian Kropiunik. […]." (14. Jänner 1943)

Beispiele der Eindeutschung

Ein Beispiel für die Eindeutschung von Namen für die Zeit nach 1945 stammt vom Friedhof der Pfarrkirche St. Stefan unter Feuersberg/Šteben, die südöstlich von Eberndorf/Dobrla vas liegt. Für die Elterngeneration, Johan und Marija Eržen wurden slowenische Inschriften und slowenische Namensformen verwendet. Auf dem Grabstein folgen die Kinder Jožef, Robert, Helene und Maria, sowie die Ehefrau von Robert, Helena. Robert Eržen wurde 1905 geboren und verstarb 1982. Am Grabstein ist er jedoch der erste, der eine eingedeutschte Form des Nachnamens trägt.

Die Matrikeln verraten den Grund dafür, da darin der Bescheid der Kärntner Landesregierung von 1972 zu finden ist: "Der hier verzeichnete Familiennamen hat statt Eržen richtig Erschen zu lauten." Robert Erschen ersuchte zur Zeit des Konflikts um die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln offiziell um die Änderung seines Familiennamens, dem auch stattgegeben wurde. Der Ortstafelstreit, der erst im Jahr 2011 beigelegt wurde, eskalierte im September 1972, als die Regierung Kreisky die erstmalige Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln (wie im Staatsvertrag von 1955 Art. 7 vorgesehen) anordnete und durchführen ließ. Daraufhin kam es zum so genannten Ortstafelsturm. Die Exekutive ließ die damaligen Ortstafelstürmer gewähren. Strafrechtliche Konsequenzen gab es keine.

Grab der Familie Eržen/Erschen, Friedhof der Pfarrkirche St. Stefan unter Feuersberg/Šteben.
Foto: Ferdinand Kühnel

Friedhöfe als Zeugen der Homogenisierung

Auf den Kärntner Friedhöfen wird die sich wandelnde Wertschätzung sowie Akzeptanz gegenüber beiden Landessprachen sichtbar. Somit können die Geschichte der Kärntner Sloweninnen und Slowenen und das Verschwinden der slowenischen Sprache aus der zweisprachigen Kulturlandschaft chronologisiert werden. Der Konflikt um die Verwendung der Sprache wurde seitens der Politik bewusst ethnisiert und wirkte sich auf den Sprachgebrauch der Menschen aus. Je geringer die Fürsprache für den gleichberechtigten Status des Slowenischen in Kärnten/Koroška war, desto weniger Menschen wollten auch als "Slowenisch" gelten. Die zwangsweise Germanisierung der Namen und die Entfernung des Slowenischen aus dem öffentlichen Raum trugen ebenso zum Rückgang der Sprache bei. Diesen Wandel spiegeln die Friedhöfe wider, die von einer antislowenischen Kontinuität in unterschiedlicher Ausprägung in Kärnten/Koroška berichten. (Ferdinand Kühnel, 19.11.2021)