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Firmenchef "Bobby" Kotick gerät zunehmend unter Druck.

Foto: Reuters/Danny Moloshok

Es geht weiter Schlag auf Schlag bei Activision-Blizzard. Ein umfassender Bericht des "Wall Street Journal" gab vor kurzem weitere Einblicke in den Sexismusskandal, der den Konzern seit dem Frühsommer erschüttert. Wegen jahrelanger Schlechterstellung von Frauen in einem problematischen Arbeitsumfeld, zahlreicher auch schwerer Übergriffe, die verschwiegen oder ignoriert wurden, und anderer Probleme haben die kalifornischen Behörden im Juni Klage eingereicht.

Firmenchef Robert "Bobby" Kotick versprach einen Kurswechsel, doch die neuen Enthüllungen belasten auch ihn. Ihm werden selbst Übergriffe, inklusive einer Morddrohung, zur Last gelegt. Über viele Vorkommnisse soll er auch im Bilde gewesen sein, obwohl er zuvor erklärt hatte, nur von wenigen gewusst zu haben. Über 100 Mitarbeiter legten am Dienstag demonstrativ die Arbeit nieder und forderten seinen Abgang. Nun wächst der Druck auch seitens der Partner und Investoren.

Kotick und Verwaltungsratschefs sollen gehen

Eine Gruppe von Geldgebern hat unter Führung der Strategic Organizing Investment Group einen Brief an den Vorstand verfasst und diesen auch der "Washington Post" zugespielt. Sie fordern darin ebenfalls den Abtritt Koticks sowie von Brian Kelly und Robert Morgado bis Ende des Jahres. Kelly und Morgado sind seit den 1990ern bei Activision. Ersterer ist Vorsitzender des Vorstands, Zweiterer agiert als unabhängiger Direktor in selbigem. Der Vorstand hatte Kotick nach der Veröffentlichung des Berichts zumindest vorläufig noch das Vertrauen ausgesprochen.

Sollten die drei Genannten ihre Posten nicht räumen, so werde man den gesamten Vorstand bei der nächsten Investorenversammlung nicht bestätigen, so die Investorengruppe. Der neue Bericht mache deutlich, "dass die aktuelle Führung wiederholt daran gescheitert ist, einen sicheren Arbeitsplatz zu gewährleisten, was eine grundlegende Aufgabe ihres Jobs ist", heißt es von der Strategic Organizing Investment Group. Das Unternehmen brauche eine neue Führung mit "der Expertise, Fähigkeit und Überzeugung", die Firmenkultur nachhaltig zu ändern. Es sei Zeit, "den Reset-Knopf zu drücken".

Frischgebackene Blizzard-Chefin legte Amt wieder nieder

Im August hatte Activision Jennifer Oneal zur Co-Chefin bei Blizzard gemacht, auch um an der Veränderung der Firmenkultur zu arbeiten. Damit wurde sie gleichzeitig auch zu einer der wenigen weiblichen Führungskräfte im Unternehmen. Nur einen Monat später schrieb sie einen Brief an die Rechtsabteilung des Konzerns, in dem sie bezweifelte, dass ein nachhaltiger Wandel unter der derzeitigen Führung möglich sei. Zudem bemängelte sie, dass sie schlechter bezahlt werde als Blizzards anderer Co-Chef, Mike Ybarra.

Anfang November legte sie ihre neue Rolle zurück und wird das Unternehmen mit Jahresende verlassen. Wie IGN nun berichtete, war ein neuer Vertrag für sie vorbereitet worden. Laut Ybarra basierte das ungleiche Gehalt ursprünglich darauf, dass die Neo-Chefs noch unter dem Vertrag für ihren früheren Posten arbeiteten. Doch das Angebot mit gleicher Bezahlung hatte Oneal erst erhalten, nachdem sie ihre Kündigung übermittelt hatte – also gut drei Monate später.

Die Kritik der Investorengruppe muss freilich in den Kontext ihres Einflusses gestellt werden. Es ist nicht bei allen Mitgliedern bekannt, wie viele Anteile sie besitzen, insgesamt sind es aber zumindest 3,8 Millionen Aktien. Ein geringer Anteil, wenn man bedenkt, dass der Konzern insgesamt 779 Millionen Wertpapiere ausgegeben hat. Großinvestoren halten sich bislang noch bedeckt oder wollen keinen Kommentar abgeben. Die größten Anteilseigner sind Vanguard (64 Millionen) und Blackrock (58 Millionen), die gegenüber der "Washington Post" keine Aussagen zu einzelnen Unternehmen in ihrem Aktienportfolio treffen wollten.

Sony von Reaktion enttäuscht

Allerdings ist mit Sony auch ein wichtiger Partner auf Distanz zu Activision gegangen. Laut Bloomberg hat Firmenchef Jim Ryan seine Mitarbeiter darüber informiert, dass man angesichts der neuen Vorwürfe Kontakt aufgenommen habe. Man sei der Ansicht, dass die Reaktionen von Activision der Situation nicht angemessen seien.

Activision hatte die im "Wall Street Journal" erhobenen Anschuldigungen als "irreführend" bezeichnet. Sonys Playstation ist nicht nur eine wichtige Plattform für Games des Publishers, die beiden Konzerne kooperieren auch immer wieder bei großen Marketingkampagnen.

Börsenaufsicht ermittelt

Der rechtliche Ärger für Activision geht über die Klage des Department of Fair Employment and Housing von Kalifornien hinaus. Diese ist zwar der größte Brocken, jedoch sieht sich der betriebsratslose Konzern auch mit einer Beschwerde über unfaire Arbeitspraktiken seitens der eigenen Angestellten sowie der Gewerkschaft Communication Workers of America konfrontiert.

Die Berichte über Geschlechterdiskriminierung und Übergriffe haben zudem auch die US-Börsenaufsicht SEC auf den Plan gerufen, die im September eine eigene Untersuchung begonnen hat. Activisions Börsenkurs ist seit Juni um gut ein Drittel gefallen. (gpi, 18.11.2021)