Der Liedermacher Ludwig Hirsch starb vor zehn Jahren, am 24. November 2011.

Imago

Das Rabenhof-Quartett will Ludwig Hirsch nicht zu sehr verdüstern, sondern auch tanzbar erinnern: Lucy McEvil, Oliver Welter, Christoph Krutzler und Alf Peherstorfer (v. li.).

Rita Newman

Der Helmut-Qualtinger-Wiedergänger Christoph Krutzler trägt den Kindermörder-Text "Herr Haslinger" im Stil des "Herrn Karl" vor.

Rita Newman

November ist in unseren Breitengraden ein Monat, mit dem man es nicht immer leicht hat. Da kommt der Nebel, der Eisregen, es kriecht die Kälte in jede Ritze. Man gedenkt der Toten draußen auf dem Friedhof, wo die Krähen jetzt tief fliegen. Oder blickt neuerdings bange auf ansteigende Exponentialkurven. Keine Frage: Das Changieren zwischen wohliger Melancholie und depressiver Verstimmung ist ein Drahtseilakt.

Gerade deswegen ist der November auch der Monat des Ludwig Hirsch. Wie kein anderer Künstler hat der Wiener Liedermacher und Schauspieler der Stimmung dieser Jahreszeit eine Stimme gegeben. Dunkelgraue Lieder hieß das Erstlingswerk von 1978. Mit Nummern wie Die Omama, I lieg am Rucken oder Der Herr Haslinger begründete Ludwig Hirsch mit Anfang 30 seine Karriere als schwarzhumoriger Geschichtenerzähler. Es sind Lieder, die harmlos beginnen und morbide Wendungen nehmen. Gesellschaftskritik ließ Hirsch verlässlich unauffällig über die Hintertür herein, dann aber mit voller Gewalt.

LudwigHirschVEVO

Vor zehn Jahren schied Ludwig Hirsch nach einer schweren Krebsdiagnose aus dem Leben. Aus diesem Leben, um genau zu sein, denn sein ganzes Werk und gerade das Opus magnum Komm, großer schwarzer Vogel ist beseelt von der Idee, dass nach dem Ende bitte schön gerne etwas Neues kommen könnte.

Kein Schatten ohne Licht

Der Chef des Wiener Rabenhof-Theaters, Thomas Gratzer, richtet Ludwig Hirsch zum Todestag nun einen Tribute-Abend aus. Dazu hat Gratzer ein Quartett einberufen, das sich bereits in Interpretationen von André Heller und Georg Danzer übte: Drag-Künstlerin Lucy McEvil, Oliver Welter von der Band Naked Lunch, Alf Peherstorfer von Kommando Elefant und Volkstheater-Schauspieler Christoph Krutzler.

Star des Abends ist aber das Bühnenbild, für das Michaela Mandel eine illustre Schar ausgestopfter Tiere drapiert hat, die den Hirsch-Kosmos bevölkerte: Fuchs und Hase, der räudige Wolf, ein Bär, ein Reh, natürlich ganz hinten im Herrgottswinkel der schwarze Vogel.

Zu dunkel wollte man es aber bewusst nicht haben. Lebensbejahend betitelte man das Tribute mit dem Song Happy End. Damit spielend, dass Hirschs Sound eigentlich erstaunlich oft von Happy-Pepi-Synthie-Orgeleien getragen war, interpretiert das Rabenhof-Quartett einige Lieder im Discogewand. Leider gehören diese Passagen zum schlechteren Teil, weil stimmlich nicht alles reibungslos hinhaut.

Echte Perlen gibt es dort, wo Texte rezitiert oder szenisch dargestellt werden. Gänsehaut etwa, wenn der Helmut-Qualtinger-Wiedergänger Christoph Krutzler den Kindermörder-Text Herr Haslinger im Stil des Herrn Karl vorträgt. Beim Lied Schutzengerl hat Hirschs Witwe, die Schauspielerin Cornelia Köndgen, einen bewegenden Gastauftritt.

Zu loben ist die breite Songauswahl von den radikalen Anfängen bis hin zum altersmilden Spätwerk, zu dem schöne, leicht schnulzige Liebeslieder gehören. In Summe erinnert dieser Tribute-Abend lebhaft daran, dass Ludwig Hirsch nicht nur November, sondern auch viel Frühling zu bieten hatte. (Stefan Weiss, 19.11.2021)