Ann Kathrin Doerig ist eine Quereinsteigerin in der Verlagswelt. Jeden Herbst will sie nun im neugegründeten AKI-Verlag fünf neue Bücher herausbringen – auf keinen Fall mehr.
Foto: Lily Erlinger

Die in Zürich geborene, in Hamburg ausgebildete Schauspielerin Ann Kathrin Doerig hatte, weil beide Eltern früh gestorben sind, keine rosige Kindheit. Umso mehr wurden Bücher früh schon zu ihren wichtigsten Beraterinnen und Freundinnen. Sie helfen dabei, für das Schwierigste eine Sprache zu finden.

Das Zutrauen zur Literatur führte die heute 36-Jährige schließlich in die Verlagswelt. Als Quereinsteigerin hat sie drei Jahre lang in dem von ihr mitaufgebauten Kampa-Verlag gearbeitet und dort "im Stillen", wie sie sagt, beobachtet und gelernt. In der Pandemie war es dann so weit: Doerig gründete als Imprint den AKI-Verlag, dessen erstes Programm nun auf dem Tisch liegt.

Dorothy Gallagher, "Und was ich dir noch erzählen wollte". 20,60 Euro / 128 Seiten. AKI-Verlag, 2021
Cover: aki Verlag

Fünf Bücher machen den Anfang, und ab nun soll jeden Herbst ein weiteres Quintett erscheinen, mehr nicht. Doerig will mit einer exklusiven Auswahl gegen die Flut an alljährlichen Neuerscheinungen ankuratieren.

Die ersten fünf Titel sind schon einmal eine Ansage. Es sind Neuübersetzungen von Autorinnen, die in ihren Werken wenig repräsentierte Perspektiven einnehmen und sich dafür eine ganz eigene Sprache erobern beziehungsweise erobert haben. Sie führt über das realistische Erzählen hinaus.

Lyrik auf Instagram

Jamaica Kincaid, "Mein Bruder". 22,60 Euro / 240 Seiten. AKI-Verlag, 2021
Cover: aki Verlag

Vier von ihnen kennt man vielleicht, etwa wenn man die Wiederentdeckungen der letzten Jahre mitverfolgt hat: Jamaica Kincaid, Audre Lorde, Dorothy Gallagher und die mehrfach für den Booker Prize nominierte Deborah Levy.

Aber wer ist die Fünfte, Dóri Varga? Die in Budapest geborene, in Kalifornien wohnhafte Autorin hat sich mit dem Gedichtband Erden (übersetzt von Ivna Žic, im Original: Watching With Closed Eyes) erstmals aus der Instagram-Lyrikwelt in die Sphäre des gedruckten Werkes vorgewagt. Es sind harte, poetische Strophen über Mutterschaft, Zuwendung, Trennung.

Audre Lorde, "Ein strahlendes Licht". 24,70 Euro / 224 Seiten. AKI-Verlag, 2021
Cover: aki Verlag

Doerig gehört einer neuen Generation von Verlegerinnen und Verlegern an, die Literatur auch abseits der gewohnten Pfade im digitalen Raum aufspürten und die zu einer entschieden persönlichen Auswahl ihres Verlagsprogramms stehen.

Der Name AKI hat folglich auch mit der Person der Verlegerin zu tun, es ist ihr Kurzname aus Kindertagen. Aber nicht nur das. Auf Griechisch bedeutet Aki das Kleine, das Ausgewählte; und im Japanischen heißt Aki Herbst. Passt perfekt!

Gehüllt in Kunst

Dóri Varga, "Erden". 24,70 Euro / 80 Seiten. AKI-Verlag, 2021
Cover: aki Verlag

Wofür steht die Edition nun? AKI will einerseits der misogyn geprägten Welt Stimmen entgegensetzen, Blickweisen verschieben. Der neue Verlag steht aber auch für eine Absage an die Schnelllebigkeit in der Buchbranche und das rasche, alljährlich wiederkehrende oberflächliche Abschöpfen aus einem kaum mehr zu überblickenden Meer an Neuerscheinungen.

Wachstum ist eben kein Garant für Qualität. Das heißt, die Neoverlegerin will sich Zeit nehmen – fürs Lesen einerseits, aber vor allem auch für die Entwicklung ihrer Bücher.

Und das sieht man. Selten schöne Objekte sind sie geworden, klimaneutral gedruckte Bände, gehüllt in Kunst. Für jedes Cover hat Doerig mit einer anderen zur Autorin passenden Künstlerin zusammengearbeitet.

Wer Jamaica Kincaids autobiografischen Roman Mein Bruder erwirbt, in dem sie den Abschied von ihrer fluchtartig verlassenen Heimat Antigua sowie von ihrem an Aids sterbenden Bruder beschreibt, hat mit dem Titelblatt auch ein kleines "Gemälde" der aus Mosambik stammenden Malerin Cassi Namoda im Regal stehen.

Streunerinnenroman

Deborah Levy, "Landschaft verschluckt". 20,60 Euro /128 Seiten. AKI-Verlag, 2021
Cover: aki Verlag

Oder im Fall von Deborah Levys frühem Streunerinnenroman Landschaft verschluckt ein Bild von der amerikanischen Fotografin Nicole Mangiola. Auf diesem blickt die Protagonistin aus dem Bullauge eines Flugzeuges über die Wolken. Mit den Namensinitialen J. K. erweist sie sich als die weibliche Antwort auf Jack Kerouacs On the Road.

Eine Frage drängt sich auf: Wie lässt sich ein solches, diversen kapitalistischen Gesetzen widersprechendes Verlagsprojekt – Langsamkeit, arbeitsintensiv, hochqualitativ – finanzieren? Der Anfang ist schwierig, so Doerig. Sie ist sich indes sicher, mit ihrem Programm ein gleichgesinntes Lesepublikum zu finden.

Zu Beginn basiere vieles noch auf Entgegenkommen, sagt sie. Die Künstlerinnen beispielsweise seien der Coveridee von Anfang an sehr zugeneigt gewesen und sehen ihrerseits eine Wertschätzung darin, wenn ihre Motive 3000-mal als Cover gedruckt in Buchhandlungen aufliegen.

Und weil die Bücher schön gemacht seien, sei es laut Doerig mittlerweile so, "dass jetzt schon wir von den Kunstschaffenden angeschrieben werden und nicht umgekehrt". Inzwischen wird schon am übernächsten Jahrgang getüftelt. (Margarete Affenzeller, ALBUM, 22.11.2021)