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Präsident Putin will weiterhin Härte zeigen – auch im Ausland.

Foto: Reuters / SPUTNIK

"Schau mich gefälligst an" und "Wag es nicht, Russland noch einmal zu beleidigen" – die Szene, als Russlands stellvertretender UN-Botschafter Wladimir Safronkow 2017 auf dem Höhepunkt der Syrien-Debatte seinen britischen Kollegen Matthew Rycroft abkanzelte, ging im Internet viral. Die rüde Verbalattacke rief international Verblüffung hervor.

Der virale Clip und seine Übersetzung.
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Inzwischen hat man sich an den Ton gewöhnt. Sowohl Außenminister Sergej Lawrow als auch seine Sprecherin Maria Sacharowa haben sich mit Watschen gegen den Westen bereits einen Namen gemacht. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hatte übrigens auch schon damals die Rhetorik Safronkows als "angemessen" und der Lage entsprechend beurteilt, und nun hat Präsident Wladimir Putin auf einer erweiterten Sitzung des Außenministeriums seine Untergebenen quasi dazu aufgefordert, den harten Umgangston beizubehalten.

Lob für neuen Stil

Viel zu lange habe der Westen den Warnungen Russlands keine Beachtung geschenkt, gab er den Diplomaten mit auf den Weg. Dieser habe sie genauso wenig beachtet wie die roten Linien, die Moskau gezogen habe.

"Doch unsere Warnungen in der letzten Zeit haben von sich hören lassen und einen gewissen Effekt gehabt: Eine gewisse Spannung ist dort aufgetreten", lobte Putin den neuen Stil als erfolgreich. Es sei jetzt Aufgabe der Diplomaten, "diesen Zustand so lange wie möglich zu halten, damit sie nicht auf die Idee kommen, an unseren westlichen Grenzen einen unnötigen Konflikt vom Zaun zu brechen". Die zweite Aufgabe der Diplomaten sei es, ernsthafte Sicherheitsgarantien zu bekommen.

Versandete Verhandlungen

Ob Lawrows jüngster diplomatischer Affront gegen Berlin und Paris Russlands Sicherheit wirklich erhöht, ist unklar. Der friedlichen Lösung der Donbass-Krise hilft die Veröffentlichung des diplomatischen Schriftwechsels wohl eher nicht.

Die scheidende deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte eigentlich vor ihrem Abtritt noch einen Gipfel im Normandie-Format abhalten wollen, wenn nicht auf Ebene der Staatschefs, so doch zumindest auf Ministerebene. Die Verhandlungen dazu waren in den letzten Monaten allerdings immer weiter versandet.

Grund dafür sind – wie aus dem Briefwechsel hervorgeht – Meinungsverschiedenheiten über den Status, den Russland einnimmt. Russland sieht sich selbst nämlich nur – wie Deutschland und Frankreich – als reinen Vermittler in einem "innerukrainischen Konflikt", während die Gegenseite Moskau schon noch als Konfliktpartei wahrnimmt. Aus diesem Grund will Kiew über Fortschritte im Friedensprozess mit Moskau verhandeln und nicht, wie der Kreml es fordert, "direkt" mit den Vertretern der Separatisten. Diese werden weitgehend als Marionetten verstanden.

Der Minister hat es "satt"

Lawrow begründete die Veröffentlichung des diplomatischen Schriftverkehrs damit, dass Russlands Position in der Öffentlichkeit ständig falsch dargestellt werde. Auch die Anschuldigungen gegenüber Moskau und die Forderungen an den Kreml, die Abmachungen aus dem Minsker Abkommen zu erfüllen, habe er "satt", so der russische Chefdiplomat.

Allerdings ist Vertraulichkeit ein wichtiger Baustein von Vertrauen, der für erfolgreiche Diplomatie notwendig ist. Paris und Berlin haben Moskau schon den "Bruch diplomatischer Gepflogenheiten" vorgeworfen. Weitere Gespräche wird dies sicher nicht erleichtern.

Aber prinzipiell kann das Moskau ohnehin egal sein. Der eingefrorene Konflikt im Osten der Ukraine ist der russischen Führung durchaus recht. So hat der Kreml einen Nato-Beitritt des Nachbarlands verhindert und kann immer noch deutlichen Einfluss auf die Politik in Kiew ausüben.

Und ansonsten will sich in Moskau eh niemand mehr etwas vom "Besserwesten" sagen lassen. Als am Freitag Schwedens Außenministerin Ann Linde nach einer kurzen und kühlen Begrüßung Lawrows zu einer ausführlichen Gegenrede ansetzte und dabei auch die Menschenrechtslage in Russland kritisierte, reagierte der 68-Jährige sichtlich genervt: "Sind Sie fertig? Wenn ich gewusst hätte, was Sie zu sagen haben, dann hätte ich Ihnen aber eine solche Lektion gehalten", kanzelte er die Schwedin ab – und bat anschließend die Medien vor die Tür. (André Ballin aus Moskau, 19.11.2021)