Mehrere deutsche Medien berichten übereinstimmend, dass SPD, Grüne und FDP Cannabis legalisieren wollen, und zitieren aus dem entsprechenden Papier.

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Deutschland wartet. In der nächsten Woche, so lautete zunächst der Plan, wollten die drei Ampelparteien ihren Koalitionsvertrag vorlegen. Dann geriet das Vorhaben ins Wanken. Die Grünen äußerten deutliche Unzufriedenheit über das Vorankommen beim Klimaschutz. Tenor der Klagen: Um den Klimaschutz müssten sich alle künftigen Ministerien kümmern, nicht nur ein grün geführtes Klima- und Umweltressort.

Doch jetzt gibt es Anzeichen, dass doch nächste Woche schon Ergebnisse vorliegen könnten. Eine (Detail-)Vereinbarung ist allerdings schon bekannt geworden. Mehrere deutsche Medien berichten übereinstimmend, dass Rote, Grüne und Gelbe Cannabis legalisieren wollen, und zitieren aus dem entsprechenden Papier. Darin heißt es: "Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein."

Der Konsum von Cannabis ist in Deutschland erlaubt, auf Besitz und Verkauf allerdings stehen Strafen, wobei der Besitz von "geringen Mengen" nicht zwingend verfolgt wird. Die Obergrenzen für diese "geringen Mengen" legen die Bundesländer fest. In Bayern und Baden-Württemberg sind es sechs Gramm, in Thüringen und Rheinland-Pfalz zehn Gramm. Berlin ist mit 15 Gramm am tolerantesten.

Überprüfung der Auswirkungen

FDP und Grüne sind seit längerem für eine Freigabe von Cannabis, die SPD war vergleichsweise zögerlicher. Doch schon zu Beginn der Ampel-Gespräche erklärte auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: "Jahrelang habe ich eine Cannabis-Legalisierung abgelehnt. Mittlerweile komme ich als Arzt aber zu einem anderen Schluss. Immer häufiger wird dem illegal verkauften Straßen-Cannabis neuartiges Heroin beigemischt, das sich rauchen lässt. Damit werden Cannabis-Konsumenten schnell in eine Heroin-Abhängigkeit getrieben."

Von diesem Argument ließen sich die Verhandler leiten. Man wolle die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindern und den Jugendschutz gewährleisten. Nach vier Jahren soll das Gesetz auf "gesellschaftliche Auswirkungen" überprüft werden.

Der Staat würde von einem Cannabis-Gesetz finanziell profitieren, und Geld hat der Staat zur Bekämpfung der Corona-Folgen und für Investitionen im Klimabereich ohnehin bitter nötig. 4,7 Milliarden Euro jährlich könnte die Legalisierung bringen, das zeigt eine eben vorgelegte Studie des Wettbewerbsökonomen Justus Haucap vom Institute for Competition Economics (DICE) an der Universität Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen).

Er schlägt vor, den Verkauf mit einer Steuer zu belegen. Allein durch diese würden dem Fiskus jährlich 1,8 Milliarden Euro zufließen.

Niederlande als Negativbeispiel

Dazu kämen noch Mehreinnahmen bei der Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuer sowie ein höheres Aufkommen an Sozialbeiträgen und Lohnsteuer, das durch rund 27.000 legale Arbeitsplätze in der Cannabis-Wirtschaft entsteht.

Die Berechnungen stützen sich auf Auswertungen von Ländern, die bereits Cannabis legalisiert haben, sowie Survey-Daten zum Konsumverhalten in Deutschland.

Kritik kommt von der Union. "Ich halte es für gefährlich und mindestens für überflüssig", sagte der neue Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), und verweist auf die Niederlande als negatives Beispiel: "Manches, was man da theoretisch mit erreichen wollte, funktioniert einfach nicht."

Dort sei es nicht gelungen, Cannabis aus dem illegalen Drogenhandel zu verbannen, außerdem sei die Clan-Kriminalität in Verbindung mit Cannabis-Handel explodiert.

Kanzlerwahl zu Nikolaus

Doch noch haben SPD, Grüne und FDP ihre Gespräche nicht abgeschlossen. Jene Papiere, die die 22 Arbeitsgruppen erstellt haben, werden derzeit von den Parteispitzen durchgenommen. Ursprünglich hatte man vorgehabt, in der Nikolauswoche Olaf Scholz (SPD) zum neuen Kanzler im Bundestag wählen zu lassen. Am Donnerstag war Scholz bereits bei den Beratungen der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel mit den 16 Länderchefs dabei. Dabei wurde die Hospitalisierungsrate als Richtwert für neue Corona-Maßnahmen festgelegt. Je voller die Krankenhäuser werden, desto strenger die Regeln.

Die CDU bereitet sich derweil auf ihren "Neustart" in der Opposition vor. In der nächsten Woche werden sich die drei Bewerber – Ex-Fraktionschef Friedrich Merz, Außenpolitiker Norbert Röttgen und der scheidende Kanzleramtschef Helge Braun – der Basis live im Internet präsentieren. Ab 2. Dezember stimmen die rund 400.000 Mitglieder dann ab. Das Votum muss noch auf einem Parteitag im Jänner bestätigt werden. (Birgit Baumann aus Berlin, 19.11.2021)