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Auf Covid-Stationen in Rumänien brachen bereits elf Brände aus. Im Herbst starben neun Menschen in den Flammen.

Foto: AP / Costin Dinca

Im Volksmund spricht man vom "Kampf zweier Titanen". Etwas prosaischer ausgedrückt, könnte man von einer Allianz zweier Parteien sprechen, die vor allem die Unwilligkeit verbindet, ernsthafte Korruptionsprävention zu betreiben – und die unbedingt an der Macht sein wollen. Kommenden Donnerstag soll im Parlament über eine Koalition zwischen der konservativen PNL und den Sozialdemokraten (PSD) abgestimmt werden, die sich eigentlich spinnefeind sind und seit Jahrzehnten misstrauisch beäugen.

Die Zusammenarbeit basiert auf der Tatsache, dass die PNL, die bis September mit der bürgerorientierten Reformpartei USR und anderen eine Koalition bildete, dann plötzlich den Justizminister der USR, Stelian Ion, entließ, weil dieser sich geweigert hatte, Gelder an die Bürgermeister weiterleiten zu lassen, ohne sicherzustellen, dass diese auch rechtmäßig verwendet werden. Die Verantwortung für das Ende der Koalition liegt demnach bei dem damaligen PNL-Premier Florin Cîțu.

Rotation des Premiers

Die USR hatte zudem vor, die Staatsanwälte von der politischen Kontrolle zu befreien. Dieser Eifer beim Kampf für mehr Rechtsstaatlichkeit widersprach aber offensichtlich manchen Interessen der PNL. Rumänischen Medien zufolge haben sich die PSD und die PNL deshalb nun darauf geeinigt, jeweils eineinhalb Jahre den Premierminister zu stellen. 2024 soll dann ganz regulär wieder gewählt werden.

PNL-Chef Cîțu soll – geht es nach der PSD – allerdings keinesfalls das Amt des Regierungschefs innehaben, schließlich unterstützte die PSD schon ein Misstrauensvotum gegen ihn. Aber auch in der eigenen Partei ist Cîțu umstritten. Deswegen ist nun wieder Verteidigungsminister Nicolae-Ionel Ciucă für den Posten im Gespräch.

Der Ball liegt nun wieder bei Staatspräsident Klaus Iohannis, der aber selbst von der PNL unterstützt wird und wegen dieser Parteilichkeit keine effektive Moderatorenrolle innehat. Seit 2018 erlebten die Rumänen bereits vier Regierungswechsel. Iohannis wird nun wohl Ciucă als Premier vorschlagen, um einen Kompromiss zu ermöglichen.

Inhaltlich bestehen die Sozialdemokraten auf einer Erhöhung der Mindesteinkommen und Pensionen. Auch im Wirtschaftsbereich sollen die Sozialdemokraten im Gegenzug für ihre Koalitionswilligkeit mehr zu sagen haben. Die PNL will vor allem in der Regierung bleiben, weil die Umfragen für sie schlecht stehen und die rechtsradikale Partei AUR ihr bei Wahlen Stimmen wegnehmen könnte.

Vorhersehbare Katastrophe

Der politische Analyst Radu Vancu warnt angesichts der neuen Koalition vor einer "vorhersehbaren Katastrophe" und verweist darauf, dass die PNL früher sogar schriftlich festgelegt hat, dass sie niemals mit der PSD koalieren wird. "Es handelt sich also um eine Regierung, die auf einem Bündnis zwischen aggressiver Korruption (PSD) und aggressiver Lüge (PNL) basiert – und das Opfer dieser doppelten Aggression ist Rumänien und seine Hoffnung auf eine bessere europäische Zukunft", sagt er pointiert zum STANDARD.

Vancu hat vor allem die Sorge, dass es mit der PSD wieder zu Angriffen auf die rechtsstaatlichen Institutionen kommen und Rumänien bis 2024 chaotisch geführt werden wird. Die Entscheidung der PNL, sich auf die PSD einzulassen, sei bereits in Meinungsumfragen sichtbar. Nicht nur die Partei, auch das Image des Präsidenten habe starken Schaden genommen, so Vancu.

Kritik übt er auch am Pandemiemanagement. Weil sowohl Iohannis als auch Cîțu die Pandemie im Mai für beendet erklärten, habe sich die Impfkampagne verlangsamt. Im Herbst dann verzeichnete Rumänien die höchste Todesrate in Europa. "Die politische Krise in Rumänien hat die medizinische Krise verschlimmert – und Tausende, wenn nicht noch mehr, starben unnötigerweise", so Vancu. (Adelheid Wölfl, 20.11.2021)