Die Behörden kommen mit der Zahl der Testungen nicht mit.

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Plötzlich war alles kaputt: So lässt sich die Situation um die Infrastruktur zur Überwachung der Pandemie beschreiben. Aktuell steht das Epidemiologische Meldesystem (EMS) kurz vor dem Zusammenbruch, der STANDARD berichtete.

Das Register wird seit Beginn der Pandemie genutzt, um meldungspflichtige Erkrankungen zentral zu erfassen. Doch es ist aufgrund der hohen Zahl an Tests überlastet – wodurch der reguläre Betrieb bald nicht mehr möglich sein könnte. Um das zu vermeiden, hat das Gesundheitsministerium in einem Schreiben die Länder und Labore aufgefordert, Testergebnisse, die negativ sind, sowie Daten von Verdachtsfällen nicht mehr einzutragen.

Dieser Teilausfall des EMS dürfte Prognosen erschweren: So wissen die Behörden ob der mangelhaften Dokumentation in den nächsten Tagen nicht einheitlich, wie viele Tests landesweit durchgeführt wurden. Praktisch heißt das, dass zwar bekannt ist, wie viele Positivergebnisse ermittelt wurden – aber nicht, wie hoch der Anteil im Vergleich zu allen anderen Testungen war.

Alle Zahlen wichtig

Diese Positivitätsrate – also wie viele Testungen das Virus nachweisen – ist ausschlaggebend, um zu erfassen, wie hoch der Anstieg tatsächlich ist, sagt der Gesundheitsexperte Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien zum STANDARD. Ist die Positivitätsrate hoch, bedeutet das, dass nur sehr wenige Tests erfolgen – das weise darauf hin, dass die Übersicht in der Überwachung der Pandemie verlorengeht. Ist sie niedrig, etwa durch breitflächige Tests, sei die Lage gut unter Kontrolle, so der Experte. Wie eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums sagt, seien die Bundesländer aufgefordert worden, die Ergebnisse über eigene Systeme abzuarbeiten.

Das EMS war ursprünglich dafür gedacht, meldepflichtige Krankheiten wie etwa Salmonellen zu dokumentieren. Eine Pandemie hatte bei der Konzeption noch niemand erwartet, wie ein IT-Experte erläutert. Dadurch kommt es immer wieder zu technischen Problemen. Es sei allerdings möglich gewesen, die Ressourcen in den vergangenen Monaten, etwa im Sommer, aufzustocken – was nicht geschehen ist. Dem Ministerium zufolge arbeite man aber aktuell an einer Neukonzeption des EMS, "um den geänderten Anforderungen gerecht zu werden".

Kein Freitesten

Probleme gibt es aber auch bei den Gesundheitsbehörden. Deren massive Überlastung, etwa in Oberösterreich, hat zufolge, dass sich viele als Kontaktpersonen in Quarantäne geschickte Menschen nicht nach den erlaubten fünf Tagen via PCR-Test aus der Verbannung befreien könne, so sie negativ sind.

Stattdessen müssen sie, etwa im Fall von Schulkindern, die ganzen zehn Tage aussitzen. Das Freitesten nämlich obliegt der zuständigen Gesundheitsbehörde. Sie nennt Zeitpunkt und Prozedere der Überprüfung, PCR-Tests im Rahmen von Screeningprogrammen wie "Alles gurgelt" oder in Apotheken gelten nicht. Doch das schafft die Behörde in Oberösterreich derzeit nicht.

Hintergrund der Anordnung ist der Umstand, dass Personen in Quarantäne mit größerer Wahrscheinlichkeit positiv sind als Menschen, die sich screenen lassen. Die Screeningprogramme jedoch sind bei den derzeitigen Testzahlen nur mittels Pooltestung schaffbar: 50, 100 oder mehr Proben werden zusammengemischt und gemeinsam ausgewertet, ist das Ergebnis positiv, müssen die Proben einzeln nochmals überprüft werden – eine langwierige Sache. (Muzayen Al-Youssef, Irene Brickner, 19.11.2021)