Der liberale Richter Oliver Scheiber auf Twitter: "In der Krise wird deutlich, dass in Österreichs Politik viel unqualifiziertes Personal von wohlgesonnenen und gut inseratenversorgten Medien durchgetragen wurde. Das funktioniert angesichts der desaströsen Lage nicht mehr."

So ist es, und die Rolle mancher Medien ist ein Teil des Problems unseres derzeitigen politischen Systems. Und Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. Ja, es ist teilweise schlimm, aber es ist nicht alles verloren. Auf rein sachlicher Ebene haben sich in der Corona-Berichterstattung die allermeisten Medien um eine sachgerechte, kritische Berichterstattung bemüht. Auf politischer Ebene waren manche allzu lange regierungsfromm.

Etliche Medien erlagen dem Charme des "bürgerlichen Retters" Sebastian Kurz – und einer üppigen Inseratenpolitik.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Wenn wir im STANDARD der Regierung Kurz und deren Nachfolger vorwerfen, schon den zweiten Pandemiesommer verplempert zu haben, müssen wir uns selbst fragen, wie wir es damit hielten. Zumindest im August machten wir im Rahmen unserer wirklich umfangreichen Corona-Berichterstattung auf die niedrige Impfrate aufmerksam. Generell zeigten wir uns früher als andere kritisch gegenüber türkisen Regierungskünsten.

Die Frage ist, ob und wie sehr andere Medien der noch nie dagewesenen Manipulationsmaschine der Türkisen widerstanden haben. Etliche Medien erlagen dem Charme des "bürgerlichen Retters" Sebastian Kurz – und einer üppigen Inseratenpolitik. Aber auch dort gab es Journalisten, die ihren kritischen Job machten.

Desinformationssender

An der Spitze ist der ORF zu nennen, wo sich einzelne Mitarbeiter geschmeidig auf das neue Regime und dessen Vorboten einstellten – aber vor allem das Team der ZiB 2 unbeirrt und immer kritischer Fragen an die Politik stellte und intensiv seriöse Wissenschafter zu Wort kommen ließ. Dasselbe gilt für den Report oder diverse Reportageformate, z. B. unlängst mit einem zornigen Intensivmediziner.

Der behäbige ORF muss sich allerdings langsam fragen, wie er mit den schnellen, beinhart kritischen Nachrichten von Puls 24 und dessen eindeutig besseren Diskussionsformaten umgeht.

Servus TV hingegen ist ein Desinformationssender, der rechtslastigen Verschwörungstheoretikern und Impfgegnern eine Plattform bietet.

Jeder weiß, dass die Fellner-Medien bis ganz zuletzt und die Krone eine Zeitlang brave Basti-Huldigung betrieben, aber auch dort gibt es die eine oder andere gute, kritische Journalistin, die zäh ihre Distanz zu den Mächtigen wahrt. Die Krone ist vielleicht das interessanteste Phänomen: Unter dem geschäftsführenden Chefredakteur bemüht sie sich generell um eine eindeutig weniger hetzerische Schreibweise und ist speziell auf einen kritischeren Kurs gegenüber Türkis geschwenkt. Das dritte Boulevardblatt, Heute, hat längst auf Ausländerhetze und derlei verzichtet, der Chefredakteur schreibt einen glänzenden Blog.

Die "bürgerlichen" Blätter Kurier und Presse waren eher Türkis-freundlich, wahrscheinlich, weil sie ein entsprechendes Bedürfnis konservativer Leser vermuteten. Aber auch hier hielten politische Redakteurinnen die notwendige Distanz.

Die Bundesländerzeitungen bemühten sich von Anfang an, bei durchaus bürgerlicher Ausrichtung, um eine nüchterne Betrachtung der türkisen Inszenierungen, die Wochenzeitungen Falter und Profil wurden ihrer investigativen Aufgabe mehr als gerecht.

Die Pandemie ist aber keineswegs vorbei, und die Fehler und Versäumnisse der Regierenden werden immer deutlicher. Einzelne Kommentatoren sprechen von "Staatsversagen". Das ist bereits ein Thema. (Hans Rauscher, 19.11.2021)