Und doch ein Lockdown – und eine Impfpflicht: Regierung und Landeshauptleute verordneten am Freitag Corona-Maßnahmen.

Foto: APA / EXPA / Johann Groder

Es war ein Kuhhandel, der bei der Konferenz der Landeshauptleute zur späten Stunde in Tirol vereinbart worden sein soll: Lockdown für alle gegen Impfpflicht für alle. Nach langen Diskussionen einigten sich der Bund und die Länder auf das politische Tauschgeschäft in der Nacht auf Freitag.

Auf der einen Seite standen vor allem die SPÖ-Länderchefs, für die – wohl angesichts des vergleichsweise guten Impffortschritts im Burgenland und Wien – die Impfpflicht nicht ganz oben auf ihrer Agenda war. Sehr wohl drängten sie jedoch auf einen bundesweiten Lockdown. Für diesen machten sich auch der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein sowie die beiden schwarzen Hochinzidenzbundesländer Oberösterreich und Salzburg stark.

Auf der anderen Seite fand man nicht nur Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP), sondern auch wichtige Bundesländervertreter seiner Partei. Diese präferierten die Impfpflicht statt des neuerlichen harten Lockdowns. Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) beschrieb die Positionen bei den nächtlichen Verhandlungen so: "Die Grundvoraussetzung, um einem Lockdown zuzustimmen, war für mich die Impfpflicht. Denn die Menschen wollen Normalität und sich nicht weiter von Lockdown zu Lockdown hanteln."

Der steirische ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer ist überzeugt, dass die Impfpflicht "den Menschen Orientierung" gebe. Aber zugleich müsse man den Bürgerinnen und Bürgern aufmerksam zuhören, auf ihre Sorgen eingehen: "Unter den Impfgegnern gibt es auch Leute, die sehr ernst zu nehmen sind."

Länder schnell eins

Kärntens Peter Kaiser (SPÖ) wiederum skizzierte "viele Bruchlinien" in den Verhandlungen, aber angesichts der Dringlichkeit – "es geht um Menschenleben" – sei man sich auf Länderebene bald einig geworden. Kaiser hob "die einzigartige Gesprächsbasis" hervor, die in der Landeshauptleutekonferenz herrsche und die den Kompromiss erst möglich gemacht habe.

So hatten die Länder schließlich einen Plan, lange bevor die Bundesregierung, vertreten durch Schallenberg und Mückstein, am späten Donnerstagabend in Pertisau einritt. Es galt, die beiden vom föderalen Kompromiss zu überzeugen.

Bis zuletzt hatte sich besonders der Kanzler öffentlich gegen einen Lockdown für alle ausgesprochen. Der Grund dafür: Seit Wochen propagiert man bei den Türkisen, dass die Pandemie für die Geimpften vorbei sei. Von diesem Standpunkt wollte auch Schallenberg offenbar nicht abweichen. Donnerstagabend war Schallenberg bereits auf dem Weg an den Tiroler Achensee, da hieß es auf STANDARD-Anfrage von seiner Sprecherin noch: Nein, es wird keinen bundesweiten Lockdown für alle geben.

Konsequente Maßnahmen

Zu diesem Zeitpunkt machten die Landeschefs aus den rot geführten Bundesländern schon längst für den Lockdown mobil: Hans Peter Doskozil aus dem Burgenland erklärte, er rechne mit bundesweiten Schließungen, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig wies in einem Statement auf die dramatische Situation hin und forderte konsequente Maßnahmen zur massiven Kontaktreduktion in ganz Österreich. Und im Umfeld von Kaiser hieß es bereits, wenn der Bund sich nicht durchringe, werde Kärnten selbstständig in den Lockdown ziehen.

Erst um drei Uhr morgens sei er ins Bett gekommen, und um sechs Uhr ging es schon wieder weiter, berichtete Kaiser am Freitag von einer kurzen Nacht. Denn an diesem Tag ging alles ganz schnell. Schon in der Früh berichteten erste Medien von der Einigung.

Schallenberg und Mückstein, die eigentlich bis zur geplanten Pressekonferenz zu Mittag in Tirol bleiben wollten, schienen das Zusammensein mit den Landeshauptleuten weniger zu genießen als gedacht und kündigten eine frühere Abreise an. Die offizielle Bekanntgabe des Lockdowns gemeinsam mit Ludwig und Landeschef Günther Platter (ÖVP), der in Tirol als Gastgeber fungierte, wurde kurzerhand vorgezogen. Man könnte meinen, es sollte plötzlich keine Zeit mehr vertrödelt werden – an diesem Morgen wurden 15.809 Corona-Neuinfektionen gemeldet.

"Politische Garantie"

Dort entschuldigte sich der Gesundheitsminister für das Corona-Management: "Leider sind auch wir als Bundesregierung hinter unseren Ansprüchen geblieben – ich möchte mich dafür entschuldigen", sagte Mückstein. Der Lockdown sei das allerletzte Mittel gewesen und "immer eine Zumutung".

Schallenberg gab "die politische Garantie" ab, dass der am Montag beginnende bundesweite Lockdown für alle zumindest für die Gruppe der Geimpften nach spätestens 20 Tagen, am 12. Dezember, enden werde. Er sei davon überzeugt, dass diese Maßnahme Wirkung zeigen werde. Allerdings sei die Situation für Ungeimpfte eine andere, wenn man sich die Situation auf den Intensivstationen und die Entwicklung der Inzidenzen ansehe. Weshalb diese mit länger andauernden Einschränkungen zu rechnen haben.

Hier ist man bereits wieder uneins mit den Ländern: Oberösterreich hält trotz des bundesweiten Lockdowns bis 12. Dezember an seinem Zeitplan fest und will zumindest fünf Tage länger zugesperrt bleiben. Dann werde man entscheiden, wie es weitergeht, kündigte Landeshauptmann Stelzer an: "Ich glaube nicht, dass sich das Virus an politische Terminkalender hält." (Steffen Arora, Oona Kroisleitner, 20.11.2021)