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Kyle Rittenhouse wurde am Freitag in allen Anklagepunkten freigesprochen. Richter Schroeder (im Hintergrund) bedankte sich bei der Jury.

Foto: Mark Hertzberg/Pool Photo via AP

Kyle Rittenhouse, der im vergangenen Jahr bei Anti-Rassismus-Protesten in Kenosha im US-Bundesstaat Wisconsin zwei Menschen tötete und einen verletzte, wurde am Freitag freigesprochen. Die zwölf Geschworenen befanden den Schützen in allen fünf Anklagepunkten für nicht schuldig. Ihm wurde unter anderem Mord vorgeworfen.

Nach der Verlesung des Urteils bedankte sich Richter Bruce Schroeder, der immer wieder mit umstrittenen Aussagen für Aufsehen gesorgt hatte, bei den Geschworenen mit den Worten: "Ich hätte mir keine bessere Jury wünschen können."

Acht Tage lang waren im Prozess mehr als 30 Zeuginnen und Zeugen angehört sowie umfassend Videomaterial gesichtet worden. Seit Dienstag hat die Geschworenen-Jury beraten. Der Gouverneur von Wisconsin, Tony Evers, hatte bereits vorab 500 Mitglieder der Nationalgarde von Wisconsin in Bereitschaft versetzt, sollte es nach dem Urteil zu Unruhen kommen.

Rittenhouse selbst ist seinem Anwalt zufolge erleichtert und freue sich darauf, sein Leben fortzusetzen. Die Eltern von Anthony Huber, einem der Erschossenen, sprachen in einem Statement hingegen von einer "inakzeptablen Botschaft", die das Urteil sende. "Bewaffnete Zivilisten können in irgendeiner Stadt auftauchen, Gewalt anzetteln und dann die Gefahr nutzen, die sie geschaffen haben, um zu rechtfertigen, Menschen auf der Straße zu erschießen." US-Präsident Joe Biden hat am Freitag Abend erklärt er stehe zu der Jury-Entscheidung. "Das Jurysystem funktioniert. Wir müssen uns daran halten", so Biden.

Vorfall im Sommer 2020

Der damals 17-jährige Rittenhouse war im August 2020 nach Kenosha gereist und hatte sich dort bewaffneten Männern angeschlossen, die nach eigenen Angaben Geschäfte vor Plünderern schützen wollten.

Die Stadt war zu dieser Zeit in Aufruhr. Zahlreiche Menschen schlossen sich den Black-Lives-Matter-Protesten an, nachdem ein Polizist den Schwarzen Jacob Blake mit mehreren Schüssen in den Rücken schwer verletzt hatte, er ist seither querschnittsgelähmt. Seit Mai 2020, nach dem Mord eines Polizisten an George Floyd, war es landesweit zu Demonstrationen gegen rassistische Polizeigewalt gekommen.

Zwei Tote, ein Schwerverletzter

Warum es an diesem Abend im August zur Eskalation kam, darüber existieren verschiedene Erzählungen. Auf Videos ist zu sehen, wie sich Rittenhouse und der 36-jährige Joseph Rosenbaum gegenseitig verfolgen, Rosenbaum einen Plastiksack in seine Richtung wirft. Dann feuert eine andere Person einen Schuss in die Luft – kurz darauf schießt Rittenhouse mit einem halbautomatischen Gewehr viermal auf Rosenbaum, der nicht überlebt.

Mehrere Menschen folgen dem Schützen und versuchen offenbar, ihn zu entwaffnen. Der 26-jährige Anthony Huber schlägt Rittenhouse mit seinem Skateboard, der erneut mit seiner Waffe reagiert. Auch Huber überlebt nicht. Rittenhouse schießt wenig später auf einen dritten Mann, Gaige Grosskreutz, er überlebt schwerverletzt. Insgesamt feuert Rittenhouse seine Waffe – die ihm ein Freund besorgt hatte, weil er mit 17 nicht alt genug war, um im Bundesstaat Wisconsin legal eine zu erwerben – an diesem Abend achtmal ab.

Die Polizei trifft ihn noch an Ort und Stelle mit seinem Gewehr um den Hals an, nimmt ihn aber nicht fest. Er fährt zunächst nach Hause und stellt sich danach selbst der Polizei.

Notwehr oder Provokation

Beim Prozess argumentierten Rittenhouse' Anwälte, er habe aus Notwehr gehandelt. Rittenhouse selbst gab zu, gewusst zu haben, dass Rosenbaum unbewaffnet war. Er befürchtete aber, Rosenbaum hätte ihm die Waffe wegnehmen können. Die Anklage hatte argumentiert, es sei Rittenhouse gewesen, der den Vorfall am 25. August 2020 "provoziert", der rücksichtslos und kriminell gehandelt habe.

Rittenhouse wurde durch sein Handeln insgesamt zu einer Art Galionsfigur des rechtsextremen Lagers, das auf Waffenbesitz und Selbstverteidigung pocht. Der damalige US-Präsident Donald Trump hatte nach dem Vorfall gesagt, dass Rittenhouse "in großen Schwierigkeiten" gesteckt habe, weil Demonstranten ihn "gewaltsam angegriffen" hätten. "Er wäre vermutlich getötet worden." (maa, 19.11.2021)