Bild nicht mehr verfügbar.

Laut Polizei nahmen rund 35.000 Menschen teil, die FPÖ sprach gar von 100.000 Personen.

Foto: AP / Lisa Leutner

Wien – An der Großdemonstration gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung und den kommenden Lockdown haben am Samstagnachmittag laut Polizei rund 38.000 Menschen teilgenommen. Die FPÖ sprach gar von 100.000. Der Lockdown für alle ab Montag und die angekündigte Impfpflicht dürften dazu geführt haben, dass noch mehr mitmarschierten als ursprünglich erwartet wurde. Am Nachmittag zog ein Demozug über den Ring. Ab 12 Uhr sammelten sich die Aktivisten insbesondere am Heldenplatz. Die Exekutive ist mit mehr als 1.300 Beamten im Einsatz, dazu kamen auch Polizeidiensthunde.

Im Laufe des Samstagnachmittags kam es vorerst zu zehn Festnahmen.
EPA / Christian Bruna

Am Nachmittag kam es vorerst zu zehn Festnahmen, wie DER STANDARD aus Polizeikreisen erfuhr. Dazu kamen zumindest zehn Anzeigen nach dem Verbotsgesetz. Teilnehmer hatten unter anderem gelbe Sterne mit der Aufschrift "ungeimpft" getragen, aber auch Plakate mit Aufschriften wie "so begann es 1938" oder "Schallenberg = Mengele" gehalten. Die Festnahmen erfolgten laut einem Polizeisprecher sowohl wegen Verwaltungsdelikten als auch strafrechtlich wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Außerdem gab es Anzeigen wegen Verstößen gegen die Covid-Maßnahmen-Verordnung sowie nach dem Verbotsgesetz.

Nehammer: Gelbe Sterne geschmacklos und verharmlosend

"Wenn im Zuge einer Versammlung – die von einer im Parlament vertretenen Partei organisiert und beworben wird – Polizisten angegriffen und strafbare Handlungen nach dem Verbotsgesetz gesetzt werden, ist das völlig inakzeptabel," heißt es in einer Stellungnahme von Innenminister Karl Nehammer auf Nachfrage von DER STANDARD. Die Verwendung von gelben Sternen mit der Aufschrift "Ungeimpft" sei ein Versuch, sich mit den Opfern des NS-Regimes gleichzusetzen. "Das ist nicht nur völlig geschmacklos, sondern verharmlost die Verbrechen der Nationalsozialisten und beleidigt die Millionen Opfer der NS-Diktatur und deren Angehörige", so Nehammer. Bei den heute diensthabenden Polizistinnen und Polizisten bedankt er sich.

Die Polizei berichtete immer wieder von teils aufgeheizter Stimmung. Aggressive Teilnehmer zündeten am Ring pyrotechnische Gegenstände und bewarfen Beamte mit Bierdosen und Plastikflaschen. Einem Beamten soll zudem versucht worden sein, die Schusswaffe aus dem Sicherheitsholster zu entreißen.

Mindestens drei Personen leisteten Widerstand gegen die Staatsgewalt, am Ring wurden Rauchbomben gezündet sowie Beamte und der freie Journalist Michael Bonvalot mit Flaschen und Dosen beworfen. Bonvalot berichtete auf Twitter von Angriffen mit Pfefferspray und Wurfgeschoßen durch extreme Rechte, er war schon im Vorfeld in sozialen Medien mit körperlicher Gewalt bedroht worden. Auch sollen Steckbriefe von unliebsamen Journalisten auf der Demonstration verteilt worden sein. Am Abend wurde die Polizei erneut mit Gegenständen beworfen. Sie setzte sich mit Pfefferspray zur Wehr. Die Stimmung vor dem Burgtor war am frühen Abend aufgeheizt.

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP / Lisa Leutner

Ring ab Operngasse gesperrt

Für Aufregung sorgten auch Teilnehmer, die unter Applaus mit einem Banner, der sie als Polizisten auswies, durch das Burgtor auf den Heldenplatz einzogen. Dabei dürfte es sich nach Informationen der APA um deutsche Staatsbürger handeln. Die heimische Polizei kündigte an, diesen Fall zu prüfen.

Unter den Demonstranten sind auch der Holocaustleugner Gottfried Küssel, der Identitäre Martin Sellner sowie rechte Hooligans vertreten. Auch der frühere FPÖ-Chef Heinz Christian Strache und Anti-Corona-Aktivist Martin Rutter waren zugegen.

EPA / Christian Bruna

Der Ring wurde gegen 12.00 Uhr ab der Operngasse gesperrt. Laufend strömten weitere Maßnahmen-Gegner und Covid-Leugner in die City, hunderte waren auch mit dem Zug aus den Bundesländern angereist und über die Mariahilferstraße marschiert. Teilweise verliefen die Kundgebungen chaotisch. Am Nachmittag marschierte ein Demozug den Ring entlang. Bei einer Kundgebung im Museumsquartier wurde FPÖ-Chef Herbert Kickl zugeschaltet. Er wurde positiv auf das Coronavirus getestet und befindet sich in Quarantäne.

Die Exekutive riet bereits im Vorfeld, die Wiener Innenstadt zu meiden. Sowohl aus den Bundesländern als auch aus dem benachbarten Ausland waren Aktivisten auch mit Bussen angereist, diese wurden stichprobenartig an der Stadtgrenze und in den Bundesländern kontrolliert.

EPA / Christian Bruna

Maskenpflicht bei fehlendem 2G-Nachweis

Bei Demonstrationen mit mehr als 50 Teilnehmern müssen alle eine FFP2-Maske tragen, sofern nicht alle Teilnehmer einen 2G-Nachweis haben, was bei den Demonstranten unwahrscheinlich ist. Mittels Lautsprecherdurchsage wies die Exekutive auf die Maskenpflicht hin, die Polizei kündigte auch an, dass die Einhaltung kontrolliert und Verstöße mit Anzeigen geahndet werden. Demonstranten mit Masken waren allerdings die Ausnahme, Österreich-Fahnen hingegen waren zahlreiche zu sehen.

EPA / Christian Bruna

Schutz von kritischer Infrastruktur

Im Vorfeld hatten zahlreiche Querdenker und Covid-Leugner insbesondere auf Telegram mobilisiert. Aufrufe gab es auch bei den Identitären und in der Hooligan-Szene. Außerdem gab es Gerüchte über mögliche Angriffe auf Spitäler, Medienhäuser, Ministerien und das Parlament. Diese Einrichtungen der kritischen Infrastruktur werden besonders geschützt, betonte die Polizei. Auch bei den Impfstraßen der Bundeshauptstadt wurden die Sicherheitsmitarbeiter aufgestockt und die Polizeipräsenz erhöht.

Foto: EPA / Christian Bruna

Auch bei den Öffis kam es am Samstag zu Unterbrechungen und Verzögerungen. Auch "Alles Gurgelt" wies in den inneren Bezirken bei Abgabestellen via Aushang darauf hin, dass es aufgrund der Demonstrationen zu Verzögerungen bei der Abholung von PCR-Tests bzw. der Auswertung kommen kann.

Auf Grund der derzeitigen epidemiologischen Lage ersuchte die Polizei im Hinblick auf die eigene Gesundheit und die Gesundheit anderer, nicht bei Versammlungen teilzunehmen. Ein kleiner Teil der Kundgebungen am Samstag war im Vorfeld von der Polizei untersagt worden.

In den Bundesländern sind am Samstag keine größeren Kundgebungen zu erwarten. Rund 800 Personen haben bereits am Freitag in Innsbruck gegen den anstehenden Corona-Lockdown und die angekündigte Impfpflicht demonstriert. Die Teilnehmer an der nicht angemeldeten Kundgebung zogen nach Angaben der Polizei durch die Innenstadt. Zwischenfälle gab es keine. (red, APA, 20.11.2021)