Es wäre natürlich hilfreich, wenn sich die Regierung nicht nur entschuldigen, sondern sofort geschlossen eine große Impfwerbetour durch Österreich antreten würde.

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Wir müssten uns nicht überlegen, ob wir unsere Kinder nun in die Schule schicken oder doch lieber daheim selbst beschulen. Wir müssten nicht Weihnachtsfeiern absagen, uns erneut von unseren Freunden und unserer Familie distanzieren. Und wir müssten uns nicht davor fürchten, ernsthaft zu erkranken und im Spital nicht mehr bestmöglich behandelt zu werden. Diese Lockdown-Gedanken, diese Mischung aus Frust, Ärger und Unverständnis, beschäftigen derzeit viele Menschen. Das kann man auf allen Social-Media-Kanälen nachlesen.

Da neigt man auch zu Ungerechtigkeiten. Man wirft alle "Impfskeptiker" zu den "Corona-Skeptikern" in denselben Topf und verrührt diese dort mit den "Corona-Leugnern" und Verschwörungstheoretikern, die auf der Demo am Samstag in Wien antisemitische Hassparolen grölten. Das führt zu noch mehr Spaltung, noch mehr Hass und noch mehr Ausweglosigkeit. Und die Pandemie grassiert weiter.

Einmal tief durchatmen

Besser wäre, zunächst einmal tief durchzuatmen. Und dann den Versuch einer Unterscheidung zu unternehmen. Da gibt es die, nach Schätzungen, wohl chronisch unbelehrbaren zehn Prozent, die man nicht mehr erreichen kann. Jene, die alles ablehnen, was "vom Staat" kommt, die neben den "Systemmedien" nun auch die "Systemexperten" als Hassobjekte ausgemacht haben. Jene, die unrettbar in Richtung Schwurbler-Universum abgedriftet sind. Sie wird man, das ist deprimierend genug, nicht mehr überzeugen können.

Diese zehn Prozent können aber nicht die im Europa-Vergleich höchst schwache Durchimpfungsquote von nur 65 Prozent erklären. Und das ist die Chance und die Hoffnung, die in der gegenwärtigen Krise steckt. Anders als in Lockdowns zu Beginn der Pandemie gibt es einen Ausweg – und der heißt Impfung. Viele ungeimpfte Menschen in Österreich hielten es vielleicht bisher für ihre Privatsache, wie sie mit der Pandemie umgehen. Das mag auch daran liegen, dass Altkanzler Sebastian Kurz und die türkise ÖVP seit dem Sommer bis vor kurzem so agierten, als sei die Pandemie eigentlich vorbei. Da wäre es natürlich hilfreich, wenn sich die Regierung nicht nur entschuldigen, sondern sofort geschlossen eine große Impfwerbetour durch Österreich antreten würde. Kann sein, dass man dabei einige Unfreundlichkeiten zu hören bekäme – aber das wäre es wert. Jetzt ist Feuer am Dach, bitte impfen lassen, wir haben uns geirrt, es tut uns leid.

Erreichen und auseinandersetzen

Es gibt aber auch jene, die sich fürchten: vor schmerzhaften Impfreaktionen oder einer krassen Unverträglichkeit. Vor allem von jungen Menschen ist zu hören, dass sie überlegen, eine leichte Covid-Infektion einer stärkeren Impfreaktion vorzuziehen. Mit ihnen muss man sich vor allem auseinandersetzen, wo immer man sie erreichen kann. Eine in Kauf genommene Infektion mit unbestimmten Langzeitfolgen kann niemals eine Alternative zur Impfung sein. Weiteres Augenmerk muss man – spät genug – auf junge Frauen legen. Die Mär von der Unfruchtbarkeit durch Impfung und der vermeintlichen Gefahr von Fehlgeburten drang tief in die Bevölkerung ein.

Dass das alles hilft, dass es dazu führt, dass jene, die durchaus nachvollziehbare Ängste umtreiben, sich am Ende doch zur Vernunftentscheidung pro Impfung durchringen, ist nicht garantiert.

Aber die Regierung muss endlich damit beginnen, es zu versuchen. (Petra Stuiber, 21.11.2021)