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Der Ätna bei einem Ausbruch im August 2021. Vulcano gilt als noch gefährlicher.

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Etwa 250 der 500 ständigen Einwohner Vulcanos werden am Montag fern von ihren Behausungen schlafen müssen – auf einer der anderen Äolischen Inseln oder im nahen Sizilien. Der Grund: Die unzähligen Fumarolen – Felsspalten, aus denen gefährliche Gase austreten – werden immer heißer und immer aktiver. Nachdem bereits einige Hauskatzen verendet sind, hat der Bürgermeister der Hauptinsel Lipari, Marco Giorgianni, angeordnet, dass die Bewohner rund um den Hafen von Vulcano nicht mehr in ihren Häusern übernachten dürfen. Die Regel soll vorerst für einen Monat gelten. Die Regionalregierung von Sizilien, zu dem die Äolischen Inseln politisch gehören, hat über Vulcano den Notstand verhängt. Für Touristen wurde die Insel bis auf weiteres ganz gesperrt.

"Die Gas-Konzentrationen in der Luft bereiten uns große Sorgen", betonte Bürgermeister Giorgianni am Wochenende. Vulkanologen hätten ermittelt, dass aus den Fumarolen derzeit täglich 480 Tonnen Kohlendioxyd (CO2) austreten – normal sind 80 Tonnen. Sehr viel höher als üblich sei auch die Konzentration von hochgiftigem Schwefelwasserstoff und Schwefeldioxyd. Das CO2 als solches ist zwar nicht giftig, aber schwerer als Luft; wenn die CO2-Schwaden aus den Fumarolen in geschlossene Räume eindringen, droht – weil es geruchlos ist und deshalb von den schlafenden Bewohnern nicht bemerkt würde – der Erstickungstod.

Steht ein großer Ausbruch bevor?

Doch letztlich sorgen sich die Bewohner nicht so sehr wegen den Gas-Emissionen – die bange Frage lautet viel mehr: Sind das derzeitige Rumoren, der Temperaturanstieg und auch die Häufung von kleinen Erd- und Seebeben in den letzten Wochen die Vorboten eines möglicherweise bevorstehenden großen Ausbruchs?

Die Experten haben darauf keine definitive Antwort. "Aber eines können wir mit Gewissheit sagen: Die geologischen und thermischen Prozesse im Innern des Vulkans sind aus dem Gleichgewicht geraten, was zu den erhöhten Gas-Emissionen geführt hat", betont Marco Viccaro, Universitätsdozent und Präsident der italienischen Vulkanologen-Vereinigung. "Die Entwicklung muss auf jeden Fall aufmerksam verfolgt werden."

Unter den Wissenschaftlern gilt Vulcano als gefährlicher als beispielsweise der benachbarte Stromboli und der ungleich größere Ätna auf Sizilien. Die beiden letzteren sind ebenfalls seit Monaten ungewöhnlich aktiv – aber dank ihrer spektakulären Lava-Fontänen wird der Druck in den Magmakammern jedes Mal wieder verringert. Bei Vulcano dagegen tritt keine Lava an die Oberfläche, und der Druck im Innern des Berges nimmt zu – bis es, irgendwann, zu einem explosionsartigen Ausbruch kommen wird.

Keine Rettung für Strafgefangene

Das war bei Vulcano letztmals 1888 der Fall; der Ausbruch dauerte bis zum Jahr 1890. Die Inselbewohner konnten sich damals mit Schiffen in Sicherheit bringen; für eine Kolonie von Strafgefangenen, die im "Grande Cratere" Schwefel abbauen musste, endete der Ausbruch tödlich.

Die sieben Äolischen oder Liparischen Inseln – Lipari, Vulcano, Salina, Stromboli, Panarea, Filicudi und Alicudi – sind alle vulkanischen Ursprungs. Lipari, Vulcano und der mehrmals täglich ausbrechende Stromboli sind noch aktiv. Sie befinden sich, wie der Ätna auf Sizilien, tektonisch gesehen auf der Schnittstelle, wo die afrikanische und die eurasische Platte aufeinander treffen. Für Naturliebhaber ist der Archipel mit seinen vom Vulkanismus geprägten Landschaften, der reichen Pflanzenwelt und dem Kobaltblau des Meeres eines der faszinierendsten Reiseziele Italiens überhaupt.

Die Inselgruppe hat ihren Namen von Aeolus, dem antiken Gott der Winde. Vulcano wiederum galt in der römischen Mythologie als die Schmiede des Feuergotts Vulcanus. Der 900 Meter hohe Stromboli wurde in der Antike wegen seiner regelmäßigen und weit herum sichtbaren Ausbrüche, an denen sich die Seefahrer in der Nacht orientieren konnten, auch als "Leuchtturm des Mittelmeers" bezeichnet. (Dominik Straub aus Rom, 21.11.2021)