Immer wieder wurde im Sudan gegen die Machtübernahme des Militärs protestiert. Nun ist Premier Abdalla Hamdok wieder im Amt, doch auch am Sonntag gab es Demonstrationen – inklusive brennender Reifen.

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Und auf einmal war er wieder da. Am Sonntag hat Abdalla Hamdok überraschend wieder das Amt des Premierministers im Sudan übernommen. Die Militärherrscher hatten zuvor eine Vereinbarung mit ihm unterzeichnet, die seine Wiedereinsetzung als Regierungschef und die Freilassung der seit dem Putsch vor vier Wochen verhafteten politischen Gefangenen vorsieht.

Die Vereinbarung war in der Nacht auf Sonntag unter Vermittlung einer aus Politikern, Akademikern und Journalisten bestehenden Gruppe zustande gekommen und sieht außerdem die Einsetzung eines neuen, aus Technokraten bestehenden Kabinetts vor.

Die Einigung wird vom Oppositionsbündnis "Kräfte für Freiheit und Wandel" (FFC) allerdings abgelehnt. In sozialen Netzwerken veröffentlichte das Bündnis eine Erklärung, in der es heißt: "Wir bestätigen unsere klare Position, dass wir keine Verhandlungen mit den Putschisten führen, kein Bündnis mit ihnen schließen und ihnen keine Legitimation zukommen lassen."

"Soldaten in die Kasernen"

Während der Unterzeichnung der Vereinbarung im Präsidentenbüro in Khartum demonstrierten in der Nähe des Gebäudes tausende Oppositionelle – auch in zahlreichen anderen sudanesischen Städten kam es am Sonntag wieder zu Massendemonstrationen. Dabei dominierten Sprechchöre, die der Vereinbarung mit den Militärs eine Absage erteilten: "Die Macht gehört dem Volk" oder "Die Soldaten gehören in die Kasernen".

Polizei und Milizionäre der paramilitärischen Rapid Reaction Force setzten erneut Tränengas und scharfe Munition ein – über die Zahl der Opfer lagen bis zum Redaktionsschluss keine Angaben vor. Bei den jüngsten Protesten am Mittwoch waren mindestens 17 Personen getötet worden, der blutigste Tag seit dem Putsch am 25. Oktober.

Mindestens 40 Tote

Nach Angaben der sudanesischen Ärztevereinigung kamen in den vergangenen vier Wochen mindestens 40 Personen ums Leben – die meisten durch Schüsse mit scharfer Munition. Die Polizei dementiert, jemals scharfe Munition eingesetzt zu haben, und spricht von einem toten und 30 verletzten Demonstranten. Dagegen seien 89 Polizisten verletzt worden, teilte die Polizeiführung mit.

Einzelheiten der 14 Punkte umfassenden Vereinbarung zwischen den Militärs und Premierminister Hamdok wurden bis zum Redaktionsschluss nicht bekannt. Einerseits hieß es, die Einigung basiere auf der Grundlage der vor zwei Jahren zwischen den Militärs und der zivilen Opposition getroffenen Regelungen. Doch damals war die Beteiligung von Oppositionsmitgliedern sowohl im Kabinett wie im Souveränen Rat gesichert, der als höchstes Staatsorgan fungiert.

Opposition nicht mehr vertreten

Putschistenführer Abdelfattah al-Burhan besetzte den Souveränen Rat inzwischen allerdings eigenmächtig um und entfernte die Mitglieder des FFC. Auch die Vereinbarung, dass das Kabinett von Technokraten besetzt werden soll, weist darauf hin, dass dort keine Repräsentanten des Oppositionsbündnisses mehr vertreten sein sollen.

Der Deal stößt bei der protestierenden Bevölkerung auch deshalb auf Ablehnung, weil er die Militärführung offenbar weder für den Putsch noch für ein vor zwei Jahren begangenes Massaker an Demonstranten zur Verantwortung zieht. Unklar ist auch, was mit den personellen Eingriffen geschieht, die General al-Burhan in den vergangenen vier Monaten vorgenommen hat.

Der Militärchef hat viele führende Positionen in Behörden, staatlichen Medien und Staatsbetrieben mit Vertretern aus den Zeiten der Diktatur Omar al-Baschirs besetzt. Außerdem löste er eine Kommission auf, die der Korruption und dem Machtmissbrauch führender Militärs nachgehen sollte.

Was macht der Westen?

Mit Spannung wird jetzt die Reaktion des westlichen Auslands auf den umstrittenen Deal zwischen Hamdok und den Militärs erwartet. Washington, die EU und die Weltbank haben nach dem Putsch die Zusammenarbeit mit dem Sudan auf Eis gelegt – eine ihrer Forderungen war die Wiedereinsetzung Hamdoks als Premierminister.

In Oppositionskreisen wird befürchtet, dass es den Militärs nun gelungen sei, einen Keil zwischen gemäßigte und radikale Kritiker der Militärherrschaft zu treiben – und dass die Sicherheitskräfte nun noch brutaler gegen die Kritiker der Vereinbarung vorgehen werden. (Johannes Dieterich, 21.11.2021)