Im Jahr eins nach dem Kauf eines Geräts muss der Verkäufer beweisen, dass der Mangel erst später aufgetreten ist.

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Mit 1. Jänner 2022 treten in Österreich die neuen Gewährleistungsbestimmungen in Kraft, mit denen zwei EU-Richtlinien umgesetzt werden. Bis dahin werden allerdings noch allerhand rechtliche Fragen sowie die praktische Handhabung mancher Bestimmungen im Geschäftsverkehr zu lösen sein.

Die größte Errungenschaft der Reform aus Verbrauchersicht sind die verlängerten Fristen. Bei der Beweislastumkehr beträgt sie nunmehr zwölf Monate. Daher muss etwa der Käufer eines Smartphones in den ersten zwölf Monaten nicht beweisen, dass der Bildschirm bereits beim Kauf defekt war; es liegt am Verkäufer zu beweisen, dass der Mangel noch nicht vorhanden war.

Dies stärkt den Verbraucher, weil es etwa bei komplexen elektronischen Geräten für Verbraucher bisher kaum möglich war, das Vorliegen eines Mangels ohne erheblichen Aufwand zu beweisen. Zudem wird die Verjährungsfrist verlängert: Der Käufer kann künftig den Mangel nach Ablauf der zweijährigen Gewährleistungsfrist noch binnen drei Monaten geltend machen.

Neuer Mangelbegriff

Es wird zudem ein neuer Mangelbegriff eingeführt. Der Händler haftet nunmehr dafür, dass das Produkt sämtliche objektiv erforderlichen Eigenschaften aufweist und somit für jene Zwecke geeignet ist, für die derartige Produkte üblicherweise verwendet werden.

Die Beurteilung, welche Eigenschaften tatsächlich objektiv erforderlich sind, könnte sich in der Praxis noch als schwierig erweisen. Es gibt eindeutige Fälle, wie etwa fehlende Räder beim Auto. Bei anderen Produkten und Eigenschaften ist die Beurteilung schwieriger: Ist es etwa ein Mangel, wenn ein Elektrogriller, der klassischerweise outdoor verwendet wird, nicht regenwasserfest ist? Hier gibt es Argumente für beide Ansichten.

Hinzu kommt, dass die Produkte künftig auch mit jenem Zubehör ausgestattet sein müssen, deren Erhalt der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann; andernfalls liegt ein Mangel vor. Auch hier wird es in der Praxis bei der Umsetzung Schwierigkeiten geben: So kann der Kunde beim Kauf eines Fernsehers erwarten, dass ein Netzstecker mitgeliefert wird. B

ei einem Smartphone, dem lediglich ein USB-Kabel beiliegt, wird ein fehlender Netzadapter hingegen keinen Mangel darstellen: Das Gerät kann im Gegensatz zum Fernseher nämlich auch an USB-Ports geladen werden. Ein Netzadapter wird möglicherweise vom Kunden aus Gewohnheit erwartet, das ist aber nicht zwingend.

Vernünftige Erwartungen

Künftig muss ein Produkt unter anderem auch die Qualität, Haltbarkeit, Funktionalität und Sicherheit aufweisen, die bei derartigen Produkten – auch unter Berücksichtigung von Werbung – vernünftigerweise erwartet werden können; andernfalls liegt ein Mangel vor. Diese Bestimmung wird für die Praxis zwar von enormer Bedeutung sein, die konkrete Handhabung ist jedoch schwierig.

So wird man von hoch- oder höherpreisigen Produkten auch höhere Qualität oder Haltbarkeit erwarten dürfen. Unsachgemäße Handhabung oder fehlende Wartung werden Gewährleistungsansprüche hingegen ausschließen. Welche Abweichungen letztlich tatsächlich zur Gewährleistung berechtigen werden, ist völlig offen.

Um möglichen Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen, könnten Händler bestimmte Eigenschaften und Zubehör vom Vertrag durch eine Abweichungsvereinbarung ausschließen. Der Verbraucher muss von der Abweichung vor Vertragsschluss allerdings eigens in Kenntnis gesetzt werden und ihr ausdrücklich zustimmen. Auf diesem Wege kann die Gewährleistung für verschiedenste Eigenschaften ausgeschlossen werden. In der Praxis empfiehlt es sich, eine solche Abweichung gesondert unterschreiben zu lassen bzw. im Onlineshop mit eigener Checkbox die Zustimmung des Käufers einzuholen.

Kostenlose Updates

Eine weitere Neuerung ist die sogenannte Aktualisierungspflicht des Unternehmers. Dieser muss bei Produkten mit digitalen Elementen – etwa Betriebssystemen oder Smart-Technologie – kostenlose Updates zur Verfügung stellen, um deren Funktionsfähigkeit und IT-Sicherheit zu gewährleisten.

Auch diese Regelung wirft jedoch einige Fragen auf. Nach dem Gesetzestext gilt diese Pflicht mindestens für zwei Jahre und solange sie vernünftigerweise erwartet werden kann. Doch wie lange kann man vernünftigerweise Updates erwarten?

Bei hochpreisigen Produkten wie einer vernetzten Waschmaschine wird das in der Regel länger als zwei Jahre sein. Ebenso unklar ist, für welche Geräte oder Produktbestandteile die Aktualisierungspflicht gilt: Während ein Tablet oder Fernseher wohl darunterfällt, ist dies bei einem Navigationsgerät im Auto fraglich.

Da auch die Aktualisierungspflicht vertraglich ausgeschlossen werden kann, ist zu erwarten, dass viele Verkäufer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen werden, um Streitigkeiten zu vermeiden. (Michael Fink, Stefan Adametz, 22.11.2021)