Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein von den Grünen hat mit einem Sager über Österreich als Impfeuropameister für Aufregung gesorgt.

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Mit einem mehrwöchigen Lockdown, vollen Spitälern und Intensivstationen sowie einer chaotischen Regierungskommunikation, die ihresgleichen sucht, sollte die Zeit von politischen Selbstbeweihräucherungen in Österreich eigentlich längst der Vergangenheit angehören. Am Sonntagabend ließ Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) in der "ZiB 2" aber eine Bemerkung fallen, die an alte Muster der türkis-grünen Bundesregierung erinnerte. Österreich sei "im Moment Impfeuropameister", führte Mückstein aus – und in Österreich würde "so viel wie nirgends in Europa" getestet werden.

Aber wie gehen Lockdown und Impfeuropameister zusammen? Oder um bei den Rankings zu bleiben: Wie kann ein Land Impfeuropameister sein, das weltweit eine der höchsten Corona-Neuinfektionsraten aufweist und als erstes europäisches Land einen Komplett-Lockdown in der neuen Corona-Welle verhängen musste?

Mücksteins Sager ist nicht völlig an den Haaren herbeigezogen. Aber seine Worte sind primär sehr falsch und sekundär nur ein bisschen richtig.

Am Freitag zweitstärkster Corona-Impftag in diesem Jahr

In Österreich wird aktuell pro Kopf tatsächlich so viel geimpft wie sonst nirgends in Europa. Allein am vergangenen Freitag ließen sich knapp 136.500 Personen impfen. Das ist der zweithöchste Tageswert seit Beginn der Impfkampagne: Nur am 2. Juni ließen sich mit 144.000 Personen mehr stechen. Im Wochenschnitt wurden zuletzt 93.400 Impfungen pro Tag verabreicht: So hoch war der Sieben-Tage-Durchschnitt bislang noch nie in Österreich.

Der überwiegende Großteil sind Booster-Impfungen

Dennoch muss festgehalten werden: Der überwiegende Großteil der aktuell durchgeführten Covid-Impfungen sind Auffrischungsimpfungen – also Impfungen von Personen, die bereits zuvor impfwillig waren. Von den insgesamt 653.750 Impfungen in den letzten sieben Tagen waren 107.465 Erststiche – das sind rund 16 Prozent.

Mücksteins Worte über Österreich als "Impfeuropameister" mögen also für die letzten Tage und Wochen stimmen: Betrachtet man die Impfkampagne in Europa seit Jahresbeginn, ist Österreich freilich ins Hintertreffen geraten. Von einer europameisterwürdigen Performance ist weit und breit nichts zu sehen.

Österreich bei Erststichen genau im EU-Durchschnitt

Zwar konnte Österreich zuletzt mit den stark gestiegenen Impfraten im EU-Vergleich etwas aufholen. Dennoch ist die Impfquote verglichen mit den anderen europäischen Staaten nur Durchschnitt. EU-weit haben aktuell laut der europäischen Behörde ECDC 69,9 Prozent der Gesamtbevölkerung zumindest eine Covid-Schutzimpfung erhalten. Das ist übrigens exakt der Wert, der auch für Österreich ausgegeben wird. Der "Impfeuropameister" Österreich, wie Mückstein meinte, ist also mittlerweile durchschnittlich unterwegs.

Zum Vergleich: In Portugal wurden laut ECDC – das ist das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten – 87,9 Prozent der Gesamtbevölkerung zumindest einmal geimpft. In Spanien waren es 80,7 Prozent. Italien (78,2 Prozent) liegt deutlich, Deutschland (70,1 Prozent) noch knapp vor Österreich.

Bei zwei Impfungen ist Österreich unterdurchschnittlich

Bei den Personen mit zwei Impfungen hat Österreich aktuell noch die schwächsten Werte in Westeuropa vorzuweisen: Die ECDC führt Österreich hier mit 64,4 Prozent, das ist sogar unter dem EU-Schnitt von 65,5 Prozent. Portugal hat 81,4 Prozent vorzuweisen, Spanien 74,1. Auch Deutschland (67,5 Prozent) liegt in dieser Berechnung noch drei Prozentpunkte vor Österreich. In Osteuropa sind die Impfquoten bei den Vollimmunisierten aber noch deutlich niedriger als hierzulande. (David Krutzler, 22.11.2021)