In Wolfgang Fellners Medien wurden die Belästigungsvorwürfe gegen den Medienmacher als Intrige der "Krone" dargestellt. Deshalb wurde deren Herausgeber Christoph Dichand mit 30.800 Euro entschädigt.

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Im Saal 205 des Straflandesgerichts Wien war man sich am Dienstag in einer Sache einig: Hier stehen einander zwei erbitterte Widersacher des österreichischen Boulevards gegenüber, die "Kronen Zeitung" und Wolfgang Fellners Medien Oe24.at sowie die Mediengruppe Österreich. Wie weit deren Konkurrenzkampf gehen darf, darüber wurde gestritten.

"Krone"-Herausgeber und -Chefredakteur Christoph Dichand hatte die Fellner-Medien geklagt. Diese hätten in ihrer Berichterstattung suggeriert, Dichand persönlich stehe hinter den zahlreichen Belästigungsvorwürfen gegen Fellner. Dies konnten Fellners Medien vor Gericht nicht ausreichend beweisen und wurden wegen übler Nachrede verurteilt. Sie müssen Dichand eine Entschädigung in der Höhe von insgesamt 30.800 Euro zahlen. Die Gegenseite meldete am Dienstag noch volle Berufung an, am Mittwoch zog der Anwalt der "Österreich"-Gruppe die Berufung zurück, das Urteil ist somit rechtskräftig*.

"Keinen Anhaltspunkt"

Laut Richter Gerald Wagner ergab das Beweisverfahren "keinen Anhaltspunkt", dass Dichand persönlich etwas mit den Vorwürfen der sexuellen Belästigung gegen Fellner zu tun habe. Es möge zwar sein, dass die "Krone" sich an den Vorwürfen nicht störe und sie "gerne" dazu veröffentliche, von einer gesteuerten "Rufmordkampagne", wie es in den inkriminierten Artikeln behauptet worden war, könne aber nicht die Rede sein.

Richter Wagner hielt die Zeuginnen Angela Alexa und Raphaela Scharf, die beide Fellner sexuelle Belästigung vorwerfen, für "ausgesprochen glaubwürdig". Letztere arbeite zwar jetzt für die "Krone", werde in medienrechtlichen Verfahren von ihrem Arbeitgeber unterstützt und mittlerweile von "Krone"-Anwalt Michael Rami vertreten, "dann sind die Zusammenhänge aber auch schon wieder vorbei", sagte Wagner in seiner Urteilsbegründung.

Verurteilung gegen Fellner persönlich

Grund für die Klage waren mehrere Artikel, die in "Österreich" und "Oe24" bzw. auf Oe24.at im Sommer dieses Jahres erschienen waren. Darin wird etwa behauptet, Dichand führe mit Anwalt Rami einen "Krieg" und eine "Rufmord-Kampagne" gegen die Mediengruppe Österreich. Außerdem wurde behauptet, dass einer Mitarbeiterin Geld geboten worden sei, wenn sie bestätige, dass Fellner sie sexuell belästigt habe. Die Vorwürfe mehrerer Frauen werden in einem Artikel als "frei erfunden" bezeichnet.

Denselben Wortlaut hatte Fellner persönlich gewählt, als er Gesprächsprotokolle seiner Ex-Mitarbeiterin Katia Wagner kommentierte, die DER STANDARD veröffentlichte. Erst vor knapp zwei Wochen wurde Fellner persönlich deshalb nicht rechtskräftig wegen übler Nachrede verurteilt. Wagner konnte mittels Tonaufnahme beweisen, dass Fellner sie bei einer Autofahrt und einem Abendessen 2015 etwa gefragt hatte, ob er ihr Kleid aufzippen solle, und ihr gesagt hatte, dass er sie liebe und geil finde. Wagner hatte auch in diesem Verfahren am Dienstag neben Alexa und Scharf bereits als Zeugin ausgesagt.

Mehrere Verfahren...

In einem inkriminierten Artikel von Mitte August wurden die Verfahren von Wagner und Scharf als "mittlerweile aussichtslos" bezeichnet, da "alle Zeugen" für Fellner ausgesagt hätten. Erst Anfang November verlor Fellner seine Unterlassungsklage gegen Scharf in erster Instanz. Das Gericht hielt beide Seiten für "gleich glaubwürdig". Auch dieses Urteil ist nicht rechtskräftig, da Fellner Berufung angekündigt hat.

Das Verfahren am Dienstag war eines von neun, die "Krone" und Dichand wegen der Berichterstattung über die Belästigungscausa am Handelsgericht und am Straflandesgericht Wien führen, DER STANDARD berichtete.

Vertraute Stimmung...

Im Gerichtssaal war man sich am Dienstag jedenfalls vertraut: Der Anwalt der Fellner-Medien, Georg Zanger, führte in seinem Schlussplädoyer aus, dass die Artikel alleinig im Licht des Konkurrenzverhältnisses der beiden Medien zu lesen seien. Dass Dinge "übertrieben und überzogen" dargestellt wurden, müsse sich Dichand gefallen lassen.

Volle Berufung

Das Gericht schloss sich dem nicht an und verurteilte die Oe24 GmbH nicht rechtskräftig zu insgesamt 12.000 Euro und die Mediengruppe Österreich nicht rechtskräftig zu insgesamt 18.800 Euro Schadenersatz. Anwalt Rami gab sich zufrieden, ließ sich aber offen, das Urteil der Höhe nach zu bekämpfen. Der zweite Anwalt der Fellner-Medien, Peter Zöchbauer, kündigte volle Berufung an. Rami verabschiedete sich mit einem "bis bald", Richter Wagner daraufhin: "Länger als zwei Wochen dauert es sicher nicht."

Update (24.11.2021): Urteil rechtskräftig

Das Urteil im Verfahren von "Krone"-Herausgeber Christoph Dichand gegen die Mediengruppe "Österreich" ist – Stand Mittwochnachmittag – rechtskräftig. Die von Peter Zöchbauer vertretene Gegenseite habe die noch in der Hauptverhandlung angemeldete Berufung zurückgezogen, teilte der für die "Krone" tätige Anwalt Michael Rami am Mittwoch mit, mehr dazu lesen Sie hier. (Laurin Lorenz, 23.11./Update, red, 24.11.2021)