Auch in Deutschland wird überlegt, wie mehr Menschen zur Impfung bewegt werden können – wie hier bei einer Impfstelle in Köln.

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"Es wird keine Impfpflicht geben. Wir wollen keine Impfpflicht, sondern wir werben für das Impfen." Das sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch im Juli. Die deutsche Regierung hatte die Absicht, ohne Pflicht zum Piks durch die Pandemie zu kommen.

Doch angesichts der auch in Deutschland steigenden Zahlen, der immer volleren Kliniken und des Vorpreschens Österreichs sprechen sich auch in Deutschland immer mehr Politiker für eine Impfpflicht aus. "Die Inzidenzen gehen bei den Ungeimpften durch die Decke", sagt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Man müsse zunächst noch einmal stark für das Impfen werben. Doch, so Söder: "Ich glaube, dass wir am Ende um eine allgemeine Impfpflicht nicht herumkommen werden."

Schwindende Hoffnung

Ähnlich sieht es SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Er sagt: "Ich würde das auf keinen Fall mehr ausschließen und tendiere dazu, zu sagen: Das hilft uns jetzt nicht akut, aber wir müssen uns einer Impfpflicht nähern. Ohne Impfpflicht erreichen wir offensichtlich die Impfquote nicht, die wir benötigen, um bei der Stärke der Impfstoffe, die wir haben, und dem R-Wert der Delta-Variante über die Runden zu kommen."

Auch der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), erklärt, er hoffe immer noch, dass Deutschland es ohne Impfpflicht schaffen werde. Er erklärt aber auch: "Wenn nicht, bin ich allerdings auch bereit, diesen Schritt zu gehen. Unser Land darf nicht dauerhaft von dieser Pandemie dominiert werden."

Skepsis auf CDU-Seite

Doch es gibt auch Ablehnung einer solchen Maßnahme. "Einer allgemeinen Impfpflicht im Sinne einer Zwangsimpfung stehe ich sehr skeptisch gegenüber", sagt der stellvertretende Unionsfraktionschef Thorsten Frei (CDU). Sie dürfte "wegen des schwerwiegenden Eingriffs in das Recht auf körperliche Unversehrtheit unter den derzeitigen Rahmenbedingungen auch unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig sein". Auch die FDP hat verfassungsrechtliche Bedenken, Ablehnung kommt auch vom geschäftsführenden deutschen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Er sei immer skeptisch gewesen, daran habe sich "nichts geändert".

Allerdings haben Merkel und die 16 Bundesländer am Donnerstag eine verpflichtende Impfung für Beschäftigte in Krankenhäusern, Pflegeheimen und bei mobilen Pflegediensten beschlossen. Diese soll nun rasch umgesetzt werden. Gleichzeitig hat die Regierung eine Änderung auf ihrer Info-Website vorgenommen. Dort stand bis vor kurzem die Frage "Wird es eine gesetzliche Impfflicht geben?". Die Antwort lautete: "Nein. Es wird keine Impfpflicht geben!" Und weiter: "Nachrichten und Beiträge, die etwas anderes behaupten, sind falsch." Zwischenzeitlich hat die Bundesregierung diesen Hinweis mit Blick auf die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz von der Seite genommen.

Doch zu Mittag erklärte der Sprecher der geschäftsführenden deutschen Bundesregierung, Steffen Seibert, dass der Hinweis wieder aufgenommen worden sei. Er beziehe sich nämlich auf eine generelle Impfpflicht. Hier gelte unverändert, dass eine solche von der geschäftsführenden Regierung nicht angestrebt werde.

Moderna vor Pfizer/Biontech

Spahn verteidigte am Montag auch seine Entscheidung, die Auslieferung des in Deutschland besonders beliebten Impfstoffes von Biontech zu deckeln. In einem Brief an die Länder hatte es geheißen, es solle für Booster-Impfungen vermehrt Moderna-Dosen verwendet werden – auch weil diese ab Mitte des 1. Quartals 2022 zu verfallen drohten.

Dies hatte zu viel Kritik geführt. Tenor: Es sei das falsche Signal, man müsse die Deutschen mit allen Möglichkeiten zur Impfung bringen. "Mir ist bewusst, dass diese kurzfristige Umstellung für Beteiligte viel Aufwand und Stress bedeutet. Viele Arbeitsabläufe müssen geändert werden, das weiß ich und bedauere ich auch", sagte Spahn und betonte: "Leider ist der Eindruck entstanden, wir würden nur deshalb stärker auf Moderna setzen, um einen Verfall von Impfstoffen zu vermeiden." Das sei falsch. Spahn: "Wir halten nichts zurück. Entscheidend ist, dass sich unser Biontech-Lager leert." Doch auch Moderna sei "ein guter, sicherer und sehr wirksamer Impfstoff". (Birgit Baumann aus Berlin, 22.11.2021)