Die meisten Schulen waren am Montag gut besucht.

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Kinder in die Schule schicken oder nicht? Diese Frage stellen sich Eltern in ganz Österreich. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) richtete den Eltern aus, sie wüssten am besten, was ihren Kindern "guttut". In Wien beruft sich Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) ebenfalls darauf, es handle sich um eine Entscheidung, die Eltern mit ihren Kindern "individuell treffen" sollen. Es gebe bewusst beide Möglichkeiten, weil aus den vorangegangenen Lockdowns Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Zur berücksichtigen seien Fragen wie: Sind die Rahmenbedingungen, zu Hause zu lernen, tauglich oder nicht? Gibt es gesundheitliche Risiken? Wie haben die Kinder das Lernen zu Hause geschafft?

Zu Mittag verkündete das Bildungsministerium vorläufige Zahlen: Rund 70 Prozent der Kinder sind am ersten Tag des österreichweiten Lockdowns in die Schule gekommen. In Wien waren es bis zu 90 Prozent, in Salzburg waren es dagegen nur rund 60 Prozent und in Oberösterreich zwischen 60 und 70 Prozent. Tendenziell kamen an den Volksschulen in manchen Bundesländern weniger Kinder, an den Sekundarstufen waren überdurchschnittlich viele Kinder anwesend.

Wien zeigte sich am Montag zuversichtlich, die kommenden Wochen gut abwickeln zu können. Der Unterricht vor Ort werde weitestgehend wie gewohnt stattfinden, hieß es aus dem Rathaus. Entscheidet man sich für Unterricht zu Hause, sind Lernpakete von der Schule abzuholen. Wo die technischen Möglichkeiten bereits gegeben sind, können die Aufgaben auch auf Lernplattformen hochgeladen werden. Für die Erarbeitung sind die Schüler selbst verantwortlich. Schularbeiten und Tests sollen nach Möglichkeit ausgesetzt werden.

Auch Salzburg zuversichtlich

In Salzburg wird Distance-Learning angeboten. Ab wann, ist den Lehrern selbst überlassen. "Es gibt leider vom Ministerium da keine klare Vorgabe zum Dictance-Learning, aber es passiert", heißt es aus dem Büro von Bildungslandesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) auf Nachfrage. Im letzten Lockdown seien schon gute Erfahrungen gemacht worden. Die Lehrer können auch Hybridunterricht machen. In der Sekundarstufe seien die Klassen auch bereits mit Kameras ausgestattet, heißt es aus Gutschis Büro. Durch die Digitalisierungswelle seit Corona seien auch viele Endgeräte für die Schüler angeschafft worden. Das Land hat 1.300 Tablets angeschafft, die bei Bedarf zum Ausleihen zur Verfügung stehen.

Distance-Learning und Sonderbetreuungszeit für Eltern

Distance-Learning – das ist auch im Sinne der Schülerinnen und Schüler. Mit einem offenen Brief richteten sich am Montag über 100 Schulsprecherinnen und Schulsprecher aus ganz Österreich, Wissenschafter, Lehrerinnen und Eltern an Bildungsminister Faßmann, Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne). Ihre klare Forderung: "Distance-Learning an allen österreichischen Schulen für 14 Tage zur Unterbrechung der Infektionsketten". Nur für Schülerinnen und Schüler, die dies brauchen, soll Betreuung angeboten werden, der Unterricht soll aber digital stattfinden. Eltern sollen dabei auch nicht im Regen stehen gelassen werden, sondern in der Arbeit Sonderbetreuungszeiten in Anspruch nehmen können. Zudem fordert Erstunterzeichner Mati Randow, Schulsprecher des Wiener Gymnasiums Rahlgasse, dass die PCR-Testungen ausgebaut werden und schwach positive Tests bei der Wiederaufnahme des Schulbetriebs gewertet werden sollen.

Im zweiseitigen Brief wird aber vorweg auch scharf mit der bisherigen Pandemiepolitik aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen abgerechnet. Es sei nicht dafür gesorgt worden, Schulen "zu einem sicheren Ort zu machen", obwohl "von vornherein klar war, dass die von Ihnen gesetzten Maßnahmen nicht ausreichen würden", heißt es im Brief an die Regierungsmitglieder. Die "erschreckende Konsequenz": Rund 120.000 Pflichtschülerinnen und Pflichtschüler haben sich laut Ages mit Covid angesteckt, 53.000 davon seit dem Schulbeginn diesen Herbst, betonen die Unterzeichner. Unter Schülerinnen und Schülern gibt es auch aktuell hohe Fallzahlen, das zeigt die Inzidenz der Fünf- bis 14-Jährigen von aktuell über 2.100.

Schwierig, weil unklar

Auch an der Schule, wo Randow Schulsprecher ist, sind am Montag die meisten Schülerinnen und Schüler erschienen. Die Direktorin Ilse Rollett ist froh, "dass es so klar ausgefallen ist, denn das Schwierigste war der unklare Erlass. Ich habe am Wochenende viel mit ratlosen Eltern telefoniert." Sie hätte aber auch mit einem echten Lockdown, wie in dem offenen Brief gefordert, kein Problem gehabt. An ihrer Schule gebe es eine "hohe Impfmoral, in der Oberstufe sei unter 280 Jugendlichen die Zahl der Ungeimpften einstellig, auch in der Unterstufe seien die geimpften Kinder deutlich in der Mehrheit, und es würden nun auch off-label immer mehr.

Die Schüler beklagen mangelnde Kommunikation und "Chaos", sind sich aber über Maßnahmen uneinig. Wir haben mit Schülervertreterinnen Mati Randow und Carina Reithmaier gesprochen.

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Auch die versprochenen Laptops wurden ausgeliefert, und es gibt 40 Luftreinigungsgeräte an der Schule. "Das hat bei uns gut funktioniert", so Rollett. Man teste an ihrer Schule bereits jetzt dreimal die Woche per PCR und zusätzlich nun montags per Antigen.

Rollett gibt auch zu bedenken, dass die derzeitige Regelung Probleme bei den Schularbeiten aufwirft: "Die Schule ist völlig verrechtlicht, und so haben wir auch klare Vorgaben, wie viel Schularbeiten im Semester stattfinden müssen." In der Unterstufe seien dies etwa in jedem Hauptfach zwei pro Semester. "Auch Verschieben hilft hier nichts, sonst haben wir Megastress im Februar", erklärt die Schulleiterin, "im Vorjahr gab es einen Erlass, wonach es reiche, nur eine Schularbeit im Semester stattfinden zu lassen, doch das fehlt aktuell."

Chaos in Oberösterreich

Lehrer Samuel Reiter aus Linz sieht die Schulen zu wenig auf den Lockdown vorbereitet. Der Mathematik-, Informatik- und Sportlehrer an der Linzer Stelzhamerschule ist einer von vielen Lehrern, die die von der Politik auch im Lockdown gewünschten "offenen Schulen" jetzt tagtäglich bespielen müssen. Für den 31-jährigen Pädagogen ist dies aber nur sehr bedingt möglich. "Am Montag hatte ich von 27 Kindern nur sieben in der Klasse. Den Unterricht musste ich aber dennoch nach Stundenplan halten. Da groß nebenbei Lernpakete zu schnüren ist unmöglich. De facto bekommen jene Schüler, die daheim sind, die Lerninhalte mitgeteilt und müssen diese im Selbststudium erarbeiten."

Die aktuelle Entscheidung im Bildungsministerium kann der Lehrer "überhaupt nicht nachvollziehen". Reiter: "Man hat echt das Gefühl, die Politik weiß so oft nicht, wie Schule in der Praxis funktioniert und was wir in so einer Situation als Lehrer im Klassenzimmer tatsächlich brauchen." Sinnvoller wäre es etwa, die in der Schule anwesenden Kinder in Klassen zu bündeln. Reiter: "Dann wären auf Lehrerseite Ressourcen für einen echten Heimunterricht frei. Aber mit dem normalen Personalstand alles abzudecken ist völlig illusorisch. Wir haben auch ohne Lockdown oft zu wenig Personal und schon genug an Überstunden zu leisten."

Überhaupt seien die Lehrer "viel zu brav und angepasst". Reiter: "Wie schlucken immer alles und sind die angepassten Erfüllungsgehilfen der Politik." Aber damit müsse jetzt Schluss sein: "Wir müssen laut werden, es braucht Protestmaßnahmen." Enttäuscht ist der Lehrer auch von der Gewerkschaft: "In solchen Extremsituationen gehen die alle immer in Deckung. Brauchst du als Lehrer Unterstützung, geht die Gewerkschaft auf Tauchstation."

Gurgeln im Kindergarten

Und wie ist die Situation in den Kindergärten? Die elementaren Bildungseinrichtungen in Wien bleiben geöffnet. Alle Kinder, die im Lockdown einen Kindergartenplatz benötigen, könnten in den Kindergarten kommen, heißt es seitens der Stadt Wien. Kein Kind verliere seinen Platz, wenn es derzeit nicht in den Kindergarten komme. Diese Ausnahmeregelung gilt bis zum Ende der Weihnachtsferien. Es wird im Bereich der elementaren Bildungseinrichtungen mit einer Besuchsquote von deutlich über 50 Prozent gerechnet. Die Kindergartenpflicht ist derzeit aufgehoben. Das heißt, Kinder im letzten verpflichtenden Kindergartenjahr müssen während des Lockdowns nicht in den Kindergarten gehen.

Der Alltag im Kindergarten soll unter Berücksichtigung der notwendigen Hygienemaßnahmen so normal wie möglich verlaufen. Es gibt Empfehlungen der Stadt Wien wie etwa zum Tragen von FFP2-Masken für Erwachsene, die Umsetzung liegt im Ermessen der Trägerorganisationen. Es wird darauf geachtet, dass sich Kindergruppen so wenig wie möglich mischen.

Nicht nur in Schulen, auch in Kindergärten setzt die Stadt Wien nun verstärkt aufs Gurgeln, um PCR-Test-Ergebnisse zu erzielen. Seit September wurden bereits 70.000 Testkits in den Kindergärten abgegeben. Zielgruppe sind alle Kinder ab vier Jahren, die bereits gurgeln können, sagt ein Sprecher vom Bildungsstadtrat. Die Anzahl der Abgabeboxen für Proben von "Alles gurgelt" an Kindergartenstandorten werde laufend erweitert. Die Nachfrage an dem Angebot steige kontinuierlich. 9.800 Tests wurden in dieser Altersgruppe in Kalenderwoche 43 abgegeben, 14.100 in Kalenderwoche 44 und 15.500 in Kalenderwoche 45. (Markus Rohrhofer, Stefanie Ruep, Colette Schmidt, Rosa Winkler-Hermaden, 22.11.2021)