Heinz-Christian Strache plant sein Comeback; den Grundstein sollen Memoiren legen.

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Sie beginnen mit Goethe, sie enden mit Schiller: die Memoiren von Heinz-Christian Strache, die nun erschienen sind. Um Pathos war der einstige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache noch selten verlegen, und das bleibt auch so. Auf 302 Seiten lässt der jetzige Consulter seine Politkarriere Revue passieren – und erarbeitet die inhaltlichen Grundzüge für ein Comeback. Den Großteil der Memoiren nimmt naturgemäß das titelgebende "Ibiza-Attentat" ein, an dem Strache hart kiefelt. "Vergebung ist ein Geschenk, das ich mir nun selbst mache, auch und gerade mit der Aufarbeitung und mit diesem Buch", schreibt er im Vorwort.

Diese Vergebung führt allerdings dazu, dass sich Strache retrospektiv von seinem damaligen Rücktritt distanziert: "Ich ließ mich überrumpeln, anstatt diese Krise durchzustehen und den angeblichen Skandal als das bloßzustellen, was er wirklich war: ein plumper Versuch, mit Stasimethoden und viel krimineller Energie einen demokratisch gewählten Obmann, Vizekanzler und eine Regierung zu stürzen."

Strache glaubt an Gudenus' Komplizenschaft

Immer wieder lässt Strache anklingen, dass sein enger politischer Vertrauter Johann Gudenus ihn bewusst in eine Falle gelockt haben könnte – was dieser vehement bestreitet. Er habe Gudenus vertraut und daher dem Treffen mit der Oligarchin zugestimmt, schreibt Strache. Und die Aussagen, die er dort traf?

Der einstige Vizekanzler glaubt an die Verwendung eines "Drogenliquids": "In kriminellen und Geheimdienstkreisen ist die Verwendung solcher illegalen Substanzen und Präparate nicht unüblich, die innerhalb von zwei, drei Stunden ihre volle Wirkung entfalten und das Opfer zu überzogenen Aussagen und Reaktionen veranlassen, indem die kritischen Instanzen im Gehirn außer Kraft gesetzt werden, man getriggert wird und mittels Suggestivfragen in bestimmte Richtungen manipuliert werden soll." Ein Gutachten renommierter Mediziner, das von den Ibiza-Hintermännern in Auftrag gegeben wurde, sah hingegen keine Anzeichen auf K.-o.-Tropfen oder ähnliche Substanzen.

Feinde überall

Für Strache ist bis heute ungeklärt, wer tatsächlich hinter dem Ibiza-Video steckt. Die allgemeine Stimmungslage sei gewesen, dass Strache "weg müsse" – das habe angeblich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zu Journalisten gesagt, behauptet der ehemalige FPÖ-Chef. Sogar dem flüchtigen einstigen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek traut Strache eine Mittäterschaft zu. Denn auch der sei ihm von Gudenus vorgestellt worden, genau wie die falsche russische Oligarchennichte. "Ich schließe nicht aus, dass man dieses Treffen mit Marsalek inszeniert hat, um mir den Kontakt zu ihm unterzujubeln", so Strache. Worum es damals gegangen sei? "Marsalek, der mir auffallend arrogant und selbstherrlich erschien, fantasierte dabei von einem geplanten Grenzschutzprojekt in Libyen, mit dem die EU die Flüchtlingsströme vor Ort stoppen wollte."

Ebenso kann sich Strache aber eine Rolle der ÖVP in der Verbreitung des Ibiza-Videos vorstellen. Die soll langsam geplant haben, die Koalition hochgehen zu lassen – darauf deuten übrigens auch interne Chats aus der ÖVP hin. Gespießt habe es sich im Frühjahr 2019 offenbar an der Abschaffung der ORF-Gebühren, die die FPÖ durchsetzen wollte. Das sei in einem Sideletter zum Regierungsprogramm vereinbart worden, schreibt Strache. Den habe die ÖVP an Journalisten geleakt, glaubt der einstige Vizekanzler.

Soros und die Bilderberger

Einen weiteren großen Konflikt sieht Strache in seiner Ablehnung des UN-Migrationspakts, gegen den damals auch die rechtsextreme Identitäre Bewegung mobil gemacht hatte. Das österreichische Nein habe, so Strache, weltweit Bestürzung ausgelöst. Einige Wochen nach dem Konflikt habe ihn Kurz angerufen, "dass gerade George Soros und dessen Sohn zu einer Unterredung bei ihm im Bundeskanzleramt seien. Er fragte mich, ob ich ein Problem damit habe, zumal die beiden Gäste aus ihrer Unterstützung für den Migrationspakt nie ein Hehl gemacht hatten. Ich antwortete: 'Das kommt darauf an, was ihr über mich redet.' Sebastian Kurz lachte und legte auf."

Strache inszeniert sich in seinen Memoiren immer wieder als Kämpfer gegen vermeintliche "Eliten", dabei nutzt er auch den in der Alt-Right-Szene beliebten Begriff "Globalisten". Diese hätten ihn über eine ehemalige Außenministerin auch zu einem Treffen der Bilderberger eingeladen, aber Strache hielt fest, "dass ich dieser Einladung nicht nachkommen würde, da ich als Vizekanzler ausschließlich den österreichischen Staatsbürgern verpflichtet sei, nicht aber irgendwelchen globalen Elitezirkeln, wie einflussreich diese auch immer sein mochten".

Parteifeinde

Auch innerhalb seiner Partei habe es Konflikte gegeben, erzählt Strache. Besonders der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner bekommt in Straches Memoiren sein Fett ab. So erzählt Strache von einer Veranstaltung Linz im Jahr 2016, bei der Straches Rede das Publikum begeistert haben soll. "Nach rund vierzig Minuten raunte Haimbuchner seinem Landesgeschäftsführer zu: 'Wenn der jetzt noch länger redet, dann ziehts ihm den Stecker raus!' Ich erfuhr nach der Veranstaltung von einem Vertrauten von dieser abschätzigen Bemerkung, sodass ich spätestens seit diesem Zeitpunkt wusste, wie er wirklich über mich dachte und dass er sich selbst maßlos überschätzte."

Strache habe bei seinem Rücktritt realisiert, "dass es schon seit Jahren Zirkel in der Partei gab, die mich offensichtlich loswerden und beerben wollten". Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp soll einem Comeback Straches in der Bundeshauptstadt im Weg gestanden sein. "Kleine Sünden bestraft der Herrgott sofort, so sagt man, und Dominik Nepp musste diese Lektion wohl erst lernen", kommentiert nun Strache. Der "Beute-Burschenschafter bei den Aldanen (der angeblich noch nie eine Mensur gefochten hat – es gilt die Unschuldsvermutung)" sei in Wien abgestürzt, nachdem er Strache blockiert habe.

"Darüber hinaus dürfte mein Einsatz gegen Antisemitismus und mein Eintreten für ein gutes Verhältnis zu Israel jene innerparteilichen Ressentiments kleiner, aber gut vernetzter Cliquen verstärkt haben, die bereits vorher gegen mich bestanden hatten", glaubt Strache.

Den Kurs des jetzigen FPÖ-Chefs Herbert Kickl lobt Strache ausdrücklich, da dieser die Blauen nicht "zu einer zweiten ÖVP degenerieren" lasse. Doch früher hatte sich Strache stets davor gesorgt, dass Kickl ihn desavouieren würde. Deshalb hatte der damalige FPÖ-Chef auch dafür gekämpft, dass Kickl Innenminister würde: "Ich wollte vermeiden, dass ich als Vizekanzler den Gegenwind abfange und Herbert Kickl mich inzwischen als Klubobmann von hinten aushebelt." Aber auch als Innenminister habe Kickl Alleingänge unternommen: "Er suchte kaum Absprachen mit mir, informierte mich selten über wichtige Angelegenheiten und machte dort und da Alleingänge, auch wenn eine Abstimmung mit dem Vizekanzler und Parteichef notwendig gewesen wäre."

Manifest gegen "Versklavung"

Der Politik den Rücken zukehren kann und will Strache offenbar nicht. Er sieht eine "Agenda zur Versklavung" der Bevölkerung, die Schritt für Schritt umgesetzt werde, und warnt vor "Chip-Implantaten als ID- und Kreditkarte"; der Rationierung von Essen und "Homeoffice und weiterer Beschränkung sozialer Kontakte". Das Ibiza-Video habe seine Transformation "vom Rebellen zum Staatsmann" beschleunigt. "Im Unterschied zu Jörg Haider habe ich das Glück und den Segen, zu leben und weiter gestalten zu dürfen" – das will er auch tun, kündigt Strache an. Allerdings gibt es Hürden: "Seit über zweieinhalb Jahren erlebe ich Ermittlungen der WkSTA und StA gegen meine Person gerichtet, welche mich finanziell an den Rand des wirtschaftlichen und existentiellen Ruins treiben", schrieb Strache am Dienstag auf Facebook – und bat um Spenden. (Fabian Schmid, 23.11.2021)