Versuchten Geschlossenheit zu demonstrieren: Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP).

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Schon am zweiten Tag des Lockdowns mussten Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) zum Rapport. Im Bundesrat hatten die Sozialdemokraten vor ein paar Tagen eine Sondersitzung einberufen. Die rote Fraktionschefin Korinna Schumann und Co wollten sich ausgiebig über das "Corona-Totalversagen der Bundesregierung" erkundigen sowie beschweren. Und zwar mit jeweils mehr als 40 "dringlichen" Fragen an den Kanzler und seinen Minister.

Davor holten die Roten in ihrer Anfrage aber weit aus. Der vierte Lockdown, den die SPÖ unterstützte, wäre aus ihrer Sicht "nicht notwendig gewesen", hätte die Regierung früh genug reagiert. Aber schlussendlich ist es für die SPÖ-Mandatare nur ein Beispiel von vielen für das insgesamt "inkonsistente Handeln" der türkis-grünen Spitze in den vergangenen Pandemiemonaten.

Ischgl, Ampel, Sputnik und Pandemie-Ende

Die SPÖ beginnt mit den Verfehlungen im Nobelskiort Ischgl zu Beginn der Krise, spricht das Chaos rund um die Corona-Ampel an, moniert, dass es etliche Monate für eine Homeoffice-Regelung brauchte und dass die Stopp-Corona-App unter anderem "aufgrund von fehlender Kritikfähigkeit der Regierung" zu einem "krachenden Misserfolg" wurde. Heuer im Juni seien nicht wie angekündigt alle Impfwilligen zu ihrem Erststich gekommen, und beim grünen Pass sei Österreich nicht wie gewollt zum Vorreiter geworden. Auch der groß inszenierte Ankauf des russischen Impfstoffs Sputnik passierte nie.

Nicht zuletzt ließen der damalige Kanzler Sebastian Kurz und die ÖVP im Sommer "Die Pandemie gemeistert, die Krise bekämpft" plakatieren. Das sollte sich als große Fehleinschätzung herausstellen. "Durch diese inkonsistente Kommunikation haben viele Menschen das Vertrauen in die Regierung, ihre Maßnahmen und deren Wirksamkeit verloren", beklagten die Sozialdemokraten. Sie verwiesen auf die "erschreckenden" Zahlen bei den Infektionen, den Intensivstationen, den Corona-Toten, der schwachen Impfquote, aber auch hinsichtlich der Erwerbslosen.

Kein Enddatum für Ungeimpften-Lockdown

Als Erster trat Alexander Schallenberg vor den Bundesrat. Die Freiheitlichen hielten dem Kanzler prompt "Nein zum Impfzwang"-Schilder entgegen, teilweise trugen sie keine Maske. Einmal mehr räumte Schallenberg ein, dass es der Regierungsspitze nicht gelungen sei, ausreichend viele Menschen von einer Impfung zu überzeugen. Man sei lange, "vielleicht zu lange" davon ausgegangen, dass dies ohne Pflicht funktioniere. Doch die Impfquote sei trotz früherer Maßnahmen, 2G in Gastro und Co oder 3G am Arbeitsplatz, schlicht zu niedrig. "Und ja, ich gebe es ganz unumwunden zu, auch das staatliche Krisenmanagement hat nicht immer funktioniert, ich bin der Letzte, der behauptet, dass ich oder unser Handeln fehlerfrei sei." Der FPÖ warf Schallenberg vor, einen "Anschlag auf unser Gesundheitssystem" durch Desinformation bei der Impfung mitzuverantworten.

Schallenberg blieb dabei, dass der Lockdown für alle 20 Tage dauern soll, nach zehn Tagen werde dieser evaluiert. Kein Enddatum gibt es derzeit bei den Ausgangsbeschränkungen für Umgeimpfte. Hier sieht Schallenberg den Ball bei der Bevölkerung liegen. "Jeder hat es selbst in der Hand, indem er noch heute zur Impfung geht", sagte der Kanzler. "Jeder hat eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung."

"Wir hören die Alarmsignale"

Auch Mückstein wurde mit den Taferln der Freiheitlichen begrüßt. Wie schon davor monierte das Präsidium, diese nach einigen Minuten wieder wegzuräumen. "Wir hören die Alarmsignale aus den Spitälern", sagte Mückstein einleitend. "Wir hören die Hilferufe von den Medizinerinnen und Medizinern, von den Pflegekräften, und wir müssen jeden Tag um Menschen trauern." Daher sei es wichtig gewesen, einen Lockdown umzusetzen und eine gesetzliche Impfpflicht, geltend ab Februar, anzugehen. "Gemeinsam können wir die vierte Welle brechen und eine fünfte verhindern", sagte Mückstein. Wie viele Operationen aufgrund der zugespitzten Pandemiesituation bereits verschoben werden mussten, konnte Mückstein nicht sagen. Diese Daten würden seinem Ressort nicht übermittelt. Häufig verwies der Minister auf die Antworten des Kanzlers.

Mückstein führte aber aus, dass es noch Ende November eine Zulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffs für Fünf- bis Elfjährige und danach eine Empfehlung des Nationalen Impfgremiums geben dürfte. Zudem betonte er, dass "uns keine Daten zur Wirksamkeit von Ivermectin gegen Covid-19 vorliegen", es gebe aber erste Vergiftungen in Österreich. Das Medikament, das zur Entwurmung von Pferden eingesetzt wird, sei außerdem nicht zur Behandlung einer Corona-Erkrankung zugelassen. Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen warnte bereits vor der Anwendung von Ivermectin. (Jan Michael Marchart, 23.11.2021)