Antrag auf Gebührenfinanzierung für das Klassikportal myfidelio.at.

Foto: myfidelio / Screenshot

Wien – Die Klassikplattform Myfidelio, 2016 von ORF und deutscher Unitel als kommerzielles Aboangebot gestartet, hat sich nach Angaben des ORF als kommerziell "nicht finanzierbar" herausgestellt. 2,2 Millionen Euro Verlust hat das Portal von September 2016 bis 2020 den Eigentümern eingebracht. Inzwischen hat der ORF GIS-Gebühren für das Klassikportal beantragt.

"Eine kommerzielle Weiterführung der Plattform in dieser Form kann nicht mehr länger aufrechterhalten werden", schreibt der ORF in seinem Antrag. "Ein operativer Ergebnis-Turnaround zeichnet sich – entgegen ursprünglichen Planungen – auch im laufenden Geschäftsjahr 2021 trotz schlanker Kostenstrukturen und vor allem aufgrund der durch die Corona-Krise unsicheren Umsatzentwicklung nicht ab."

800.000 Euro aus der GIS

Um ein Drittel günstiger gibt es derzeit myfidelio.at als Weihnachtsaktion – für 99 statt regulär 149 Euro pro Jahr. Doch nach den Plänen des ORF soll es Myfidelio in Zukunft noch weit günstiger geben – dank Zuschüssen aus den Programmentgelten.

Der ORF würde gerne ab 2022 rund 800.000 Euro pro Jahr für Myfidelio aus den Programmentgelten verwenden. Aus Abo-Erlösen erwartet er 220.000 bis 320.000 Euro pro Jahr für die Plattform. Jahresabos sollen dann 29,90 bis 49,90 Euro kosten. Mit Werbung hofft der ORF bei Myfidelio 100.000 bis 110.000 Euro einzunehmen.

Mit Frühjahr 2022 sollen die ORF-Programmentgelte um acht Prozent steigen – wenn die Medienbehörde und ihre Wirtschaftsprüfer den Beschluss des ORF-Stiftungsrats von Oktober bestätigen, sie prüfen ihn derzeit.

Programmentgelte des Publikums darf der ORF nur für öffentlich-rechtliche Aufgaben verwenden. Er hat daher – schon im Sommer – beantragt, Myfidelio in ein öffentlich-rechtliches Angebot mit Teilfinanzierung aus Gebühren beantragt.

Verleger und Privatsender lehnen Konzept ab

Die Wirtschaftskammer reagierte in ihrer Stellungnahme zu dem Angebotskonzept grundsätzlich positiv. Sie wünscht sich insbesondere "Erlösbeteiligungsregeln" für Produzenten und Rücksicht auf den Wettbewerb mit privaten Anbietern.

Der Zeitungsverband VÖZ lehnt das ORF-Konzept sehr grundsätzlich ab: "Die Fortführung von myfidelio.at als Joint Venture mit Unitel unter Eingliederung in die öffentlich-rechtliche Finanzierung wäre nicht mit dem ORF-Gesetz vereinbar. Darüber hinaus erschiene es uns auch hochproblematisch, wenn dem Österreichischen Rundfunk die 'Sanierung' gescheiterter kommerzieller Kooperationen durch den Gebührenzahler genehmigt würde – noch dazu, wenn diese Sanierung zugleich auch zugunsten eines privaten Film- und Rechtehandelsunternehmens wirken würde. Eine Genehmigung des vorliegenden Angebotskonzepts ist unseres Erachtens von einem Ausstieg der Unitel zu marktkonformen Bedingungen abhängig zu machen, der Angebotskatalog wäre in der Folge um den Unitel-Content zu bereinigen und auf ORF-Produktionen einzuschränken."

Der Verband der Privatsender (VÖP) kommt zu dem Schluss, "dass das geplante Angebot in der beantragten Form nicht genehmigungsfähig ist. Das vorgelegte Angebotskonzept ist in wesentlichen Punkten unbestimmt (z. B. im Hinblick auf die Integration mit den ORF-Bestandsangeboten und dem geplanten ORF-Player), es fehlt an struktureller Unabhängigkeit von den kommerziellen Interessen des Miteigentümers Unitel GmbH & Co KG, die Finanzplanung ist aus vielerlei Gründen nicht plausibel, der Angebotsumfang selbst ist, zumindest in Teilen, gesetzwidrig, der öffentlich-rechtliche Mehrwert ist negativ, und die Auswirkungen auf den Wettbewerb, vor allem aufgrund der geplanten Online-Vermarktung und der geplanten Abo-Preisgestaltung, ebenfalls negativ und wettbewerbsverzerrend."

"Kritische Masse an zahlungsbereiten Endkunden" nicht erreicht

Der ORF erklärt seinen Antrag auf Gebührenfinanzierung so: "Eine nachhaltige, rein kommerzielle Finanzierung setzt eine kritische Masse an zahlungsbereiten Endkunden bzw. die dementsprechende Nachfrage an Nutzern zur weiteren Verwertung über die werbetreibende Wirtschaft voraus. Beide Punkte konnten trotz intensiver Bemühungen mit überschaubarem Marketingbudget nur bedingt erreicht werden, da die mitunter zu geringe Markenbekanntheit den beschränkten Werbemöglichkeiten geschuldet war."

Der ORF verweist darauf, dass er das kommerzielle Angebot nicht unter der bekannten Marke ORF anbieten darf.

Und: "Die vor allem auf den österreichischen Markt konzentrierten Bemühungen stießen außerdem auf das der geringen Einwohnerzahl geschuldete überschaubare Marktpotenzial, sodass eine kommerziell gewinnbringende Finanzierung über den Markt aus derzeitiger Sicht unrealistisch erscheint."

Vorläufer Flimmit

Myfidelio.at soll in die geplante ORF-Streamingplattform ORF On (Arbeitstitel ORF-Player) integriert werden. Für das ebenfalls kommerziell gestartete ORF-Film- und -Serienportal Flimmit hat die Medienbehörde Gebührenfinanzierung nach einem zweiten, adaptierten Angebotskonzept schließlich genehmigt.

Das Verfahren über das Angebotskonzept läuft nach Angaben der Medienbehörde KommAustria ebenso noch wie jenes über das Onlineangebot Topos. (fid, 24.11.2021)